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Alles für die Katz? Der Rebound-Effekt als Frust-Faktor

Der Rebound-Effekt als Frust-Faktor
Alles für die Katz?

Alles für die Katz?
Bild: Rene Deanda / unsplash

Häufig sinkt nach einer energetischen Sanierung der Energieverbrauch nicht so stark wie erhofft. Nach einer britischen Studie klettert er sogar schon nach vier Jahren wieder auf das Ausgangsniveau. Woran liegt das und was lässt sich dagegen tun?

Das Phänomen ist schon länger bekannt, doch nun wurde es mit erstaunlichen Zahlen belegt: Werden Gebäude nachträglich gedämmt, stellen sich Energieeinsparungen häufig nicht im erhofften Umfang ein; eine breit angelegte Studie der Universität Cambridge kommt zu dem Ergebnis, dass der Verbrauch spätestens nach vier Jahren wieder so hoch ist wie zuvor. Diese Analyse beruht auf Daten des britischen Ministeriums für Energie und Klimawandel. Dabei wurde der Gasverbrauch von 50.000 Haushalten in England und Wales ausgewertet – fünf Jahre vor und nach einer Dämmmaßnahme. Während das Einpacken von Fassaden immerhin für vier Jahre zu Einsparungen führte, waren die Einsparungen beim Dämmen von Dachböden schon nach zwei Jahren dahin.

Die Verfasser der Studie benennen i. W. zwei Ursachen für diesen »Rebound-Effekt«:

Zum einen gehen viele energetische Sanierungen mit weiteren Änderungen am Gebäude einher, etwa einer Erweiterung. Der relative Bedarf pro Quadratmeter Wohnfläche sinkt dann zwar, der absolute Verbrauch wird durch den Flächenzuwachs aber im gleichen Zuge wieder erhöht.

Zum anderen ändern die Nutzer ihr Verhalten und nehmen es mit der Sparsamkeit nicht mehr so genau – es geht ja nur noch wenig Energie verloren. Dann werden entweder die genutzten Räume höher temperiert oder es sind auch Zimmer warm, die vor der Sanierung weniger geheizt wurden.

Natürlich lassen sich die britischen Zahlen nicht direkt auf deutsche Verhältnisse übertragen, doch das Phänomen ist auch hierzulande Thema. Das vom Land Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm »Zukunft Altbau« weist etwa auf den Unterschied zwischen direktem und indirektem Rebound-Effekt hin. Der direkte Effekt beruht wie beschrieben auf dem geänderten Heizverhalten der Nutzer, während ein indirekter Effekt vorliegt, wenn im Zuge der Sanierung beispielsweise auch das Bad modernisiert und dabei eine größere Badewanne eingebaut wird, die zu einem höheren Warmwasser- und damit Energieverbrauch führt.

Lösungen

Soll der Energieverbrauch dauerhaft sinken, müssen die Nutzer intensiv aufgeklärt werden. »Zukunft Altbau« macht z. B. auf einen Aspekt aufmerksam, den viele noch nicht kennen dürften: 19 Grad Raumtemperatur im sanierten Haus fühlen sich wärmer an als im zugigen Altbau. Das liegt an der gefühlten Temperatur. Sie setzt sich etwa hälftig aus den Temperaturen der Raumluft und den umgebenden Oberflächen zusammen. Wo vor der Sanierung bei 23 Grad Raumtemperatur und 15 Grad Oberflächentemperatur im Wohnzimmer gefühlte 19 Grad herrschten, führen nach der Sanierung 20 Grad Raumtemperatur und durchschnittlich 18 Grad an den Oberflächen zur selben Behaglichkeit.

Nicht immer reicht es, wenn Wohnungsbaugesellschaften ihre Mieter per Flugblatt im Briefkasten über richtiges Heizverhalten informieren. Die FSB, Wohnversorgerin der Stadt Freiburg, ging bei einem Pilotprojekt deutlich weiter: Damit die Nutzer das Energie- und damit Kosten-Sparpotenzial nach der Sanierung tatsächlich voll ausschöpfen können, schickte das Unternehmen sogenannte »Sparfüchsinnen« los, die die Mieter im optimalen Gebrauch der Wohnungen berieten – bei Bedarf nicht nur auf Deutsch, sondern auch in diversen anderen Sprachen.

Fraglich ist dennoch, wie weit sich das langfristige Verhalten der Nutzer beeinflussen und der Rebound-Effekt umgehen lässt. Weitet man den Blick vom Einzelprojekt auf den Gebäudebestand als Ganzes und nimmt auch die CO2-Emissionen ins Visier, erscheint noch eine andere Strategie vielversprechend: einen etwas höheren Verbrauch zu akzeptieren, ihn aber mit regenerativen Quellen zu decken. Diesen Weg geht etwa die Stadt Tübingen. Weil absehbar ist, dass der Fachkräftemangel im Baugewerbe eine Sanierung des Gebäudebestands nur im Schneckentempo ermöglicht, hat sie massiv in ihr Fernwärmenetz investiert und stellt die Energieerzeugung nun sukzessive auf Klimaneutralität um, indem sie in einem ersten Schritt etwa die Abwärme der städtischen Kläranlage in großem Stil nutzt. Vielleicht führt ein solch zentralistischer Ansatz schneller zum Ziel als das dezentrale Sanieren der Gebäude, bei dem wir seit Jahren den politischen Zielen weit hinterherhinken.

~Christian Schönwetter


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