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Aufgefrischte Schale, neuer Kern

LOEWE Forschungszentrum BiK-F in Frankfurt a. M.
Aufgefrischte Schale, neuer Kern

Ein außen sichtbares Betonskelett, unge- dämmte Ziegelwände und eine Brise-Soleil- Struktur als Wärmebrücke – das ehemalige Institutsgebäude für Lebensmittelchemie auf dem Frankfurter Bockenheim Campus war eine wahre Energieschleuder. Als eines der wichtigsten Bauwerke Ferdinand Kramers genießt es jedoch Denkmalschutz. Das Planungsbüro SSP hat die typischen 50er-Jahre-Fassaden erhalten, dennoch die Wärmeverluste halbiert und sich beim neuen Innenausbau am alten Vorbild orientiert.

{Text: Tanja Feil

Wenigstens ein Gebäude Ferdinand Kramers auf dem Frankfurter Bockenheim Campus ist nun gerettet: Während seit dem Umzug der Goethe-Universität an den Stadtrand einige seiner Bauten verfallen oder abgerissen werden, hat das Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie einen Umbau erfahren, bei dem die vorhandenen architektonischen Qualitäten bewahrt bleiben konnten. Dabei erwies es sich als Glücksfall, dass das LOEWE Forschungszentrum für Biodiversität und Klima (BiK-F) einziehen sollte und damit wieder eine verwandte wissenschaftliche Nutzung gefunden war. Allzu schwere Eingriffe waren daher nicht nötig. Hinzu kam die hervorragende Vorarbeit Kramers. Von 1952-64 Baudirektor der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., hatte er in diesem Zeitraum 23 neue Gebäude für das stark kriegszerstörte und baulich veraltete Hochschulviertel in Bockenheim entworfen. Wie alle seine Bauten auf dem Campus hatte er auch das Gebäude für Lebensmittelchemie sehr zweckmäßig, mit wenigen einfachen Materialien und exakt auf den Bedarf der damaligen Nutzer abgestimmt geplant – jedoch immer mit dem Ziel, möglichst auch künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Dies erleichterte dem Büro SSP den aktuellen Umbau.
Das Kramer’sche Gebäude steht seit dem Jahr 2000 unter Schutz, besonders am Herzen lag den Denkmalpflegern der Erhalt der Fassade mit ihrem charakteristischen Betonraster und den gelb-braunen Ausfachungen aus Klinkermauerwerk (s. S. 111). Im Inneren hatten SSP hingegen mehr Spielraum.
Raumaufteilung und Farbkonzept
Die neuen Labor-, Seminar- und Büroräume passten sich gut in die bestehende Stahlbetonskelettstruktur mit ihren Rippendecken und dem 3,75 m breiten Achsraster ein; denn sie kommt ohne tragende Wände im Inneren aus und ermöglichte somit eine flexible Raumaufteilung. Dennoch mussten die Planer das Gebäude aus brandschutz- und haustechnischen Gründen bis auf die Fassade, die Tragkonstruktion und die Treppenräume zurückbauen und danach sämtliche Innenwände und abgehängten Decken neu errichten. Um moderne Aufzüge und größere Versorgungsschächte unterbringen zu können, ließen sie hier und da Deckenfelder entfernen, die ursprüngliche Kramer’sche Grundrissstruktur blieb jedoch weitestgehend erhalten. Die Haustechnikzentrale, die heute um einiges mehr Platz beansprucht als zur Entstehungszeit des Bauwerks, sitzt nun im Staffelgeschoss; früher befand sich hier eine Wohnung für Professoren oder Doktoranden.
Auf Wunsch der Denkmalpflege hatten die Planer vor Abbruch der alten Innenausstattung die Erstanstriche der Bauteiloberflächen restauratorisch ermitteln lassen. Weite Teile dieses Farb- und Materialkonzepts übernahmen sie beim Neuausbau wieder. So ist der gestalterische Grundtenor Kramers – wenige gedeckte Töne, viel Weiß, dunkelgraue Stahlteile und anthrazitfarbene Böden – auch heute wieder im Gebäudeinneren spürbar. Ein Zugeständnis an den neuen Nutzer machte man dennoch: An Wandstücken des Haupttreppenhauses und der Toiletten findet sich ein überraschend kräftiges Grün aus dem Logo des Betreibers BiK-F, das so gar nicht zu den ansonsten sehr gediegenen Farben passen möchte.
Statik und Brandschutz
Die filigranen Rippendecken, die Ferdinand Kramer seinerzeit im gesamten Gebäude eingebaut hatte, erwiesen sich im Zuge der Modernisierung als Schwachstelle innerhalb der Tragkonstruk- tion. In den 50er Jahren achtete man noch kaum auf eine aus- reichende Betonüberdeckung des Baustahls, sodass 1 cm und weniger beileibe keine Seltenheit waren. So lagen die Stahlstäbe wahrscheinlich schon zur Entstehungszeit teilweise frei, waren damit der Raumluftfeuchte ungehindert ausgesetzt und rosteten langsam. Damals hatte man wohl versucht, diesen »Makel« lediglich mit abgehängten Decken zu »kaschieren«. Über die Jahre hinweg waren in den oberen Etagen und beim Hörsaalgebäude Undichtigkeiten im Dachbereich hinzugekommen, was Korro- sion und Abplatzungen noch verstärkte. Teilweise hatten sich infolge zu hoher Nutzerbelastung auch Risse im Beton gebildet. Als SSP die alten Rabitzunterdecken abbrachen und die Rippenkonstruktion sandstrahlen ließen, wurden die massiven Schädigungen der Bausubstanz offensichtlich.
Um wieder die volle statische Tragfähigkeit der Decken zu erreichen, ließen sie die vorhandenen Risse kraftschlüssig verpressen und die frei liegende Armierung zum Schutz vor erneuter Korrosion entsprechend dick mit Spachtelmasse bedecken. Danach wurden Haftbrücken aus Sanierungsmörtel auf die Betonrippen aufgebracht, abschließend folgte ein 2 cm dicker Spritzputz. Dieser gewährleistet den erforderlichen baulichen Brandschutz und die Mindestüberdeckung des Baustahls, denn die Decken mussten F90-Qualität aufweisen. Dort wo sie auf die Fassade stoßen, ist der Spritzputz 1 cm dicker und besitzt eine zusätzliche wärmedämmende Wirkung: Dieser »Verzögerungsstreifen« soll die Wärmeverluste verringern, die an den bis nach außen geführten, thermisch nicht getrennten Betondeckenelementen auftreten.
Ihr Hauptaugenmerk legten Denkmalpfleger und Planer darauf, das äußere Erscheinungsbild des baulichen Ensembles zu erhalten. Wegen des außen liegenden Tragwerks kam nur eine innenseitige energetische Aufrüstung der Fassade infrage. Prinzipiell wäre eine Dämmung der Außenhülle nicht zwingend erforderlich gewesen, da das Gebäude unter Denkmalschutz steht und damit entsprechende Ausnahmeregelungen greifen. Da der neue Nutzer jedoch selbst im Bereich der Klimaforschung tätig ist, bestand er darauf, die Fassade gemäß EnEV 2009 wärmschutztechnisch zu ertüchtigen.
Bereits im Ursprungszustand waren die Außenwände von innen mit einer Vormauerung aus ca. 10 cm dickem Bimsstein gedämmt gewesen. Diese beließen SSP, wo es ging, und ergänzten sie teilweise mit neuen Porenbetonsteinen. Um Hohlräume innerhalb des Wandaufbaus zu vermeiden, brachten sie auf die alten Oberflächen einen mineralischen Ausgleichsputz auf. Kramer hatte in den einzelnen Geschossen mit unterschiedlichen Stützenquerschnitten gearbeitet: Je weiter man im Gebäude nach oben steigt, desto schlanker werden die Pfeiler innerhalb der Fassade, da sie immer weniger Lasten abzutragen haben. Für die Labornutzung wollte man jedoch im Inneren homogene Wandoberflächen ohne Vor- und Rücksprünge realisieren, gleichzeitig aber auch einen möglichst einheitlichen U-Wert für die gesamte Außenwandfläche erzielen. Die Planer mussten also in den einzelnen Etagen bzw. an den unterschiedlichen Bauteilen mit verschiedenen Dämmlösungen reagieren, damit die Stützenvorderkanten überall bündig mit den Ausfachungen abschlossen. Während sie im 1. und 2. OG Brüstungsvormauerungen aus 20 cm dicken Porenbetonsteinen verwendeten, konnten sie im EG, 3. und 4. OG mineralische Dämmplatten von 6 cm Stärke einsetzen, mit denen auch sämtliche Pfeiler ummantelt wurden. Der Vorteil: Beide Systeme besitzen ähnliche Materialeigenschaften und -bestandteile und erreichen in den unterschiedlichen Dicken annähernd gleiche Dämmwerte. Abschließend wurde flächendeckend ein Kalkzementputz aufgebracht, der wiederum mit Kalkfarbe gestrichen wurde; im Gegensatz zu Kramers ursprünglichen Gipsputzen entstand somit ein diffusionsoffenes, kapillaraktives System mit PH-Werten im alkalischen, also schimmelpilzresistenten Bereich, das ohne zusätzliche Dampfsperren funktioniert. Für die Gesamtfassade ergab sich somit ein U-Wert von 0,65 W/m²K, die Transmissionswärmeverluste über die Außenwandfläche verringerten sich dadurch um etwa 50 %. Da der gesamte Innenausbau neu entstand, ließen sich auch Wärmebrücken beim Anschluss von Trennwänden vermeiden.
Die bestehenden Holzfenster mit ihren schlanken Profilen konnten im Zuge der energetischen Aufrüstung der Fassade nicht erhalten werden; SSP ersetzten sie durch neue, zweifach verglaste Holz-Aluminium-Fenster, deren Rahmen so feingliedrig wie möglich ausgebildet wurden. Dennoch bedingten moderne Anforderungen an Dichtigkeit und Wärmeschutz und nicht zuletzt die innenseitige Dämmung der Fensterlaibungen größere Profilstärken als früher. Die Planer ließen die äußeren Rahmen daher in Grau farblich absetzen, die inneren bzw. die Flügelrahmen sind hingegen im historischen Weiß gehalten. Die Stahl-Glas-Fassaden im westlichen Treppenhaus und im Hörsaalbau wurden ebenfalls ausgetauscht; sie sind ähnlich filigran gegliedert wie zu ihrer Entstehungszeit, heute allerdings mit thermisch entkoppelten Profilen ausgeführt.
Von außen betrieben SSP lediglich »Fassadenkosmetik«: Wegen Korrosion war das sichtbare Betontragwerk im Zuge einer früheren Sanierungsmaßnahme bereits instand gesetzt worden, sodass dies nun nur noch in Teilbereichen nötig war. Die ursprüngliche Sichtbetonqualität ließ sich aus ästhetischen Gründen jedoch nicht mehr erhalten, der Beton musste malermäßig überarbeitet werden. Ähnlich verhielt es sich bei der »Brise Soleil«: Der Sonnen- und Blendschutz vor der Südfassade war bereits in den 1980er Jahren aus Betonfertigteilen komplett neu errichtet worden und wurde jetzt nur gestrichen. Die Mauerwerksausfachungen ließen die Planer lediglich warm abstrahlen, danach neu verfugen und hydrophobieren. Ehemalige Wanddurchführungen von nicht mehr vorhandenen technischen Installationen schlossen sie mit Klinkern, die sie nach altem Vorbild hatten nachbrennen lassen. Trotz dieser Maßnahmen konnten sie viel von der Fassadenpatina der letzten 60 Jahre erhalten und ihrem Motto, das Gebäude im Sinne Ferdinand Kramers weiterzubauen, treu bleiben. •
Standort: Georg-Voigt-Straße 14-16, 60325 Frankfurt a. M.
Auftraggeber: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt a. M., www.senckenberg.de
Architektur: SSP SchürmannSpannel, Bochum, www.ssp.ag
Bauphysik: TOHR Bauphysik, Bergisch Gladbach, www.ig-tohr.de
Jahres-Primärenergiebedarf: 318 kWh/m²a
BGF: 7 306 m²
BRI: 29 879 m³
Baukosten: ca. 21,7 Mio. Euro
Beteiligte Firmen:
Holz-Aluminiumfenster: System Mira Contour, Gutmann, Weißenburg, www.gutmann.de
Brandschutzspritzputz Rippendecken: Cafco BONDSEAL, Promat, Ratingen, www.promat.de
Innendämmung/-putz: Mineraldämm- und Putzsystem Ytong Multipor WI, Xella Deutschland, Duisburg, www.ytong-silka.de
Innenwandfarbe: Silikatfarbe Ecosil-ME, KEIMFARBEN, Diedorf, www.keimfarben.de
weitere Informationen unter www.db-metamorphose.de

Frankfurt a. M. (S. 108)

SchürmannSpannel
Thomas Schmidt
1964 in Dortmund geboren. 1984-88 Architekturstudium an der FH Dortmund, 1991-96 an der Universität Dortmund. 1992-96 Mitarbeit bei Prof. Gerold Wech. 1996-2013 Bereichsleitung Architektur bei SchürmannSpannel, Bochum, seit 2013 im Vorstand. Seit 1996 Lehrauftrag an der FH Dortmund, seit 2004 Mitglied im Entwicklungsteam für den Master »Architektur und Energie«.
Matthias Solbach
1966 in Witten geboren. 1991-98 Architekturstudium an der Universität Dortmund. Seit 1999 Mitarbeit bei SchürmannSpannel als Architekt und Projektleiter.
Tanja Feil
1977 in Regensburg geboren. Architekturstudium an der FH Regensburg, 2001 Diplom. Mitarbeit in mehreren Architekturbüros. 2005 Weiterbildung zur Energieberaterin für Gebäude. Seit 2007 Tätigkeit als Redakteurin und freie Fachautorin.
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