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Wohnhaus in Fulpmes (A) von Studio Colere

Wohnhaus in Fulpmes (A)
Abriss verhindert, Baukultur erhalten

Zwei junge Ingenieure haben dem Nebengebäude eines 350 Jahre alten Bauernhofs neues Leben eingehaucht. Mit einem cleveren Haus-im Haus-Konzept und leicht versetzten Ebenen gelang den Planern hier ein kleines Raumwunder auf nur 45 m².

Architekten: Studio Colere
Tragwerksplanung: Zimmerei Kössler & Annabith

Text: Tanja Feil
Fotos: David Schreyer

Wer von Innsbruck nach Süden ins Stubaital fährt, erreicht nach rund 20 km den Ferienort Fulpmes. Oberhalb des Dorfkerns steht ein kleines Satteldachgebäude; es gilt als einziges noch erhaltenes historisches Fragment der örtlichen Siedlungsgeschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Ursprünglich war das Gebäude Teil eines bäuerlichen Anwesens namens »Gröbenhof«. In unmittelbarer Nähe des Wohnhauses hatte man es regionaltypisch als eingeschossiges Backhaus mit angebautem Schweinestall errichtet. Als jedoch der Getreideanbau und damit auch das Brotbacken zurückgingen, verschwanden derartige Gebäude nach und nach aus den Ortsbildern.

1927 wurde das Häuschen zur heutigen Größe erweitert und aufgestockt, von da an gab es einen Erdkeller im UG und eine Werkstatt im DG. Anstelle des Schweinestalls baute man in den 1960er Jahren Toiletten für die damalige Jausenstation auf dem Gröbenhof ein. Zu Beginn der aktuellen Revitalisierung fand die Werkstatt nur noch als Abstellraum Verwendung, die WC-Anlagen waren bereits seit Längerem außer Betrieb.

Hehre Ziele

Nun wurde das Gebäude behutsam erneuert – von Architekt Jakob Siessl und Maschinenbauingenieur Florian Schüller, die das Projekt gemeinsam als Planer- und Bauherrenpaar stemmten. Seit 2023 sind sie zusammen konzeptionell tätig und betreiben das Studio Colere (von lat. bearbeiten, bebauen, bewohnen, pflegen, veredeln). Den beiden ist es ein besonderes Anliegen, dem voranschreitenden Verlust an traditionellen bäuerlichen Nutzbauten entgegenzuwirken. Außerdem möchten sie mit ihren Projekten nicht zur weiteren Flächenversiegelung beitragen und sehen daher ihre Kernkompetenz im Umbauen, Modernisieren und Verdichten vorhandener Strukturen. Den Neubau von Einfamilienhäusern betrachten sie eindeutig nicht als ihr Betätigungsfeld.

Grundriss EG des Wohnhauses von Studio Colere in Fulpmes
Grundriss EG (Bild: Studio Colere)

Schüllers Eltern betreiben den Gröbenhof als Gastwirtschaft mit Pension und trugen sich mit dem Gedanken, anstelle des Nebengebäudes ein Gästehaus zu errichten. Siessl, damals noch Architekturstudent, konnte sie allerdings von dessen versteckten Potenzialen und der Sinnhaftigkeit einer Weiternutzung überzeugen. So begannen die Jungingenieure, im DG eine kleine Wohnung für sich zu konzipieren; der Erdkeller im UG blieb erhalten, im EG fanden eine (Holz-)Werkstatt, ein Lagerraum für das benachbarte Wirtshaus, die Haustechnik sowie der Aufgang zur oberen Etage Platz. Noch während seiner Diplomarbeit koordinierte Siessl die Arbeiten auf der Baustelle.

Eingestellter Blockbau

Schüller und er legten großen Wert darauf, so viel wie möglich vom Bestand in seiner vorgefundenen Form zu erhalten und Altes wiederzuverwenden. Lediglich schadhafte Teile tauschten sie durch authentische, regional bezogene Materialien aus – immer im sichtbaren Dialog mit dem Vorhandenen. Das Bruchsteinmauerwerk im EG wurde beispielsweise außen nur mit einer zweilagigen Kalkschlämme gestrichen, innen ist es unbehandelt. Die größte Ausbesserung musste am Holzschindeldach vorgenommen werden, das nach 100 Jahren Nutzungsdauer nur noch eine begrenzte Schutzwirkung besaß. Die morschen Sparren und Pfetten ersetzten die Planer aus Rücksicht auf die Statik des Gebäudes in gleicher Form und Proportion.

Um die Räume im DG besser zu belichten, wurden zwei große, flächenbündig mit der Fassade verglaste Öffnungen geschaffen. Die historische Hülle blieb außen ansonsten unverändert. Stattdessen stellten Siessl und Schüller ins Innere der oberen Etage einen Blockbau aus 16 cm starken Fichtenholzbohlen ein; da der Dachstuhl ohnehin komplett abgetragen werden musste, ließen sich die vorgefertigten Elemente mittels Kran über das geöffnete Dach einbringen. Das Massivholz erfüllt einerseits sämtliche Anforderungen an den Wärme- und Brandschutz und wirkt als große Speichermasse; andererseits lehnt der Aufbau sich an die regionale Tradition der massiven Strickbauweise hölzerner Wohnhäuser an.

Hinzu kam, dass sich auf diese Art eine geschichtete Konstruktion mit sonstigen Dämmstoffen und Folien vermeiden ließ. »Irgendwann muss ein Gebäude auch wieder recycelt werden und dann sollte eine sortenreine Trennung sowie Wiederverwendung der Materialien möglich sein«, so die beiden Gründer des Studio Colere. Außerdem ist es ihnen wichtig, entweder mit nachwachsenden Rohstoffen zu bauen oder mit solchen, die eine sehr hohe Lebensdauer besitzen. Daher verwendeten sie keine mineralischen Dämmstoffe, Polystyrol oder PVC. Den neuen Dachstuhl und die Zwischendecke über der Werkstatt dämmte man vielmehr mit eingeblasener Zellulose.

Offene Raumaufteilung

Die Wohnung im DG entpuppt sich trotz ihrer geringen Größe als wahres Raumwunder. Dies liegt nicht nur an der weitgehend offenen Gestaltung der einzelnen Bereiche, sondern auch am Spiel mit verschiedenen Ebenen und Zimmerhöhen. Nur das ganz in Schwarz gehaltene Bad und der Treppenraum sind durch Türen abgetrennt. Kochen, Essen, Wohnen, Arbeiten und Schlafen gehen mehr oder weniger ineinander über. Der bis unter den Giebel offene Raum bietet noch Platz für eine galerieartige Zone, die als Schlafbereich für Gäste oder Rückzugsort dient und über eine fest eingebaute Holzleiter erreichbar ist.

Grundriss OG des Wohnhauses von Studio Colere in Fulpmes
Grundriss OG (Bild: Studio Colere)

Die hellen Innenräume sind mit zurückhaltender Eleganz gestaltet. Unbehandelte Holzoberflächen aus Weißtanne wechseln sich mit lehmverputzten weißen Wänden ab; neben einem angenehmen Raumklima tragen sie zu einer sehr wohnlichen Atmosphäre bei. Die Böden sind aus Lärchenholz. Im Innen- wie im Außenbereich folgen Siessl und Schüller der Maxime, das Wohnen und würdevolle Altern dürfe man den Holzteilen durchaus ansehen.

Großer Eigenanteil

Die hohe handwerkliche Qualität und schlichten Detaillösungen wurden auch dadurch möglich, dass das Planer- und Bauherren-Paar einen Großteil der Ausführung selbst übernommen hat. Dies liegt nicht nur an beider Begeisterung für die Auseinandersetzung mit dem alten Gebäude, sondern vor allem an Siessls Geschick im Holzbau und Tischlern. Er hat sich sogar eine eigene Schreinerwerkstatt im EG des Häuschens eingerichtet. Beim Arbeiten mit alten Bauten erkenne man einfach, dass diese geradezu für handwerkliche Reparaturen konzipiert seien.

In diesem Zusammenhang erwähnt er die geringe Praxisnähe der Universitäten, die bis auf ein paar Ausnahmen keine ausreichenden Informationen zum Bauen im Bestand oder zum ressourcenschonenden Bauen lieferten. Auch das einfache Bauen, mit wenigen, wiederverwendeten bzw. wiederverwendbaren Materialien werde zu wenig behandelt. Planen ist für die beiden aber keine rein intellektuelle, an Bildungseinrichtungen erlernbare Tätigkeit, sondern eine ebenso emotional erkundende wie gesellschaftlich relevante Angelegenheit, der man sich von unterschiedlichsten Seiten aus nähern kann. Das positive Echo auf ihre bisherigen Projekte gibt ihnen recht: Der Umbau in Fulpmes ist mit einer Auszeichnung beim Tiroler Holzbaupreis prämiert worden.


Standort: Gröben 1a, A-6166 Fulpmes

Bauherr: Familie Schüller
Architekten: Studio Colere, Jakob Siessl & Florian Schüller, Fulpmes (A)
Tragwerksplanung: Zimmerei Kössler & Annabith, Tulfes (A)
Wohnfläche: 45 m²
Bebaute Fläche: 75 m²
Wirtschaftsfläche: 75 m²

Beteiligte Firmen:

Zimmererarbeiten: Zimmerei Kössler & Annabith, Tulfes (A), www.holzspezialist.at
Blockhausbohlen: Bilam Forte, 16 cm, Fichte, Weinberger, Reichenfels (A), www.weinberger-holz.at
Dachdeckung: Handgefertigte Betondachplatte R Platte, Bucher, Fieberbrunn (A), www.bucherplatte.com
Kastenfenster: Lärche, Tischlerei Gassner, Bad Ischl (A), www.tischlerei-gassner.at
Fenster: Kapo Fenster, Pöllau (A), www.kapo.at
Lehmbauplatte: 40 mm, Sand und Lehm Zöchbauer, Winzing (A), www.lehmputze.at
Wandbekleidung: Weißtanne, sichtseitig gehobelt, 15 mm, Tschabrun, Bürs (A), www.tschabrun.at
Möbel und Innenausbau aus eigener Werkstatt


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