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Zur Geschichte der Türkonstruktion

Zur Geschichte der Türkonstruktion
The Doors (Collected Works)

Als sich Türen noch nicht aus dem Katalog bestellen ließen, mussten mindestens drei Gewerke gut zusammenarbeiten, um ein funktionierendes Bauteil zu erschaffen. Wer heute alte Türen instandsetzen will, sollte die gängigsten historischen Konstruktionsweisen kennen.

Text & Fotos: Christian Kayser und Peter Kifinger

Innen und außen, offen und geschlossen: Erst die Tür macht das Haus. Dabei ist sie kein einfaches Bauteil, vielmehr handelt es sich um ein komplexes Gefüge heterogener Elemente, jeweils mit ihrer ganz eigenen Konstruktion und Geschichte. Für die Entwicklung des öffnungsfähigen Stücks Wand mussten tatsächlich verschiedene Handwerkszweige einen eigenen und abgestimmten Beitrag leisten: Erst die Zusammenarbeit von Maurern oder Zimmerern mit Schreinern und Schlossern schuf das Gesamtkunstwerk »Tür«.

Das Blatt

Herzstück der Konstruktion: das Türblatt. Es kann aus unterschiedlichen Materialien bestehen, zumeist Holz, doch ebenso Bronze, Eisen oder gar Stein. Für ein einfaches Blatt werden Bretter quer auf Latten oder Bohlen aufgenagelt. Soll es etwas stabiler und gefälliger sein, nutet man profilierte Gratleisten in die Bohlen ein (Abb. 2). Ab der frühen Neuzeit finden sich im Innenausbau dann häufig gestemmte Türen, also Blätter mit Rahmen aus vertikalen und horizontalen Teilstücken (Friese) und eingenuteten Füllbrettern, die das charakteristische, kassettenartige Bild ergeben. Die unterschiedlichen Ausführungsformen sind teils so epochentypisch, dass sie, wie etwa die gefelderten Türen der Gründerzeit-Wohnungen, als Datierungsmerkmal herangezogen werden können.

Für Außentüren eignet sich diese Bauweise mit den konstruktionsbedingt dünnen Federn der Füllbretter nur bedingt, doch lässt sie sich adaptieren, indem außenseitig noch einmal eine zusätzliche hölzerne Schicht aufgebracht wird. Die von der eigentlichen Kernkonstruktion unabhängige Aufdoppelung kann dabei auch aufwendig gestaltet werden (Abb. 3). Ab dem späten 19. Jahrhundert ermöglichte die verbesserte Klebetechnik auch, Türblätter aus mehrlagigen, zueinander rechtwinkligen Brettlagen mit glatter Oberfläche herzustellen – Sperrholztüren, die sich sowohl im Innenausbau als auch an der Fassade verwenden lassen.

Der Rahmen

Für einen Schuppen oder ein Kellerabteil genügt es, wenn das Türblatt stumpf gegen die Wand schlägt, doch ist diese Ausführung weder schön noch dicht. Abhilfe schafft eine passende Eintiefung am Anschlag, der Falz, in den das Türblatt eingeschwenkt wird. Bei einem Ziegel- oder Steinbau lässt sich dieser im Mauerwerk anlegen, entweder als Profil in einem Steingewände oder als Versprung im Mauergefüge (Mauerfalz, Abb. 4). Beim Holzbau musste dagegen eine eigenständige Fassung, der Rahmen, für die Tür geschaffen werden: So benötigt eine Wandöffnung etwa im Blockbau seitliche Einfassungen; einerseits, um die angeschnittenen Horizontalbalken zu sichern und zu schützen, andererseits, um ein präzises Gegenstück mit Anschlag für das einzusetzende Türblatt bereitzustellen.

Je nach Art der anschließenden Wand können unterschiedliche Konstruktionen für die Rahmen zum Einsatz kommen:

Gerade im Holzskelettbau (Fachwerk) finden sich schon früh Blendrahmen (Abb. 5), nichttragende, schreinermäßig bearbeitete Leisten, die dem tragenden Gefüge aus Pfosten und Sturzriegel auf- und vorgesetzt werden – eine klare Trennung von Rohbau und kleinteiligerem, mit der nötigen Profilierung gebildeten Ausbau.

Aufwendiger ist der Zargenrahmen, bei dem die Laibung mit breiten, umlaufenden Brettern oder Bohlen – der Zarge – verkleidet wird (Abb. 6). Auch sie ist keine eigenständige, selbsttragende Konstruktion; ihr Einbau muss mit einem Unterbau in der eigentlichen Wandöffnung, dem tragenden Blindstock, vorbereitet werden. Zusätzlich zu der den Durchgang fassenden Zarge können die Ansichtsseiten mit Verkleidungen aus vorgeblendeten Brettelementen reich gestaltet und gefasst werden (Futtertüren, Abb. 7).

Anders als bei einem Blendrahmen oder einer Zarge handelt es sich beim Stockrahmen (Türstock) um eine eigenständige, selbsttragende Rahmenbauweise, die lediglich zur Lagesicherung mit Dübeln oder Schlaudern an der anschließenden Wand befestigt wird.

Die Beschläge: Schwenkmechanismus

Um das Türblatt um die vertikale Achse schwenken zu können, ist ein Drehmechanismus erforderlich. Bei den ältesten im archäologischen Befund nachweisbaren Türen erfolgte dies mit vertikalen Drehzapfen, die, seitlich im Ober- und Unterlager des Blattes befestigt, ihre Widerlager in Schwelle und Sturz fanden. Diese Ausbildung findet sich später noch bei sehr großen Türen, etwa Kirchenportalen oder Festungstoren (Abb. 8), dann teils mit schmiedeeisernen Zapfen und Lagern.

Die über Jahrhunderte – und letztlich bis heute – gebräuchlichste Form entwickelte sich parallel dazu aus bescheideneren Anfängen. Bei einfachen Konstruktionen wurden an der seitlichen Öffnungslaibung – Holzständer oder Mauer – zwei Dorne angebracht, an denen man das Türblatt aufhängte. Diese Angeln oder Kloben konnten aus Holz gefertigt werden oder geschmiedet sein. Die Befestigung erfolgte mit einer Auge-Dorn-Verbindung, für die auf das Türblatt entsprechende offene Gegenlager aufgenagelt wurden. Die einfachen, entweder in eine Mörtelfuge eingeschobenen oder in ein Holz eingehauenen Mauer- und Einschlagkloben erfuhren später eine Weiterentwicklung in Form einer unteren Abstrebung, wodurch besonders bei hölzerner Unterkonstruktion höhere Lasten aus dem Türflügel aufgenommen werden können (Abb. 9). Der so gefundene Stützkloben war vom Spätmittealter an eine weit verbreitete Form und ließ sich von einem kundigen Schmied aufwendig ausgestalten.

Noch reicher entwickelte sich das Gegenstück, das am Blatt befestigte Band. Als Grundform ist das Langband (ein aufgenageltes und am Ende zu einer Öse, der Bandrolle, umgeschlagenes Flacheisen) ebenso zu nennen wie dass Schippenband (eine größere, aufgenagelte Eisenplatte mit Scharnier). Beide waren geradezu eine Aufforderung an den Schmied; dementsprechend finden sich, vor allem im Barock, üppig wuchernde Beschlagformen (Abb. 10), namentlich die beliebten Spiral- und S-Bänder.

Gerade diese allzu reichen Formen kamen in Folge aus der Mode – und auch die Türbeschläge sollten nun am besten geradezu unsichtbar werden. Dies gelang mit der Konzeption unterschiedlicher Lappenbänder, aus zwei Flacheisen gebildeten Scharnieren. Die gestalterisch wie konstruktiv gleichartige Ausbildung beider Scharnierelemente brachte das Ende der bis dahin üblichen Differenzierung von Kloben und Türbändern. Besonders beliebt waren ab dem späten 18. Jahrhundert Einstemm- oder Fitschenbänder (Abb. 11), bei denen die Befestigungselemente in die Stärke von Türblatt oder Rahmen getrieben und dort ggf. mit kleinen Querstiften befestigt wurden. Aus dieser eleganten Befestigungsform entwickelte sich schließlich das moderne Einbohrband mit versenkten Schraubbolzen.

Die Beschläge: Schloss und Öffnungsmechanismus

Sicher ist erst, was sich hinter Schloss und Riegel befindet – die gezielt steuerbare Arretierung ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Konstruktionseinheit »Tür«. Das mit einem Schlüssel bedienbare Schloss dient dem dauerhaften, sicheren Türverschluss, der Öffnungsmechanismus mit Klinke oder Drücker vor allem einer komfortablen Türbedienung – üblicherweise sind beide Funktionen in einem Konstruktionselement vereint. Der Türöffner war zunächst meist als Hebemechanismus mit einem Riegel, der sog. Falle, angelegt, die in ein Gegenlager eingesenkt wird; später folgten die bis heute üblichen Öffnungsmechanismen, bei denen die Falle seitlich in ein Schließblech geschoben wird.

Eine einfache und zugleich sehr effiziente Art des »sicheren«, dauerhaften Türverschlusses bildet der Schließriegel, entweder geschmiedet oder als hölzerner Querbalken mit Auflager im Mauerwerk. Gleichwohl: Ein solcher Riegel lässt sich nur von einer Seite öffnen. Das eigentliche Schloss ist dagegen ein komplexer Mechanismus, der mit einem Schlüssel bedient wird. Die Lösungen, die Schlosser aller Zeiten hierfür erfanden, sind ungemein vielfältig, und verdienten eine eigene Vorstellung. Die wichtigsten Entwicklungsschritte in unserer Region sind dabei zunächst die Entwicklung von Schnapp- und Tourschlössern. Bei ersteren drückt eine Feder beständig den Riegel in ein Schließblech, der lediglich mit einem geeigneten Schlüssel beim Öffnungsvorgang zurückgespannt werden kann – wenn man so will, ein mechanisch optimierter Riegelverschluss. Bei Tour- bzw. Drehschlössern dagegen dreht der Schlüssel den Riegel vor- oder zurück.; eine Bauweise, die sich auch mit dem bereits beschriebenen Fallen-Öffnungsmechanismus kombinieren lässt.

Lange Zeit waren die Schlösser als eigenständige Elemente auf das Türblatt aufgesetzt, zunächst als offen einsehbare Konstruktionen (offene Bauweise, Abb. 12), oder mit einer die Mechanik schützenden Hülle versehen (Kastenschloss, Abb. 13). Erst spät, und mit zunehmend verfeinerter Technik, konnten Schlösser so dünn gebaut werden, dass es möglich war, sie in den Querschnitt des Türblattes zu integrieren: Das Einsteckschloss als elegante Bauweise ist bis heute die übliche Lösung.

Resümee

Historische Türen sind komplexe, mehrteilige Gefüge – und gerade in dieser Vielfalt liegen sowohl der besondere Reiz wie auch die besondere Herausforderung. Das gesamte »Ensemble« aus Rahmen, Blatt und Beschlägen hat oft eine eigene, mehrphasige Baugeschichte. Ein barockes Türblatt in einem mittelalterlichen Mauerfalz, mit Biedermeierbeschlägen ausgestattet: Jedes dieser Elemente ist für sich ein relevantes Zeitzeugnis und vermittelt gerade in der Heterogenität die Objektgeschichte; gutgemeinte Versuche, einheitliche Bestände herzustellen, reduzieren dagegen immer die Aussagefähigkeit. Eine vollständige Betrachtung und Erkundung aller Türbestandteile hilft, unfreiwillige Denkmalverluste zu vermeiden – man kann nur erhalten, was man kennt.


Die Autoren

Christian Kayser

Architekturstudium an der TU München und der University of Bath, Schwerpunkt Bauforschung und historische Baukonstruktionen. Seit 2004 Mitarbeit im Ingenieurbüro Barthel & Maus, heute als Geschäftsführer von Kayser + Böttges, Barthel + Maus. 2008-11 wissenschaftliche Mitarbeit an der TU München, Dissertation. Lehraufträge an TU und LMU München.

Peter Kifinger

Architekturstudium an der TU München. Seit 2011 Mitarbeit bei Kayser + Böttges, Barthel + Maus. 2018-19 Professur für Neuere Baudenkmalpflege. Seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeit am Lehrstuhl für Baugeschichte, historische Bauforschung und Denkmalpflege an der TU München.

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