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Qualität und Widerspruch

Bürogebäude »Dominium« in Köln
Qualität und Widerspruch

Der Bürokomplex unweit des Doms war zunächst für 45 separate Miet-Einheiten ausgelegt. Beim Entwurf der Außenhülle ließ Hans Kollhoff die Körnung kleinteiliger Gebäudeparzellierungen und historischer Fassadenausbildungen anklingen. Die später mit dem Innenausbau beauftragten Architekten Gatermann + Schossig wählten den Bruch zum Stil der Fassaden und entwarfen neben den festen Einbauten auch einen Großteil der Möbel. Sie definierten das Innere als fließenden Raum, in der Gestaltung zurückhaltend, um das Äußere nicht zu stören, aber kraftvoll genug, um als Corporate Identity des Unternehmens Wirkung zu entfalten.

    • Architekten: Prof. Hans Kollhoff; Gatermann + Schossig Tragwerksplanung: IDK Kleinjohann

  • Kritik: Reinhart Wustlich Fotos: Jens Willebrand
Die Namen von Stadt und Gebäude, Köln und Dominium [1], gehen auf die selben sprachlichen, lateinischen, Wurzeln zurück. Köln wäre aber nicht Köln, wenn die neuzeitliche Interpretation der städtebaulichen Urgründe der Altstadt Nord nicht mehrfach gebrochen, ironisch verfremdet erschiene. Das Dominium-Projekt besetzt hier, im Bankenviertel, den östlichen Blockrand zwischen Unter Sachsenhausen, Tunis- und Komödienstraße. Das Ensemble aus vorgeblich fünf Gebäudeteilen, drei Innenhöfen und Querflügeln, die an die Brandmauern des Bestands anschließen, stellt einen kompakten Ort der geschlossenen Stadt wieder her, der von definierten Straßenräumen, Kreuzungen und Platzbildungen geprägt ist. Das neoklassizistische Gebäude des ehemaligen Commerzbank-Palais an der Straße Unter Sachsenhausen ist in die Struktur des Dominium ebenso integriert wie ein unter Denkmalschutz gestelltes Relikt einer neogotischen Fassade.
Die »fünf Fassaden«[2] geben der Tunisstraße »ein Gesicht«, meinte Baudezernent Streitberger, der damit für das in der Höhenentwicklung umstrittene Projekt warb [3]. Das Ensemble ist in der Blocktiefe als zusammenhängende Gebäudestruktur mit Büroflächen organisiert, die nicht der nach außen dargestellten Grundstücksteilung entsprechen. Die Fassaden suggerieren eine Feinkörnigkeit des städtebaulichen Kontextes, eine Orientierung an Parzellengrößen, die allerdings nicht eingelöst werden konnte.
Die hoch ausgenutzte Kammstruktur entsprang einem Wettbewerb von 2004, den Hans Kollhoff gewann, und sollte ursprünglich bis zu 45 abteilbaren Büroeinheiten Raum geben. Mit der Übernahme des Objekts durch die Generali Deutschland Holding entfiel diese Vorgabe, zugleich wurde unter sechs Bewerbern das Kölner Architekturbüro Gatermann + Schossig für Konzeption und Realisierung eines neuen Ausbaukonzepts ausgewählt.
»Restbestände formaler Intensität«
Zur Aufweitung des Straßenraums an der Burgmauer, einer mehrspurigen Kreuzung mit der Tunisstraße, wächst die Blockrandbebauung zu einem Eckturm auf, der mit neun Geschossen und einem Zwerchgiebel eine städtebauliche Dominante bildet. Er bezieht die denkmalgeschützte neogotische Werksteinfassade (Architekt: August Lange) des ehemaligen Wohn- und Geschäftshauses Komödienstraße 34 ein, die bereits als historisches Relikt in einen Nachkriegsbau eingebunden war. Abschlussgesimse und ein Fassadenjoch zur Tunisstraße wurden rekonstruiert.
Die unterschiedlichen Geschosshöhen von 1880 und 2010 und die widersprüchliche Korrespondenz der Fensterstürze des historischen Relikts, ihrer zeitgenössischen Reduktion als Bogenfenster und ihrer Wiederholung im 8. OG des Eckbaus lassen manchen Vergleich über ursprüngliche Raffinesse und simplifiziertes Replikat zu. Der atmosphärisch spürbare Gegensatz von Handwerklichkeit und elektronisch geschnittenem Profil springt ins Auge.
Der retrospektive »Turn« in Hans Kollhoffs Entwurfshaltung ist auf die Fertigstellung des Amsterdamer Megablocks auf KNSM-Eiland (1994) einerseits und des ersten Prototypen seiner »Berlinischen Architektur« andererseits zu datieren. War das KNSM-Projekt noch ein Werk beeindruckend moderner Identität, so taucht in der Beschreibung Kollhoffs dazu bereits eine Passage auf, die eine grundlegende Revision andeutet: »Heutige Programme entziehen sich weitgehend formaler Analogie, so dass der Architekt, will er sich nicht als Dekorateur vermarkten lassen, gezwungen ist, selbst in den banalsten Programmen und Bauaufgaben Restbestände formaler Intensität aufzuspüren.« [4]
Beim Dominium finden sich »Restbestände formaler Intensität«, historische Relikte zumal – nur: Wird mit dem Mittel der Adaption eine neue, eine andere, eine zeitgemäße Identität erreicht?
In den Kölner Quellen wird der Architekt so zitiert: »Wir versuchen, aus der bestehenden Fassade an der Komödienstraße heraus unsere Fassade zu entwickeln, so dass nur noch für den Fachmann erkennbar ist, dass es (das Ensemble) aus unterschiedlichen Zeiten stammt.« [5] Das denkmalgeschützte Relikt, auf das Kollhoff sich bezieht, ist die erwähnte neogotische Werksteinfassade. Neogotik, weniger Original als ihrerseits Rückblick auf gotische Stilelemente, wird 125 Jahre später zu retrospektiver Ableitung für das Dominium herangezogen. Für den Neubau des Dominiums wird eine historisierende Grammatik konzipiert. Sie spielt das Thema von Erd- und Mezzaningeschoss durch, wählt bei den neungeschossigen Bauteilen statt geschlossener Wände eine »neogotisch« grundierte, durch serielle Pfeilerreihung und senkrechte Betonung der Stützglieder genormte Fassadenteilung mit stehenden Fensterformaten. Sie schließt, ungewöhnlich ›
› für Neubauten, in den Traufpunkten mit ausgestellten Kranzgesimsen ab. Bei niedrigeren Bauteilen wird die eher horizontale Teilung der Fassaden in den Vordergrund gestellt und führen über den Trauflinien Variationsreihen von Gaubenstellungen (u. a. in Setbacks) und Mansarddächern zu einer Akzentuierung.
Die nicht handwerklich geprägte, elementierte, im Zuschnitt als System (Montagesystem) erkennbare Profilierung der Fassaden führt atmosphärisch zu einem »Wittgenstein-Effekt«: »Mein Haus ist das Produkt … guter Manieren … Aber das ursprüngliche Leben … fehlt.« [6] Der Verzicht auf ein Dogma der »Berlinischen Architektur«, die einheitliche Traufhöhe, ist dagegen eher ein Gewinn für das Kölner Projekt – auch wenn er der Ausnutzung des Grundstücks geschuldet ist. Der Abschluss zur Straße Unter Sachsenhausen erinnert an Jeremy Dixons postmodernes Modernisierungsprojekt Covent Garden von 1984, ohne gleichwohl an dessen atmosphärische Werte heranzureichen. Die Kombination von Setback und Mansarddach – dort entwickelt, um gegenüber dem Vorgängerbau ein weiteres Geschoss herauszuholen – hat immerhin den Charme, eine Unvereinbarkeit der klassischen Typologie (Dach oder Nicht-Dach?) erfinderisch aufzulösen. Wäre das leicht zurückgesetzte OG des Dominiums weiter eingerückt und durch einen offenen Umgang vor den Glasflächen begrenzt, man könnte, an dessen Brüstung stehend, die Strenge des Ensembles ein wenig gemildert finden. Der Blick ins Innere des Komplexes zeigt mit Gatermann + Schossigs modernen Raumfolgen nicht nur die Spannungen gegenüber dem Äußeren an, das Interview mit Dörte Gatermann auf den folgenden Seiten verweist auch auf eine andere Herkunft des Entwurfsverständnisses, eine andere Haltung und andere Ziele. 

Das Büro Prof. Kollhoff stand für Auskünfte oder ein Gespräch leider nicht zur Verfügung.


  • Adresse: Tunisstraße 19-23, 50667 Köln

    Bauherr: Hochtief Projektentwicklung GmbH, Köln Nutzer: Generali Deutschland Holding AG, Köln
    Eigentümer: Generali Lebensversicherung AG, München
    Architekten: Prof. Hans Kollhoff Architekten, Berlin Architekten
    Ausbau: GATERMANN + SCHOSSIG Architekten Generalplaner, Köln
    Mitarbeiter: Holger Thor (Projektleitung); Carolin Merkle, Anja Oberhäuser, Jan Rübenstrunk, Alexander Baumgarten, Katrin Pester, Moritz Lohse, Tobias Türk
    Bauleitung: Intertec Ingenieurgesellschaft, Berlin
    Tragwerksplanung: IDK Kleinjohann, Köln
    Planung TGA: Dipl.-Ing. G. Schönfeld Ingenieurgesellschaft, Köln
    Lichtplanung: Kress & Adams, Köln
    Elektroplanung: Calorelektrik, Köln
    Brandschutz: Corall Ingenieure, Meerbusch
    BGF: 24 600 m² BRI: 74 340 m³
    Baukosten: keine Angabe
    Baubeginn (Rohbau): Oktober 2006
    Einstieg Planung Gatermann + Schossig: Januar 2007
    Fertigstellung: April 2009
  • Beteiligte Firmen
    Fassaden: Hofmann Naturstein, Werbach-Gamburg, www.hofmann-naturstein.com
    Fenster: Beaujean Fassadentechnik, Aachen (heute: Scheffer, Sassenberg)
    Sonnenschutzanlage: Schüco International, Bielefeld, www.hofmann-naturstein.com
    bedruckte Glaswände: Fackler GmbH, Karlskron, www.hofmann-naturstein.com
    mobile Trennwände: Parthos Deutschland, Frankfurt/M., www.hofmann-naturstein.com
    Elementwände: Strähle Raum-Systeme, Waiblingen, www.hofmann-naturstein.com
    Metalltüren: Hörmann, Steinhagen, www.hofmann-naturstein.com
    Aufzüge: Schindler Deutschland, Berlin, www.hofmann-naturstein.com
    Aufzugswand (Seaweed): 3Form, Schiedam (NL), www.hofmann-naturstein.com
    Fliesen: Koninklijke Mosa, Maastricht (NL), www.hofmann-naturstein.com
[1] Dominium (lat.) das: (veraltet) Herrschaft, Herrschaftsgebiet (Duden, Das Fremdwörterbuch, Mannheim 1997) [2] Auf den zweiten Blick, koelnarchitektur.de vom 25.3.2006 [3] Ein Gesicht für die Tunisstraße, KStA vom 3.3.2005 [4] Wohnungsbau KNSM-Eiland, kollhoff.de ohne Datierung [5] Auf den zweiten Blick, a.a.O. [6] Zit. bei Richard Sennett, Handwerk, S. 338
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