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Befindlichkeitsarchitektur

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Befindlichkeitsarchitektur

~Julia von Mende

Weniger Architektur als Kunst ist auf der Architekturbiennale unter dem diesjährigen Leitmotiv »People meet in Architecture« in Venedig zu sehen. Im Vordergrund steht die sinnliche Wahrnehmung von Gebautem, also das, was auch der deutsche Pavillon mit seinem Thema »Sehnsucht« ansprechen will. Mit der Öffnung eines seiner Notausgänge in Richtung Lagune kann das von den Kuratoren zum Hauptausstellungsstück erklärte Gebäude zumindest die Sehnsucht nach Venedig erfahrbar machen (Abb. 1, 3). In Anbetracht der musealen Inszenierung eines Sammelsuriums im Innenraum – vom architektonischen Kochrezept bis zu Varianten des Hauses vom Nikolaus – fragt man sich aber, ob nicht die informell an die Wand gehefteten Kinder- und Erwachsenenzeichnungen im ungarischen Pavillon eine angemessenere Form des Mitmachkonzepts darstellen. Die Qualität der von über 180 Architekten zum Thema Sehnsucht eingesandten Zeichnungen kann man den Kuratoren nicht anlasten. Sie haben sich aber durch den Kollektivbeitrag ein Stück weit aus ihrer Verantwortung gestohlen. Und weil dieser Beitrag erklärtermaßen die »Gefühlslage der Architekturlandschaft« darstellen soll, sei hier erwähnt, dass sich die Luftigkeit der Ausstellung in dem als »Roter Salon« verkleideten Hautptraum in ein ziemlich flaues Gefühl verwandelte, als der Hauptgeldgeber verlautbarte, dass die Teilnahme an der Biennale die wichtigste Präsentation des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Kontext von Baukultur sei. Die Übersichtlichkeit der von Kazuyo Sejima kuratierten Hauptausstellung ist dagegen wohltuend. Ephemere Installationen wie die erstmalig von Diller & Scofidio realisierte und in Venedig wiederauferstandene Idee einer begehbaren Wolke, Janet Cardiffs Retortenchor aus 40 Lautsprechern und informative Videointerviews von Hans Ulrich Obrist mit den Beitragenden entzerren die üblicherweise überfrachteten Raumfluchten des Arsenale. Zu guter Letzt wird man auch noch mit dem neu angelegten und wahrhaft sinnlichen Giardino delle Vergine belohnt, an dessen Rand heruntergekommene Schuppen mit legerer Pergola den idealen Hintergrund für die Architekturfotografien Bas Princens bieten. Der junge Fotograf bekam dafür den Silbernen Löwen, der Goldene Löwe für den besten nationalen Beitrag ging an Bahrain (Abb. 2) und für das beste Einzelkunstwerk an Junya Ishigami aus Japan. Inmitten all der Leichtigkeit sucht man vergeblich nach richtungweisenden Fragestellungen und wird ausgerechnet auf den deutschen Pavillon zurückgeworfen.
Angesichts der im Vorfeld entfachten Abrissdiskussion um das 1909 errichtete und in der Nazi-Zeit umgebaute Ausstellungsgebäude entlud dessen Leitmotiv ein Fünkchen Sprengkraft. Es verwies auf die Notwendigkeit einer ernsthafteren Auseinandersetzung mit dem Sehnsuchtsbegriff im Zusammenhang von Bewahren und Rekonstruieren sowie Erinnerung und Nostalgie. Das Fehlen einer prospektiven Strategie des Bewahrens thematisiert Rem Koolhaas in einem der aussagekräftigsten Beiträge der Biennale der Ausstellung »Preservation« anhand zahlreicher Fallbeispiele. In Anbetracht einer zunehmenden Erhaltungswut seien bereits große Teile der Erdoberfläche unantastbar versiegelt. Andererseits führten willkürliche Kriterien zum Verschwinden heute politisch unbequemer Bauten aus der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg – so auch der Palast der Republik, dessen heimatlose Leuchten nun im deutschen Pavillon hängen.
Die Biennale läuft noch bis zum 21. November.
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