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Mehr als nur Bibliothek

LocHal in Tilburg (NL)
Mehr als nur Bibliothek

Mit dem Umbau eines Eisenbahndepots aus den 30er-Jahren haben Civic Architects ein Stück lokaler Industriegeschichte bewahrt. Sie setzten auf einen breiten Nutzungsmix – als Herzstück dient eine Bibliothek, die mehr kann, als nur Bücher verleihen.

Bis in die 80er-Jahre hinein wurde in der »Gleiszone« von Tilburg, einst Wartungsbahnhof der niederländischen Eisenbahn, an Lokomotiven und Waggons geschraubt und geschweißt. Als die Betriebe nach und nach aufgaben, erwarb die Stadt das rund 75 ha große Areal. Direkt hinter dem Hauptbahnhof gelegen, soll es nun schrittweise in einen neuen Stadtteil gewandelt werden. Geplant ist eine Mischung aus Neubauten und dem Erhalt ausgewählter Bauwerke, die das Ortsbild seit Generationen prägen. Zu ihnen zählt das einstige Eisenbahndepot, das nun als »LocHal« eine zukunftsorientierte Nutzung erfährt. Die zweischiffige Industriehalle, die schon von weitem durch ihre Größe von 90 x 60 m und eine Höhe von 15 m auf sich aufmerksam macht, dient nun als Raum für Kultur und Begegnung: Das Gebäude beherbergt eine öffentliche Bibliothek, Co-working-Bereiche und Konferenzräume. Außerdem bietet es Platz für eine große Veranstaltungshalle, für Ausstellungen und Vorträge.

Öffentlicher Treffpunkt

Die Architekten haben für dieses Raumprogramm zwei Ebenen und eine Galerie in die Halle eingestellt sowie den »Stadsbalkon« angebaut. Er ermöglicht eine ungestörte Sicht auf die Altstadt auf der gegenüberliegenden Seite der Gleisanlagen.

Die Eingangshalle der LocHal hat die Form eines überdachten Stadtplatzes mit vereinzelt stehenden Lesetischen, einem Ausstellungsbereich und einem Bistro. Drei dieser Lesetische entsprechen jeweils in ihrer Dimension der Grundfläche einer Lokomotive. Sie stehen auf den Originalschienen und lassen sich bei Bedarf als Laufsteg oder Bühne zusammenschieben.

Eine breite Treppe mit Sitzstufen, auf denen mehr als 1000 Zuschauer Platz nehmen können, führt hinauf zur ersten Ebene. Auf der zweiten Ebene erlaubt die Galerie den weiten Blick über die historische Halle.

Das Besondere ist die als Hybrid konzipierte Bibliothek: Der Nutzer kann Bücher und andere Medien anschauen und ausleihen, aber in den Laborräumen auch selbst forschen und Informationen erfahrbar machen. Diese Bereiche wurden unter jeweils unterschiedlichen Themen gestaltet – DigiLab, FoodLab, FutureLab, GameLab und viele mehr – und in der gesamten Halle verteilt angeordnet. Auch eine Kinderbibliothek hat ihren Platz gefunden. Deren Gestaltung bezieht sich auf De Elfting, einen Märchenpark in der Nähe von Tilburg. Die Kinder können durch riesige Bücher spazieren und in Regalen in Form von Buntstiften und Linealen stöbern.

Fünf Klimazonen

Trotz all dieser großzügigen Offenheit in der riesigen Halle erfordern unterschiedliche Veranstaltungen oder Aktivitäten manchmal kleinere Räume mit einem höheren Grad an Privatsphäre. Dafür lassen sich mittels sechs raumhoher Vorhänge (Inside Outside/Petra Blaisse) einzelne Bereiche im Lokschuppen abtrennen. Sie bilden dann unter z.B. Einbeziehung der großen Treppen ein Theater oder kleinere Vorlesungssäle und verbessern die Akustik in der Halle. Der größte dieser Vorhänge – 50 m breit und 15 m hoch – kann das Bistro komplett umschließen. Die Struktur der unterschiedlichen Stoffe lässt mehr oder weniger direktes Licht hindurchscheinen.

Die textilen Raumteiler sind auch Teil eines Systems von fünf Klimazonen, die dafür sorgen, dass sich die Einbauten auf ein Minimum beschränken ließen. Leitsatz dabei war: »Wärme den Menschen, nicht den Raum!«. Dadurch konnten die Architekten darauf verzichten, die komplette Gebäudehülle zu dämmen, und der Anblick der unverfälschten Industriearchitektur der 30er-Jahre blieb gewahrt. Die Fassaden wurden aus denkmalpflegerischen Gründen nach Möglichkeit restauriert und die historische Industrieverglasung erhalten. Nur wo nachträglich hinzugefügte Anbauten abgebrochen wurden oder die Umnutzung mehr Tageslicht erforderte, entstanden neue großflächige Glasfassaden (Jansen VISS) mit Zweifach-Isolierverglasung. Die schlanke Ansichtsbreite der Profile von nur 60 Millimetern erinnert im Zusammenspiel mit dem schwarzen Farbton an die Originalfassaden.

LocHal ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit der Amsterdamer Architekten mit Braaksma & Roos Architectenbureau aus Den Haag und Inside Outside / Petra Blaisse, ebenfalls Amsterdam. Das Ingenieurbüro Arup beriet zu statischen, bauphysikalischen und akustischen Belangen, während die Einrichtung der Bibliothek, der verschiedenen »Labore«, des Cafés und der Büros von Mecanoo stammt – allesamt namhafte Büros, die in einer beispielhaften Zusammenarbeit diesen ganz besonderen Ort geschaffen haben. Beim World Architecture Festival wurde er zum World Building of the Year 2019 gekürt. ~ra

 

Zum Rundgang durch LocHal:

LocHal Tilburg – Cultuurkathedraal van staal en glas from Braaksma & Roos Architecten on Vimeo.


Mehr umgenutzte Industriearchitektur:

Schlachthof in Karlsruhe
Kohlenmühle in Libcice (CZ)
Lagerhalle in Bremen

 

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