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Eine Frage der Transparenz

Diskurs
Eine Frage der Transparenz

Ein offener Brief an den Ministerpräsidenten und den Landtag von Baden-Württemberg sorgte im Herbst für

~Mathias Remmele

Aufsehen. Auf dem Briefpapier der Stiftung Bauhaus Dessau und unter der etwas dramatisch anmutenden Überschrift »Erbe der Ulmer Hochschule steht auf dem Spiel« beklagen darin zahlreiche ehemalige Studierende den Umgang mit dem baulichen und ideellen Vermächtnis der legendären Designschule. Die Kritik entzündet sich insbesondere an der Vermarktungspolitik der privaten »Stiftung HfG Ulm«, die die Eigentümerin der Hochschulgebäude ist, und an der von ihr beauftragten Sanierung des in den 50er Jahren nach Plänen von Max Bill errichteten Ensembles.
Das Land Baden-Württemberg wird aufgefordert, seine besondere Verantwortung für den Schutz herausragender kultureller Werte wahrzunehmen und sich finanziell und institutionell an der Zukunft der Hochschulhinterlassenschaft (Gebäude, Archiv und den damit zusammenhängenden kulturellen Aktivi- täten) zu beteiligen.
Auslöser für den Brief und die aktuelle Diskussion sind tiefgreifende Veränderungen auf dem ehemaligen Campus der Designschule, der in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich von der Universität Ulm genutzt wurde. Nachdem jedoch die Uni ankündigte, den Standort HfG um 2010 herum aufgeben zu wollen, war ein neues, wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept gefragt. Hier kommt die Stiftung HfG Ulm als Besitzerin und Nutznießerin der Hochschulgebäude ins Spiel, die, um als gemeinnützig gelten zu können, aus den Mieteinkünften eine Tochterinstitution namens Internationales Forum für Gestaltung (IFG) finanziert. Diese wiederum tritt durch vielfältige kulturell-wissenschaftliche Aktivitäten in Erscheinung. Unter ihrem ehrenamtlich tätigen Vorstandsvorsitzenden Dr. Bosch, einem ehemaligen Manager von Mercedes-Benz, entfaltete sie in den letzten Jahren Pläne zur Vermarktung der Immobilie als »Zentrum für Gestaltung HfG Ulm«. Das Konzept basiert auf drei Säulen: Einem von der IFG betriebenen Tagungszentrum, einem Dokumentationszentrum mit dem (von der Stadt Ulm getragenen) HfG-Archiv und einem »Exzellenz-Cluster für innovative Designer und gestaltungsnahe Firmen«, mit dem man das Geld verdienen will – kurz, ein Projekt wie aus dem Lehrbuch für Branding und Immobilienmarketing. Vom Ansatz her mag das sinnvoll und vernünftig wirken, wie so oft aber macht auch hier der Ton die Musik. Man muss nicht viel von der Ulmer Hochschule und der Gestaltungsphilosophie ihrer Gründer wissen, um zu erkennen, dass schon der immobilienwirtschaftliche Jargon, mit dem man das neue Nutzungskonzept bewarb, dem Geist der HfG alles andere als adäquat war. Als dann im vergangenen Jahr der kollektive Rücktritt der ehrenamtlich tätigen Intendantin und des Fachbeirats der IFG bekannt wurde, die ihre Arbeit als kulturelles Feigenblatt für rein immobilienwirtschaftliche Ziele missbraucht sahen, brachte das die Stiftung in der Öffentlichkeit zumindest moralisch in Bedrängnis.
Verschärft hat sich die Situation, als die ersten Ergebnisse der derzeit laufenden Sanierung des HfG-Gebäudes offenbar wurden. Die Gemüter erregten sich vor allem über die neu eingebauten Wärmedämmgläser der Fenster, deren bläulicher Schimmer und Spiegeleffekt das ursprüngliche Erscheinungsbild des HfG-Komplexes erheblich verändert. Das wird von niemandem bestritten und allseits bedauert. Aber obwohl der Fehler erkannt ist, müssen die längst bestellten und bezahlten Fenster nach dem Motto »shit happens« jetzt eingebaut werden. Der Schwarze Peter liegt wiederum bei der Stiftung, die den für die Sanierung verantwortlichen Architekten Adrian Hochstrasser per Direktauftrag engagiert hatte und die Baumaßnahmen – formal korrekt – mit der zuständigen Denkmalbehörde abstimmte. Dass man aber bei einer solch heiklen Angelegenheit wie der Sanierung des Bill‘schen HfG-Gebäudes den kritischen Dialog mit den in der Sache engagierten HfG-Veteranen und der Fachöffentlichkeit nicht nur nicht suchte, sondern – so der Eindruck vieler Beobachter – bewusst vermeiden wollte, war sehr unklug und rächt sich jetzt.
Im Kern offenbart sich die Diskussion um die Zukunft des HfG-Gebäudes einmal mehr als ein Kommunikationsproblem und als Folge mangelnder Transparenz von Entscheidungsprozessen. Formal und juristisch ist gegen das Vorgehen der Stiftung nichts einzuwenden. Kulturpolitisch betrachtet aber haben sich die Verantwortlichen bei der Stiftung und der Stadt Ulm (die mit dem Baubürgermeister Wetzig den Vorsitzenden des Stiftungsrates stellt) durch ihre einsamen, selbstherrlich wirkenden Beschlüsse und durch ihren ungeschickten Versuch, den sicher anstrengenden und zeitraubenden Dialog mit den ehemaligen HfGlern zu umgehen, selbst ein Bein gestellt. Abgesehen davon deckt die Auseinandersetzung tatsächlich einen gravierenden Missstand auf: Es mutet nachgerade absurd an, dass ein architektur-, design- und kulturgeschichtlich derart wichtiges Gebäudeensemble wie die ehemalige HfG auf dem Ulmer Kuhberg einer privaten Stiftung gehört, deren Entschei- dungen und Aktivitäten der öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen sind. Die Bauten der Ulmer Hochschule sind ein nationales Erbe, das in die öffentliche Hand gehört.
Der Autor lebt und arbeitet als Architektur- und Designhistoriker in Berlin.
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