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Büro in Mannheim

Büro in Mannheim
Gestaltungshybrid

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Das Gelände des ehemaligen Turbinenwerks Mannheim avanciert derzeit zu einem modernen Büropark. In einem Bau aus den 70er Jahren wurde das Großraumkonzept, das damals seinen Siegeszug antrat, an heutige Bedürfnisse angepasst. Auf anregende Weise löst das neue Interieur die Grenzen von Vergangenheit und Gegenwart auf.

Architekten: LEPEL & LEPEL
Tragwerksplanung: zigmo engineering

Text: Ursula Baus
Fotos: HGEsch Photography

Es muss leider immer noch erklärt werden, warum Bauten der 60er und 70er Jahre erhaltenswert sind – und wie es im konkreten Fall dazu kommt. Denn dass die Zukunft des Bauens in der Auseinandersetzung mit dem Bestand liegt, ist zwar unbestritten, allein: Die Praxis sieht anders aus. Mannheim ist jüngst mit der BUGA und der Konversion jener Gelände bekannt geworden, die der Stadt dank des Abzugs der amerikanischen Truppen exzellente Planungsoptionen für die Stadtentwicklung nach innen bieten. Hier nun geht es um das zentrumsnahe einstige Turbinenwerksgelände mit der stattlichen Größe von 18 ha, das eine eingezäunte closed area mit eigener Infrastruktur gebildet hatte und dessen Bausubstanz bis in die Gründerzeit zurückreicht. Es war infrastrukturell autark, mit eigener Wasser- und Stromversorgung. Der Entwickler Aurelis Real Estate kaufte nun das gesamte Gelände in Mannheim-Käfertal mit der Absicht, es der Stadt zu öffnen und die Büro- und Gewerbeflächen zeitgenössischen Bedürfnissen anzupassen.

Dafür konzipierte die Stadt Mannheim dann einen Bebauungsplan, in dem unter anderem festgelegt war, welche Bauten erhalten bleiben mussten. Ausschlag gaben dabei nicht allein denkmalpflegerische Kriterien, sondern auch Aspekte grauer Energie und Bauqualität. Systemisch mussten alle Wege und Leitungen an die Mannheimer Netze angeschlossen werden, Bauten aus verschiedenen Entstehungszeiten galt es für unterschiedliche Umnutzungen zu ertüchtigen. Aurelis selbst wählte seinen Sitz in einem Verwaltungs- und Kantinengebäude aus den 70er Jahren – dem »Haus Watt« –, einem Klassiker mit Stahlbetonskelett und einer Fassade aus reliefierten Betonplatten und hohen, umlaufenden Fensterbändern. Auch wenn es im Folgenden um den Um- und Ausbau des Inneren geht, sei erwähnt, dass Tragwerk und Fassade, außerdem außenliegender Sonnenschutz sowie Terrazzo-Böden bestens erhalten geblieben und nur aufzuarbeiten beziehungsweise zu reinigen waren; lediglich die großformatigen Glasscheiben mussten mit erheblichem technischem Aufwand ersetzt werden.

Podeste und Emporen: Bürolandschaft in 3D

Das neue Interieur für im Ganzen 2 900 m² entstand im Zusammenwirken der Architekten LEPEL & LEPEL, der Bauherrschaft und des Generalunternehmers, der mit exzellenten Handwerkern bei den Innenausbauleistungen und im Zusammenspiel mit den separat vergebenen technischen Ausbauwerken seinen Anteil an der Ausführungsqualität hat. Die Etagen zeichnen sich nach dem Umbau durch Bürolandschaften aus, die den Arbeitsweisen der Gegenwart in einer Kombination von Großraum- und Einzelbüros und zusätzlichen Raumfunktionen Rechnung tragen. Neudeutsch spricht man von einem Multi-Space-Konzept für modernde Work-Lofts. So werden Büroarbeitsplätze mit Plauderecken, Koch-, Ess- und Besprechungsbereichen ergänzt – und all diese Raumfunktionen in differenzierter Gestaltung gefasst.

Grundriss (Bild: Lepel & Lepel)

Geradezu schwärmen lässt sich von der Flexibilität des Skelettbaus mit seinen 5,80 m hohen Räumen, in dem eine erhebliche Menge grauer Energie steckt und der beste Voraussetzungen für einen Umbau und eine Umnutzung bot. Neue Haustechnik und Akustikmodule ließen sich hier genauso gut unterbringen wie Podeste, Emporen und Galerien, mit denen die neu eingebaute, zeitgenössische New-Work-Büroraumtypologie bereichert wird. Einzelne Bereiche wirken überraschend wohnlich, was die Büro-Interieurs der 70er Jahre ins Gedächtnis ruft: Sowohl in Wohnhäusern als auch in Büros dominierten damals poppige Farben wie Rot, Gelb, Orange, Grün und Braun. Im ganzen einstigen »Haus Watt« sind nun die Decken samt den oberen Wandabschnitten in einem warmen Orangerot gestrichen. In diesem Bereich liegt auch die inzwischen offen geführte Haustechnik – die Architekten sprechen hier von einer rough elegance. Toilettenzonen sind mit burgundroten, glänzenden Fliesen und passenden Accessoires bestückt, wobei in den vermieteten Etagen von diesen gestalterischen Grundsatzentscheidungen kaum abgewichen wird.

Grundriss Empore (Bild: Lepel & Lepel)

Altneues Potpourri

In der Etage, die Aurelis selbst nutzt, fällt gleich am Empfangstresen ein heller, mit rotbraun-grauen Zuschlagsteinchen angereicherter Terrazzo auf, der im innenliegenden Küchenblock wiederkehrt. Der monolithisch verarbeitete Werkstoff trägt zum massiven, blockartigen Charakter dieser Raumteile bei – unspektakulär und fast etwas altmodisch. Aber die jahrelange Geringschätzung von Terrazzoplatten und -stufen als minderwertiger, billiger Baubestand weicht neuer Wertschätzung: Der Kunststein erlebt als vielseitig gestaltbares, robustes Material derzeit ein wunderbares Revival.

Einbauten für Treppe, Galerie und Podeste sind in der Aurelis-Etage mit Eiche beplankt, wobei die handwerklich exzellente Ausführung ins Auge springt. Leuchten überraschen in ihrer Vielfalt mit großen Volumina oder teils bunten, kleinen Glaskugeln oder schief aufgehängten Leuchtröhren. Sitzbereiche in verschiedenen Größen sind mit Polsterbänken und Beistelltischchen, runden, stoffbezogenen Hockern und Bänken bestückt. Neben Einbauten aus Holz taucht auch eine blau-violett gestrichene Wand auf. Auf den Böden liegt Holzparkett oder melierte Auslegware. Das alles, dieses nagelneue Potpourri aus Versatzstücken, die aus den 70er Jahren stammen könnten, fügt sich zu einem sehr angenehmen, schlüssigen Ganzen. Unwillkürlich spielt man mit dem Gedanken, welches Homeoffice hier mithalten könnte? Kaum eins, denn faktische Großzügigkeit mit behaglicher Aufenthaltsqualität zusammenzubringen, schafft man zu Hause zwischen Küche und Schlafsofa eher nicht.

Schnitt A-A (Bild: Lepel & Lepel)

So ließe sich von glücklicher Fügung reden, dass der Bestandsbau aus den 70er Jahren einen Anhaltspunkt für die neue Innenraumgestaltung bot, in der gegenwärtige Ansprüche souverän mit der Substanz vereint worden sind. Sobald der öffentliche Raum vor dem Gebäude neu geordnet wird, soll im EG von »Haus Watt« noch eine Gastronomie untergebracht werden. Gleich denkt man an die Kantine im Hamburger Verlagshaus des »SPIEGEL«, die Verner Panton 1969 entworfen hatte und die seit 2012 in Teilen im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist. Sie hätte auch hier in der Mannheimer Boveristraße ein schönes, neues Zuhause gefunden.


  • Standort: Turbinenwerk, Boveristraße 22, 68309 Mannheim
    Bauherr: Aurelis 52. Objektbesitz Mannheim Boveristraße, vertreten durch die Aurelis Real Estate, Eschborn
    Architekten: LEPEL & LEPEL Architekt Innenarchitektin, Monika Lepel, Innenarchitektin BDIA, Köln
    Tragwerksplanung: zigmo engineering, Mannheim
    Brandschutzplanung: Stümpert-Strunk beratende Ingenieure, Ludwigshafen am Rhein
    Lichtplanung: ag Licht Planungsbüro für Tages- und Kunstlicht, Köln
    Akustikplanung: vRP von Rekowski und Partner, Weinheim
    Bauleitung: Cerstin Ott (Aurelis)
    BGF: 3 300 m²
    BRI: 19 700 m³
  • Beteiligte Firmen:
    Deckensysteme/Akustikdecken: Holzwolleplatten, feine Struktur, 1,5 mm, Farbe RAL Design 050 50 40, Troldtekt, Hamburg, www.troldtekt.de
    Akustik-Wandpaneel: Mute Flow PET Felt Acoustic Panel, Devorm, Duiven (NL), www.devorm.nl
    Empfangstheke: Murano Serie 4, Terrazzostein, Dicke 2 cm, Balke&Partner, Köln, www.balkepartner.com
    Oberflächen der festen Einbauten: Pure Paper Laminates Skin Vert de gris 019, Oberflex, Bar-le-Duc (F),www.ober-surfaces.com; Plexiglas Resist, weiß/white AAA, WRS 30 SDP 16/64, Plexiglas, Darmstadt, www.plexiglas.de
    Podest: Massivholzparkett Eiche, Artisan Collection, Eiche Earth o. glw., Art-Nr: 151XCDEKFCKW195, umlaufend gefast, gebürstet, geräuchert, handgehobelt, Naturöl, Kährs Parkett Deutschland, Tübingen, www.kahrs.com
    Glassystemtrennwände: T50 und T35er Trennwandsystem: RAL 9011, Goldbach Kirchner, Geiselbach, www.goldbachkirchner.de
    Teppichfliesen: Desso Linon, Nr. AA839526 B8, 50 x 50 cm, Schlinge, mit Akustikrücken, Tarkett, Ludwigshafen, www.tarkett.de

Ebenfalls sehenswert in Mannheim:

Erlebniszentrum Luisenpark von bez+kock
Kunsthalle Mannheim von gmp Architekten
Studienzentrum von schneider+schumacher

 

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