Ein Umbau in einer Mainzer Einkaufsstraße zeigt, wie sich Trading-Down-Effekte stoppen lassen: Nach einer ambitionierten Umgestaltung, die den Bestand neu interpretiert, fanden sich wieder anspruchsvolle Mieter für die Einzelhandels- und Büroflächen.
Vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war die Schöfferstraße im Zentrum der Mainzer Altstadt von dreigeschossigen Geschäftshäusern gesäumt. Für den Wiederaufbau strebte man jedoch im Sinne eines »gesunden Wohnens« v. a. in engeren Straßen eine niedrigere Bauweise an. Die Lage zwischen Staatstheater und Dom ist bis heute vorzüglich. Und doch kämpft der Einzelhandel auch hier mit den sich für ihn stetig verschlechternden Bedingungen. So schloss ein traditionsreiches Schuhgeschäft, das über Jahrzehnte im zweistöckigen Haus Schöfferstr. 7 ansässig war, Ende 2019 seine Pforten. Um die Immobilie wieder besser vermieten zu können, entschied sich der Eigentümer für eine Kernsanierung samt modernem Facelift.
Faerber Architekten nutzten die Gelegenheit für eine Erhöhung des Bauwerks um eine Etage, was sie als Stadtreparatur begreifen. Nach Abbruch der Schauseite zur Straße gestalteten sie diese neu. Auskragende Geschossplatten zitieren dabei ein charakteristisches Element der 50er-Jahre-Architektur, wie es den Bestand prägte und den Nachbarbau noch immer prägt. Die größtenteils verglaste neue Ansicht wird durch Lisenen aus Glasfaserbeton-Fertigteilen gegliedert, deren Aussehen den Naturstein der historischen Umgebung interpretiert. Einige geschlossene Felder aus vorbewittertem Kupfer sollen ebenfalls einen Bezug zum Umfeld herstellen. In den oberen beiden Stockwerken springt je eine in horizontaler Richtung verschobene Glasbox, gleich einer Spielart des traditionellen Erkers, in den Straßenraum hinein. Anstelle des bei einem früheren Umbau eigentümlich in die Ecke geschobenen Eingangs wird das EG nun wieder mittig betreten. Eine vormals interne, offen im Raum geführte Treppe ließen die Planer entfernen. Stattdessen organisierten sie die Vertikalerschließung samt Fahrstuhl als abgetrennte Einheit in der hinteren, nordöstlichen Ecke des Baukörpers. Der Zugang erfolgt durch eine Passage, die es bereits zuvor auf dem Nachbargrundstück gab.
Auch wenn das Haus heute nicht die gleiche Filigranität und Eleganz erreicht wie das Original, das durch feinste Fensterprofile, zarteste Balkongeländer und in schwarzem Marmor gerahmte Schaukästen gekennzeichnet war, ist der Neustart dennoch ein Erfolg: Alle Etagen sind wieder voll vermietet. Oberhalb der beiden durch Einzelhandel bzw. Gewerbe genutzten Geschosse können die Patienten einer Zahnarztpraxis den Blick auf den Dom genießen. In der Nachbarschaft hingegen herrscht weiterhin viel Leerstand.
~Hartmut Möller
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