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Geschäftshaus Bucherer in Zürich (CH) von office haratori und OFFICE WINHOV

Geschäftshaus Bucherer in Zürich (CH)
Luxusmaterial

Das Juweliergeschäft Bucherer hat seine Züricher Dependance komplett umgestaltet. Mit seltenen Baustoffen wie Bronze und Schweizer Marmor, aber auch mit einer aufwendigen handwerklichen Verarbeitung suggeriert die Fassade: Hier gibt es Hochpreisiges zu kaufen.

Architekt: office haratori, OFFICE WINHOV
Tragwerksplanung: BlessHess

Text: Hubertus Adam, Christian Schönwetter
Fotos: Georg Aerni; office haratori

Ohne Zweifel: Die ungefähr 1,4 km lange Bahnhofstraße in Zürich zählt zu den legendären Geschäftsadressen der Welt, und bei globalen Rankings schafft sie es stets, sich im Umfeld von Fifth Avenue in New York oder Omotesando in Tokyo zu behaupten. Eine Quadratmetermiete von 10 000 Franken pro Jahr ist hier nicht unüblich – was dazu führt, dass die alteingesessenen Traditionsunternehmen mehr und mehr von der Edelmeile verdrängt werden. Jüngstes Opfer ist das Kaufhaus Manor, das die vom Eigentümer Swiss Life geforderte Mieterhöhung zu tragen, nicht mehr imstande war.

Dies könnte dem 1888 gegründeten Uhren- und Schmuckgeschäft Bucherer nicht passieren, da es Eigentümer seiner Verkaufsräume ist. Sie liegen ungefähr auf halber Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und dem Ufer des Zürichsees. 1946 erwarb das Unternehmen das aus dem Jahr 1874 stammende Wohn- und Geschäftshaus Bahnhofstraße 50 und richtete im EG seine Filiale ein. 1961 wurde die Etage neu gestaltet, dann folgte 1965 über dem Sockel ein fünfgeschossiger Neubau des Architekten Carl Lippert – mit einer modernen Rasterfassade im Sinne der Spätmoderne, doch exquisit materialisiert: die Struktur verkleidet mit Carrara-Marmor, farblich leicht abgesetzt von Flächen aus französischem Bleu-de-Savoie-Marmor.

Neuanfang ohne Herzog & de Meuron

Ein halbes Jahrhundert später entsprach die damalige Geste des Neuen nicht mehr dem, was die Kunden mit dem Image der Marke verbinden oder verbinden sollen, heißt es im Hause Bucherer. Außerdem standen eine Asbestsanierung und eine statische Ertüchtigung angesichts verschärfter Erdbebensicherheitsstandards an. Glück für das Unternehmen, dass das bestehende Gebäude als eines der wenigen an der Bahnhofstraße nicht denkmalgeschützt war. Man wandte sich an Herzog &
de Meuron, die 2014 ein Projekt vorlegten, das einem Neubau gleichkam. Doch die Bausektion des Stadtrats lehnte ab: Zu dominant sei der in der Mitte der Fassade sich aus der ornamentalen Hülle entwickelnde Schriftzug Bucherer, zu hoch das Volumen angesichts der östlich anschließenden kleinteiligen Altstadtbebauung. Implizit bedeutete dies für den Juwelier Bucherer: Sollte das Gebäude sechsgeschossig bleiben und nicht auf fünf Geschosse zurückgestuft werden, so müsste seine Tragstruktur mit dem Stahlskelett und den eingelegten Hourdis-Decken aus Tonplattenelementen bewahrt bleiben. Folgerichtig schrieb Bucherer einen Studienauftrag für einen Umbau aus, den das Züricher Architekturbüro office haratori mit seinem langjährigen Partner OFFICE WINHOV aus Amsterdam für sich entscheiden konnte.

Das Gebäude wurde entkernt und mit einer neuen Fassade versehen. Diese besteht von innen nach außen aus Stahlrahmen, die als aussteifende Elemente die Erdbebensicherheit garantieren, einer 8 mm dicken Stahlhaut, einer Vakuumdämmung von
40 mm und schließlich den vorfabrizierten Fassadenelementen aus Cristallina-Marmor aus dem Tessiner Vallemaggia, dem einzigen Marmorbruch in der Schweiz.

Fassadendetail am Geschäftshaus Bucherer in Zürich

Die unterirdisch gebrochenen Blöcke wurden vor Ort ausgelegt, mit Bedacht in die richtige, also auch ästhetisch überzeugende Abfolge gebracht und konfektioniert. Mehrere Zuschnitte, deren Dicke von 60 bis 160 mm variiert, bilden geschosshohe plastische Elemente, manche komplett geschlossen, manche mit integriertem Fenster. Trotz ihrer Massivität erscheinen die Marmorteile beinahe, als seien sie aufklappbar; durch die Raumhaltigkeit und Plastizität der wie perspektivisch verzerrt wirkenden Fassadenelemente ergibt sich ein Spiel von Licht und Schatten. Die Hochwertigkeit des Materials, aber auch die Handwerklichkeit und Präzision seiner Verarbeitung schlagen einen Bogen zu den Produkten von Bucherer. Dies trifft auch auf die reliefartige Fassadenbekleidung des EGs zu: Die schweren, handgegossenen Bronzetafeln strahlen Solidität aus, sind exquisit verarbeitet und bringen eine Noblesse zum Ausdruck, die gut zum Selbstverständnis des Uhren- und Schmuckhändlers passt.

Subtile Bezüge

Mit dem hellen, weißen Marmor, dem zugrundeliegenden Raster, dem Gedanken einer vorgehängten Fassade und dem eher dunkel materialisierten EG knüpfen Zeno Vogel und sein Team an Gestaltungsprinzipien des Gebäudes aus den 60er Jahren von Carl Lippert an, das sie auf ebenso intelligente wie materiell überzeugende Weise ins Zeitgenössische transponieren. Durch Ausdrehungen an den Ecken der OGs ergeben sich überdies Formationen, die auf subtile Weise auf den Erker des Ursprungsbaus verweisen. Sie bieten für Kunden und Angestellte reizvolle Ausblicke aus den Innenräumen auf und in die Bahnhofstraße samt ihrer Umgebung. Von der Dachterrasse aus, die für Firmenanlässe genutzt werden kann, blickt man über die Züricher Altstadt auf die umgebenden Berge bis hin zu den Glarner Alpen. Nur der nahe Zürichsee bleibt unsichtbar.

Nach dem Core- und Shell-Prinzip war office haratori für Fassade und Tragwerk verantwortlich – sowie für das Treppenhaus. Bei seinen Wänden setzten die Architekten auf die archaische Kraft des Marmorbetons, der hier scharriert, gestockt und geschliffen wurde. Hängeleuchtkörper der Glasmanufaktur Hergiswil laden dazu ein, auf die Lifts zu verzichten. Die Geschäftsräume selbst, die im 1. (und demnächst auch im 2.) OG auf das Nachbargebäude übergreifen, wurden gemäß dem für Bucherer entwickelten CI-Konzept von blocher partners gestaltet, die aber mit Marmor und Stahl die zentralen Elemente der Fassade auch im Innern wirksam werden lassen.

Traditionelles Material neuartig verwendet

Die sichtbare und atmosphärisch spürbare handwerkliche Verarbeitungsqualität der Baustoffe ist ein Merkmal, durch die sich das Geschäftshaus Bucherer in Zürich von vielen Modernisierungen an der dortigen Bahnhofstraße unterscheidet. Zum Beispiel beim Treppenhaus: Als Verbindung zu den Geschäftsräumen im EG dient hier eine geschwungene, 4 mm dicke Bronzewand, die als Spur des Herstellungsprozesses feine Krakelüren zeigt. Die Kunstgießerei St. Gallen erstellte die Wand mittels Wachsgussverfahren über einer Schamotteform in ihrer Zweigstelle in Shanghai.

Innentürdetail im Geschäftshaus Bucherer in Zürich

Ebenfalls von dort stammen die Fassadenbekleidungen des EGs, die stolze 12 mm dick sind. Wie auch bei der Marmorhülle der oberen Geschosse, die vom gelblichen Sandsteincharakter der Bahnhofstraße abweicht, ist es office haratori hier gelungen, sich an die Ursprungsästhetik des Gebäudes aus den 60er Jahren anzulehnen und die langgestreckten hellen Schaufenster inmitten einer dunklen EG-Fassade auf eine zeitgenössische, nein: zeitlose Weise neu zu interpretieren.

Bei der Herstellung der Fassadentafeln kam das in Japan entwickelte Vakuum-Sandgussverfahren zum Einsatz; im Unterschied zum Wachsguss ermöglicht es eine höhere Maßhaltigkeit. Zunächst erstellte man in feiner Schreinerarbeit eine 1:1-Holzvorlage des zu gießenden Werkstücks. Das Modell wird bei diesem Verfahren mit einer Folie bedeckt, die man mittels Vakuum von unten dazu bringt, sich dicht und konturengenau an das Modell zu legen. Dann wird von oben ein Rahmen auf Modell und Folie gestellt, mit trockenem Sand gefüllt und ebenfalls mit einer Folie abgedeckt. Durch ein neues Vakuum wird der Sand verdichtet und rundum »eingeschweißt«, sodass man nun einen stabilen Sandabdruck der Vorlage erhält, der als Gussform für die Oberseite des Werkstücks dient. Das Gleiche geschieht mit der Unterseite. Die beiden Gussformen aus Sand bringt man anschließend so in Position, dass zwischen ihnen ein Hohlraum verbleibt, der dann mit der flüssigen Bronze ausgegossen wird. Der Vorteil dieses Verfahrens: Vakuum und Folie erlauben es, die chemischen Bindemittel, die den Sand sonst in Form halten, auf ein Minimum zu reduzieren. Nach dem Guss lässt sich der Sand wiederverwenden.

Für die Einfassungen der Schaufenster wurde das traditionellere einfache Sandgussverfahren angewandt. Sämtliche Bronzeteile erhielten einen vollflächigen Feinschliff, der u. a. auch dazu beiträgt, den Kanten eine weiche Kontur zu geben. Bei der Wandverkleidung mit ihrer diamantartigen Struktur setzte man anschließend auf eine Patinierung mit Metallsalzen: Silbernitrat verleiht ihnen ihren dunklen schiefergrauen Farbton. Bei den Schaufensterrahmen dagegen verzichtete man auf das Patinieren, sodass sie nun relativ hell wirken. Als Finish wurden alle Oberflächen gewachst.


Standort: Bahnhofstraße 50, CH-8001 Zürich
Bauherr: Uhren- und Schmuckgeschäft Bucherer, Luzern
Architekten: office haratori, Zürich; OFFICE WINHOV, Amsterdam
Tragwerksplanung: BlessHess, Luzern
Fassadenplanung: ap3, Zürich
Innenarchitekten: blocher partners, Stuttgart
BGF: 1 082 m²
BRI: 3 735 m³

Beteiligte Firmen:
Generalunternehmer/Hochbau: Jäggi + Hafter, Regensdorf, www.jaeggihafter.ch
Marmor: Maggia Marmor, Cristallina Virginio: Cristallina SA, Biasca, www.cristallina.net
Steinmetzarbeiten: Graniti Maurino, Biasca, www.granitimaurino.ch
Natursteinfassade (Montage): Natursteine Wüst, Wallisellen, www.natursteine-wuest.ch
Fenster: W. Christen, Stengelbach, www.christen-metallbau.ch
Bronzeguss: Kunstgiesserei St. Gallen, St. Gallen, www.kunstgiesserei.ch
Messinggeländer: Raumbau, Zürich, www.raumbau.ch
Schaufenster, Türen, Dachklappe, Bronzemontage: Gebr. Leuthold Metallbau, Büren, www.leuthold-metallbau.ch
Spengler-/Flaschnerarbeiten: Carl Meier Sohn, Zürich, www.carl-meier-sohn.ch
Beleuchtung: SE Lightmanagement, Spreitenbach, www.se-ag.ch
Biegeholz-Handlauf: K. Winkler, Leuggern, www.holzbiegen.ch
Bodenbeläge aus Textilien: Handgetufteteter Wollteppich: Tekima – Exceptionel Carpets, Dülmen, www.tekima.info
Gipserarbeiten: PePa Bau, Effretikon, www.pepabau.ch


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