Vom Ergänzen einer Aussegnungshalle, über das Umbauen von Leichenhaus und Kirche bis zum Gestalten von Altar und Fenstern reichte das Tätigkeitspektrum, mit dem die Architekten die Zukunft dieses lange vernachlässigten Sakralbaus gesichert haben.
Im Großraum München, 4 km von Dachau entfernt, liegt die Gemeinde Hebertshausen. Über einer Geländekante thront die Kirche St. Georg inmitten des Friedhofs. Der spätromanische Saalbau wurde mehrmals transformiert, doch von den historischen Ausstattungen ist kaum etwas erhalten, sodass sich der Innenraum zuletzt relativ nüchtern präsentierte. Seit in den 1960er Jahren unterhalb der Geländekante eine neue, größere Pfarrkirche errichtet wurde, diente St. Georg »nur« noch als Friedhofskirche. Zahlreiche Bauschäden erforderten eine Grundsanierung.
Weil der Friedhof zu klein war, hatte die politische Gemeinde Hebertshausen außerhalb des Orts in solitärer Lage eine Erweiterung geschaffen, die bislang jedoch ohne Aussegnungshalle auskommen musste. Der Wunsch nach einem neutralen Raum für Trauerfeiern führte schließlich dazu, die gesamte Situation rund um beide Kirchen und beide Friedhöfe neu zu ordnen. Heim Kuntscher Architekten schlugen vor, die Aussegnungshalle am alten Friedhof zu errichten und damit den historischen Standort zu stärken.
Das Leichenhaus, in den 1930er Jahren am Rand des alten Friedhofs errichtet, war zu kleinteilig und ermöglichte weder eine würdevolle Aufbahrung, noch Aussegnungsfeiern. Daher wurde es entkernt und der Raum nach oben zum Dach geöffnet, um mehr Weite zu schaffen. Er erhielt eine umlaufende Auskleidung aus schwarz-grau lasiertem Holz, die vor den Fenstern jeweils als eine Art wandhoher Klappladen ausgebildet ist. Mit den beweglichen Elementen lassen sich für die persönliche Abschiednahme Licht und Stimmung im Raum modulieren, gleichzeitig verweist das Türmotiv der Klappläden dezent auf den Übergang in eine andere Welt.
Die neue Aussegnungshalle bietet Raum für religionsneutrale Trauerfeiern. Um nicht in Konkurrenz zu den historischen Gebäuden der Kirche und des Leichenhauses zu treten, bleibt die Halle in der Höhenentwicklung darunter und ist lediglich als eine Aufweitung der Friedhofsmauer konzipiert.
St. Georg wurde für die Nutzung als Friedhofskirche umgebaut. Dafür schufen Heim Kuntscher einen neuen Eingang an der Westseite, der endlich einen barrierefreien Zugang, aber auch einen würdigen Transport des Sarges ermöglicht. Weil die Westfassade genau auf der Hangkante steht, musste hier im Außenraum ein Plateau geschaffen werden, auf das man aus der Kirche treten kann. Die Eingangsöffnung und die Unterkonstruktion des Plateaus greifen als Bogen eine Form auf, die sich an der alten Kirche in mannigfacher Gestalt findet: am Netzgewölbe im Chorraum, an den romanischen Fenstern und nicht zuletzt an einem umlaufenden Bogenfries der Fassade.
Die liturgischen Orte im Kirchenraum wurden ebenfalls von den Architekten gestaltet. Der neue Altar steht näher an der Trauergemeinde. Ebenso wie der Ambo ist er aus Kalkstein gefertigt. Der massive Block verjüngt sich jeweils von einer quadratischen Oberseite entlang der Seitenkanten zu einer kreisrunden Unterseite. So entstehen Seitenflächen, die erneut das im Kirchenraum präsente Bogenmotiv des Bestands aufgreifen.
An der südlichen Innenwand des Kirchenraums finden sich Freskenreste, die vermutlich aus dem 13. Jahrhundert stammen – ihre großflächige Komposition lässt darauf schließen, dass ursprünglich alle Wände und die Decke farbig gefasst waren. Da diese Gestaltung heute nicht mehr wiederhergestellt werden kann, entstand die Idee, dem Raum auf eine andere, immaterielle Weise seine Polychromie zurückzugeben: Neue Kirchenfenster tauchen das Innere in buntes Licht; vor allem bei Sonnenschein wandern Farbflächen im Tagesverlauf über die Wände, die in neutralen Tönen gehalten sind. Für die acht Fenster des Langhauses entwickelte der Münchner Künstler Prof. Jerry Zeniuk eine feinsinnige Farbkomposition. Jedes Fenster zeigt eine Grundfarbe, wobei an der Südseite warme, an der Nordseite kühle Töne dominieren. Die alte Sprossengliederung teilt die Fenster in mehrere Glasscheiben, hier wurden die Grundfarben in unterschiedlichen Nuancen leicht variiert und bei einer der Scheiben jeweils mit dem Komplementärton kontrastiert. Da die einzelnen Glasscheiben nur in der Mitte, jedoch nicht an den Rändern durchgefärbt sind, gelangt viel Licht ins Innere und lässt den Raum regelrecht erstrahlen. Auf subtile Weise tragen die Fenster dadurch zu einer helleren Stimmung am Ort der Trauer bei.
~Herbert Wäsi
Mehr umgebaute Kirchen: