zu db 11/2019, S. 14
Ein Dankeschön an Nikolaus Bernau, der mit seinem grimmigen Rundumschlag zum Futurium am Berliner Hauptbahnhof nicht einfach ein Stück Neuberliner Architektur abfertigte, sondern das in seinen Augen mittelmäßige Gebäude zum Anlass für grundlegendere Fragen nahm: Wie ernsthaft geht Architektur eigentlich auf die ihr offiziell zugeschriebenen Funktionen und Bedeutungen ein? Wer sich die Agenda der Wettbewerbsforderungen noch mal vorknöpft, wird auf die Diskrepanz zwischen »ästhetischer Behauptung« und tatsächlichem Funktionsgehalt gestoßen. »Zukunft« will heute nicht mehr in futuristischer Design-Verpackung daherkommen, deren Abenteuer und womöglich rettenden Strategien stecken mittlerweile in den Stoffen und Prozessen, im grundsätzlichen Anders-Denken (als Wegweisung für Anders-Handeln). So betrachtet, fällt einem zum Futurium wieder nur das alte Märchenzitat ein: Der Kaiser ist nackt!
Infrage steht damit aber auch die Rolle des Auftraggebers für das Gelingen solch ambitionierter Vorzeigebauten. Kann man Architekten für die wenig inspirierte Aufgabenstellung ihres Gebäudes kritisieren? Darf man ihnen – aus einschlägiger Expertise gebotene – Auftragsüberschreitungen abverlangen, etwa in puncto Energiefassaden oder Materialwahl nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip? Den Zukunftssuchern des Bauhauses wird bis heute genau dieser Wille gutgeschrieben – die Welt zum Besseren wenden, gegen verknöcherte Ist-Zustände und über alle beschränkten Geldgebervorstellungen hinaus. So ging einmal Avantgarde. Heute droht uns Zukunft hinter lauter futuristischen Zeichen zu verschwimmen, wie einst im Raumschiff Orion.
~Wolfgang Kil, Berlin
»Haus ohne Zukunft«
Das Ausstellungsgebäude »Futurium« in Berlin von Richter Musikowski »