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Aus Staub und Asche

Kohlenmühle in Libcice (CZ)
Aus Staub und Asche

Die Lage ist beinahe idyllisch: Zwischen einer Flussschleife der Moldau und den Gleisen der Bahnstrecke Dresden-Prag erstreckt sich ein altes Schrauben- und Kabelwerk mit einer Vielzahl verlassener Bauten. Um einen Neuanfang auf dem Areal am Ortsrand von Libcice anzustoßen, hat Architekt Patrik Hoffman auf eigene Faust die ehemalige Kohlenmühle umgenutzt.

{Text: Claudia Hildner; Fotos: Andrea Thiel Lhotáková

Das einstige Schrauben- und Kabelwerk in Libcice fasziniert Patrik Hoffman schon lange. Mehrmals hatte der tschechische Architekt versucht, Investoren davon zu überzeugen, die Umgestaltung des Industriegeländes zu finanzieren – doch vergeblich. Schließlich ergriff er selbst die Initiative: Zusammen mit einigen Partnern und unterstützt durch den Strukturfonds der Europäischen Union nahm er die Modernisierung eines der Gebäude in die Hand, das im Zentrum des seit 1872 bestehenden Areals liegt. In die ehemalige Kohlenmühle zogen nun außer seinem Architekturbüro, das auf der obersten Etage angeordnet ist, der Kunst-Verleih-Service Artotéka mit einem Büro, der dänische Designermöbelhersteller Gubi mit einer Ausstellungsfläche und die Firma Lugi ein, die das Erdgeschoss als Lager nutzt.
Ziegel trifft Stahlblech
Das Gebäude stammt etwa aus dem Jahr 1900 und war ursprünglich zweigeschossig angelegt. In den 60er Jahren wurden die alten Geschossdecken abgerissen und man ließ zwei neue Ebenen einziehen, sodass drei nutzbare Etagen entstanden. Zudem wurden ein Aufzug sowie eine neue Treppe eingebaut. Seitdem diente das Gebäude v. a. als Lagerhaus. Es steht nicht unter Denkmalschutz, dennoch war es Hoffman wichtig, so viel wie möglich von der alten Bausubstanz und dem Charakter der Räume zu erhalten.
Die Backsteine der im Kreuzverband gemauerten Wände stammen aus einem Werk, das in direkter Nachbarschaft der Kohlenmühle in Libcice steht und sich auf die Produktion von Ziegeln für Schornsteine spezialisiert hatte. Ebenso wie das Schrauben- und Kabelwerk ist auch die Ziegelei schon lange geschlossen. Hoffman ließ die Fassade des Bauwerks säubern und mit originalen Backsteinen ausbessern, die er durch ohnehin geplante kleinere Abbrüche im Bereich der Fensterbänke erhielt. Die z. T. bereits zerstörten Verglasungen in den filigranen Fenstern aus Gusseisen wurden entfernt – die Rahmen blieben als eine Art Gitter vor den Öffnungen erhalten. Dahinter sitzen nun großformatige Aluminiumfenster mit Isolierverglasung. An einigen Stellen ließ Hoffman in den Randbereichen zusätzlich schmale Öffnungsflügel einbauen.
Seit der Sanierung fallen dem Betrachter vier metallische Boxen ins Auge, die auf verschiedenen Höhen rund um das Gebäude montiert wurden und z. T. miteinander verbunden sind. Eine bildet einen Eingangspavillon, eine wird als außenliegendes Treppenhaus, eine weitere als Balkon genutzt. In der letzten ist der Technikraum untergebracht. Die mit 4 mm starken Blechen bekleideten Stahlkonstruktionen heben sich dunkel vom bestehenden Sichtziegelmauerwerk ab. Den vier Fassaden des Gebäudes verleihen die Boxen Individualität und Orientierung.
Prinzip »Einhausung«
Die ohnehin recht dicken Außenwände wurden nicht gedämmt, dafür erhielt das Dach oberhalb der Holzbekleidung eine neue Haut, die u. a. mit 35 cm Wärmedämmung aufwartet. Zusätzlich wurde ein längliches Oberlicht eingebaut. Im Inneren war das Mauerwerk vor dem Umbau überall verputzt. Da der Putz im EG durchfeuchtet und dementsprechend verwittert war, ließ man ihn dort entfernen und die Oberflächen stattdessen weiß kalken. An die Wände montierte Flachheizkörper sorgen besonders in diesem Bereich zusätzlich zur Fußbodenheizung für ein angenehmes Klima und trockene Wände. In den oberen Etagen blieb der Putz erhalten, es wurde nur frisch geweißelt. Die bestehende Stahlkonstruktion inklusive Dachstuhl ließ Hoffman reinigen und dunkel streichen.
Die Treppe, die zuvor in einer der Gebäudeecken platziert war, entfernte er und ersetzte sie durch eine einläufige Stahltreppe im Zentrum der ehemaligen Kohlenmühle. Die einzelnen Geschosse blieben ohne Unterteilungen – Nebenräume wie etwa Toiletten wurden v. a. in Form von hölzernen Boxen nach dem Raum-im-Raum-Prinzip eingefügt. Der an der Nordostseite bereits vorhandene Aufzugsschacht wurde erhalten, er beherbergt den instand gesetzten Fahrstuhl. Auch an anderen Stellen sendet das sanierte Gebäude Grüße aus der Vergangenheit: Etwa über die Lichtschalter, die in originale Schaltkästen integriert wurden, oder über alte Leitungen oder technische Anlagen, die wie Ausstellungsstücke in Glas gerahmt wurden.
Mit der Umgestaltung der Kohlenmühle konnte Hoffman bereits den Czech Grand Prix of Architects 2013 erringen. Sein Engagement für das Gebäude könnte den Startschuss zu einer weitreichenden Umnutzung des Areals geben: von der Industriebrache hin zu einem lebendigen Ort für Dienstleistungen rund um Kunst, Design und Kultur. •
Standort: Areál Šroubáren 40, CZ-252 66 Libcice nad Vltavou/Libschitz an der Moldau
Auftraggeber: Patrik Hoffman/Atelier Hoffman und LUGI, Libcice, www.lugi.cz
Architektur: Atelier Hoffman, Prag, www.atelierhoffman.eu
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Karel Mikeš, Prag
LS-Planung: VodoPro, Ingenieur Pavel Jakubu, Prag, www.vodopro.cz
BGF: 529 m²
BRI: 2 708 m³
Baukosten: ca. 475 000 Euro
Beteiligte Firmen:
Aluminiumprofile Fenster: Alface, Prag
Fußbodenheizung: REHAU Unlimited Polymer Solutions, Rehau, www.rehau.com
Schalter und Steckdosen: Gira, Radevormwald, www.gira.de
Beleuchtung: GUBI, Frihavnen/Kopenhagen, www.gubi.dk
Weitere Informationen unter www.db-metamorphose.de
  • 1 Eingangsbereich
  • 2 Showroom/Atelier
  • 3 Büro/Besprechung
  • 4 Nasszellen
  • 5 Technik
  • 6 Terrasse

Libcice nad Vltavou (CZ) (S. 102)

Atelier Hoffman
Patrik Hoffman
1975 geboren. 2001 Diplom an der Tschechischen Technischen Universität in Prag. 2002-06 Zusammenarbeit mit Architekt Martin Rajniš, Architekturbüro H. R. A. Architekti. Seit 2006 eigenes Architekturbüro.
Claudia Hildner
s. db 12/2013, S. 129
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