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Das neue Denkmalschutzgsetz von NRW

Das neue Denkmalschutzgesetz von NRW
Verlust mit Ansage: das neue Denkmalschutzgesetz von NRW

Verlust mit Ansage: das neue Denkmalschutzgesetz von NRW
Foto: Darkone at German Wikipedia, Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0Generic
Denkmale sind kostbare Zeugnisse der Geschichte, identitätsstiftende Bausteine von Stadt und Land und nachhaltige Speicher grauer Energie. Zentrale Aufgabe eines Denkmalschutzgesetzes ist es, den rechtlichen Rahmen zu schaffen, damit ihre Substanz langfristig erhalten wird.

~Jürgen Tietz

Wenn aber ein neues Gesetz die Handlungsfähigkeit der Denkmalfachämter konterkariert, handelt es sich um ein Denkmal-NICHT-schutzgesetz, wie es trotz massiver Proteste jüngst in Nordrhein-Westfalen verabschiedet wurde.

Es ist frustrierend zu sehen, dass zwar intensiv über die Notwendigkeit einer Bauwende diskutiert wird. In der Praxis aber wirkt ihr das Gesetz in NRW entgegen, weil es die Denkmalpflege schwächt. Dabei formuliert die Denkmalpflege seit bald 200 Jahren die zentrale Zukunftsbotschaft für Architektur und Städtebau: Erhaltet den Bestand, anstatt ihn zu zerstören. Das wird zukünftig in NRW schwieriger. Etwa dadurch, dass mit dem neuen Gesetz festgestellt wird, dass die Nutzung eines Gebäudes die beste Grundlage für dessen Erhalt darstellt. Klingt erst einmal gut. Zu fragen ist aber stets, um welchen Preis das geschieht. So kann es in Regionen mit hohem Leerstand sinnvoller sein, für einige Jahre dafür zu sorgen, dass Dach und Fenster bei einem Denkmal dicht sind, anstatt es auf Teufel komm raus mit neuer Nutzung zu zerstören. Ein solches Handeln geht nämlich von der Vorstellung aus, dass sich Denkmale einer veränderten Nutzung zu unterwerfen haben. Das Gegenteil muss künftig der Fall sein. Die Denkmalsubstanz muss den Ausgangspunkt für geeignete neue Nutzungen darstellen. Diese Haltung lässt sich aber nur umsetzen, wenn die unabhängigen Denkmalfachämter ihre Kompetenz in die Entscheidungen einbringen können. Im neuen Gesetz werden sie jedoch bewusst geschwächt. Anstelle der bisher gültigen Benehmensregelung im Genehmigungsprozess müssen die Ämter für Baudenkmalpflege künftig bloß noch angehört werden. Gestärkt wird demgegenüber die Position der kommunalen Unteren Denkmalbehörden (UDB). Doch wird diese rechtliche Stärkung auch mit einer besseren finanziellen und personellen Ausstattung unterfüttert? Und wer gewährleistet künftig die Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung der Unteren Denkmalbehörden? Zweifel erscheinen angebracht.

Überhaupt: Wieso wird in NRW künftig mit zweierlei Maß beim Denkmalschutz gemessen? Bodendenkmale gelten nun ohne einen weiteren Verwaltungsakt als Denkmal (deklaratorisches Verfahren). Bau-, Garten- und bewegliche Denkmale hingegen werden wie bisher erst durch den einen Verwaltungsakt mit Listeneintrag samt Denkmalbegründung zum Denkmal (konstitutives Verfahren). Mit zweierlei Maß wird künftig auch bei kirchlichen gegenüber anderen privaten Denkmaleigentümern gemessen. Wenn den kirchlichen Eigentümern Denkmalentscheidungen nicht passen, können sie direkt beim Ministerium als der Obersten Denkmalbehörde des Landes vorstellig werden. Das ist eine besonders ärgerliche Regelung – aufgrund der Ungleichbehandlung der Denkmaleigentümer. Zudem besitzen Sakralbauten oft eine besondere kulturhistorische Bedeutung. Doch welche Instrumente hat die Denkmalpflege künftig noch, wenn die Kirchentüren erst einmal geschlossen sind und Verwertungs- und Abrissdruck massiv wachsen?

Im Zusammenspiel der beteiligten Akteure hat sich in den letzten Jahrzehnten ein differenzierter Abwägungsprozess für einen angemessenen Umgang mit Denkmalen etabliert. Alle Beteiligten wissen, dass stets im Einzelfall zu klären ist, was möglich ist und was nicht, um die Integrität eines Denkmals zu bewahren und zugleich seine Weiter- oder Umnutzung zu ermöglichen. Nun aber werden »die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit ausdrücklich als im Abwägungsprozess zu berücksichtigende Aspekte« benannt. Als wären Barrierefreiheit und energetische Überlegungen nicht schon längst Themen im Umgang mit Denkmalen! Soll jetzt im Widerstreit der Interessen ernsthaft auf jedes Denkmaldach eine Photovoltaik geknallt werden? Darf noch mehr historisches Mauerwerk hinter Wärmdämmverbundsystemen verschwinden? Und wie soll der Schutz eines zarten Denkmalensembles der Nachkriegsmoderne gesichert werden, wenn sich an gleicher Stelle die doppelte Anzahl Wohnungen verwirklichen ließe? Wohnungsbau gegen Denkmalpflege auszuspielen zeugt von geschichtsvergessener Einfallslosigkeit und lässt sich leicht in einen Freifahrtschein ummünzen, um in Kahlschlagmanier abzureißen, was nicht hinreichend energetisch aufzurüsten und zu verdichten erscheint. Da hilft es auch nichts, wenn das neue Gesetz einen Landesdenkmalrat plant, in den möglichst viele Institutionen ihre Vertreter entsenden. Das löbliche Engagement in Landesdenkmalräten dient im politischen Raum erfahrungsgemäß lediglich als Feigenblatt. Diese oder jene gelungene Restaurierung mit dem ebenfalls neu initiierten Denkmalschutzpreis zu bejubeln wird nicht die Tränen trocknen können, die angesichts des Verlusts ganzer Denkmallandschaften in NRW drohen.

Der Autor ist Architekturkritiker in Berlin.

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