Erdbebensichere Lehmkonstruktionen für Kabul
Geordneter Zufall
Diplom-Projekt von Christoph Klemmt, 2004/05 an der Architectural Association in London; Betreuung: Mark Prizeman
Der große Bedarf an neuem Wohnraum in Kabul mündet in der Bildung informeller Siedlungen: Die ärmere Bevölkerung besetzt ohne Legitimation freies Land auf den Hügeln in der Stadt. Dort werden aus Lehmziegeln solide, jedoch nicht erdbebensichere Häuser mit Holzbalkendecken errichtet. Durch diese Bauweise sinkt der Bestand an Bauholz, das trockene Land ist von Wüstenbildung bedroht. Die steilen Wege auf den Hügeln sind für Rettungsfahrzeuge und die Müllabfuhr unzugänglich. Abfall säumt die Wege, weder Wasser- noch Abwassersysteme sind vorhanden, die fehlende Legalisierung führt zur Unsicherheit für die Bewohner.
Da die Stadt nicht die Mittel hat, Siedlungen oder Infrastruktur zu errichten, muss alle Bautätigkeit von den Bewohnern ausgehen. Deshalb entwickelte Christoph Klemmt ein Verfahren, das den Bewohnern die Landnutzung garantieren soll, sofern beim Bau der Häuser wenige Regeln beachtet werden. Hierzu gehören eine holzfreie, erdbebensichere Bauweise sowie ein Beitrag zum Abwassersystem, das ein zugängliches Wegenetz generiert. Einfache Bauelemente dazu werden von Hilfsorganisationen bereitgestellt und unter Anleitung verarbeitet.
Zur Simulation der Siedlungsentwicklung wurde eine Software konzipiert: In jedem Schritt besetzt ein neuer Siedler Land und bindet sein Haus an das Wegenetz an. Die neu entwickelten amtlichen Regeln sehen für jedes Haus den Bau eines Abwassersystems bis zum Nachbarn vor, entlang dem sich auch ein öffentlicher Weg bildet. Die vorgefertigten Rohre können nur unter bestimmter Neigung und Krümmung verbunden werden, so dass die parallel entstehenden Wege befahrbar sind. Die neuen Muster ähneln stark den vorhandenen Straßennetzen. Vergleichbar dem Wegenetz in Kabuls Altstadt entwickelt sich eine Abstufung der Privatsphäre von der Hauptstraße bis zur privaten Sackgasse.
Lehm ist stabil unter Druck, nicht aber unter Zug. Statt der Holzdecken bieten sich deshalb druckbelastete Lehmkuppeln an. Aus bestehenden Techniken zum stützenfreien Bau von Lehmgewölben wurde ein System entwickelt, das die Konstruktion komplexer Kuppelsysteme ohne Verwendung von Holz erlaubt. Instrumentale Kettenmodellserien dienten, horizontal gespiegelt, der Ermittlung der optimalen Form. Verschiedene Kettengittertypologien wurden analysiert, Querschnitte numerisch ermittelt. So wurde zum Schutz gegen Erdbebenschäden eine Netzverstärkung entwickelt, die über die Kuppel gespannt und an einem Ringanker-Fundament befestigt wird. Diese Spannlehm-Kuppel hielt im Test vertikaler und horizontaler Belastung stand. C.K.
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