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Fitness für’s Denkmal?

Diskurs
Fitness für’s Denkmal?

Nur etwa 3 % unseres Baubestands stehen unter Denkmalschutz. Diese sind mit gutem Grund von der EnEV ausgenommen. Doch auch wenn Deutschland sich anschickt, Weltmeister im Dämmen und

Dimmen zu werden, und das vereinzelt und auf freiwilliger Basis auch bei denkmalgeschützten Bauten – mit einer energetischen Modernisierung all seiner Denkmäler ließe sich die Welt nicht retten. Aber nach einem langen Winter machen die denkmalreichen Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften Druck. Die Heizkosten für historisch voluminöse Rathäuser, Verwaltungen, Schulen und Kindergärten belasten die defizitären Haushalte. Mieter klagen über explodierende Nebenkosten.

Ein gemeinsamer Appell von Architektur- und Denkmalschutzorganisationen sorgte Mitte Mai allein wegen der Anzahl der Unterzeichner für Aufsehen und versprach unter dem lockeren Slogan »Denkmäler fördern und ‚klimafit‘ machen« Wege zur Problemlösung. Das Bundesbauministerium, so der Vorschlag, solle die vermeintlich höheren Aufwendungen für denkmalgerechte Energieeinsparmaßnahmen in ihrem CO2-Gebäudesanierungsprogramm berücksichtigen und dafür sorgen, dass entsprechende Zuschüsse und Kredite gewährt werden.
Die Unterzeichner treibt dabei die berechtigte Sorge um die Charakteris- tika unserer Orts-, Stadt- und Landschaftsbilder um. Alle fürchten die Monotonie soft und billig verpackter Architekturen mit unabsehbaren Folgen für die Denkmalsubstanz, die durch Schimmel, Schwamm und Salzkonzentrationen massiv geschädigt werden kann – einmal abgesehen davon, dass die grassierende Außendämmung irgendwann ineffizient wird und entweder in den Müll oder zur Recyclinganlage transportiert werden muss und insofern einer nachhaltigen Hausbewirtschaftung, wie in der Denkmalpflege verankert, entgegensteht.
Der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gepuschte Appell greift aber insgesamt zu kurz und könnte sich als kontraproduktiv erweisen, weil er unter der irrigen Annahme, energetische Einsparungen im Denkmal seien immer teuer, nur auf Finanzierungshilfen von Seiten des Staates zielt und a priori feststellt, eine energetische Sanierung auch von Baudenkmalen sei »selbstverständlich notwendig«.
Das Vorpreschen der Stiftung ist umso ärgerlicher, als die Kultusministerkonferenz KMK bereits Ende April einen fundierten Beschluss gefasst hat, dem sich alle Architekten- und Denkmalverbände hätten anschließen können. Da die Zuschussmittel der Landesämter für Denkmal-erhaltende Maßnahmen häufig schon nicht mehr für nötige Fensterreparaturen ausreichen, hätten sich dabei z. B. zusätzliche finanzielle Fördermaßnahmen erörtern lassen. In dem KMK-Appell »Klimaschutz muss das kulturelle Erbe achten und bewahren« an die vier zuständigen Bundesministerien (Bau, Umwelt, Wirtschaft, Bildung) und den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien stellen die Kultusminister der Länder sensationell einmütig fest, dass die »Bewahrung der kulturellen Identität der Städte und des ländlichen Raums (…) gleichrangig mit den Zielen des Umwelt- und Klimaschutzes« behandelt werden muss. Dabei gehen die Konferenzteilnehmer davon aus, dass Denkmalschutz und Klimaschutz »durch intelligente und innovative Maßnahmen« miteinander vereinbart werden können. Die KMK spricht von einer Notwendigkeit zur zeitgemäßen, energiesparenden Nutzung des Altbaubestands.
Das ist etwas anderes als die von der Stiftung Denkmalschutz formulierte Notwendigkeit zur energetischen Sanierung. Bei der Nutzung trägt das Verhalten des Eigentümers/Mieters maßgeblich zur verbesserten Klimaeffizienz bei. Zwei Grad weniger Raumtemperatur sparen enorm viel Brennstoff und nützen Denkmal und Klima. Selbstverständlich betont die KMK, dass »bei jeder energetischen Ertüchtigung des historischen Baubestands die Denkmaleigenschaft umfassend gewahrt werden muss«. Um akute Gefährdungen vom Bestand abzuwenden, fordert sie zuallererst, dass die für Denkmalschutz und -pflege zustän-digen Ministerien der Länder sowie Fachver- bände und Institutionen an kommenden Gesetzes- und Verordnungswerken im Bereich Klimaschutz und Energieeinsparung wirksam beteiligt werden müssen, damit angemessene Lösungen im historisch wertvollen Altbestand überhaupt möglich werden. Ein Haus, das 100 Jahre steht und in das nicht in regelmäßigen Zyklen das Neueste vom Baumarkt hineingestopft wurde, hat seinen Beitrag zur CO2-Vermeidung längst geleistet und wird ihn weiter leisten, wenn nicht in immer kürzeren Modernisierungszyklen energieaufwendige Bauprodukte eingebracht und wieder entsorgt werden. Entscheidend ist die Empfehlung der KMK, dass bei Baudenkmälern »Energieausweise nur von Altbau- und denkmal-erfahrenen Fachleuten in produktunabhängiger, gutachtlicher Funktion» ausgestellt werden sollen und eine »umfassende, denkmaladäquate Energieberatung« damit einhergeht. Eine solch fachlich qualifizierte Beratung und Begutachtung könnte der Baukultur insgesamt nützen. Last not least fordert die KMK mehr Forschung auf dem Gebiet intelligenter, denkmal- und altbauverträglicher Energienutzungssysteme.
Die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, Mitunterzeichner des hastig geforderten »Fitness-Programms«, hat jetzt den Appell der Kultusminister mit Nachdruck gewürdigt.
~Ira Mazzoni
Die Autorin ist freie Journalistin und schreibt u. a. für das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung und der ZEIT.
Der Appell »Baudenkmäler fördern und ‚klimafit‘ machen« und der Appell der KMK finden sich unter www.dnk.de/aktuelles
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