Manching war einst nicht nur eine der größten keltischen Städte Europas, sondern auch später eine wichtige römische Niederlassung. Die Erforschung und Ausgrabung dieser Siedlungen beschäftigen Archäologen seit vielen Jahren. Der Fund eines keltischen Goldschatzes gab den Anlass zum Bau eines Museums. In ihm haben die Hinterlassenschaften der Kelten und Römer nun eine neue Heimstatt erhalten – und Manching mit der weit leuchtenden »Vitrine« eine neue Attraktion.
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- Architekten: Fischer Architekten Tragwerksplanung: Mayr + Ludescher
- Text: Roland Pawlitschko Fotos: Stefan Müller-Naumann, Michael Heinrich
Die oberbayerische Marktgemeinde Manching, wenige Kilometer südlich von Ingolstadt, hat auf den ersten Blick wenig Besonderes zu bieten. Ein Montagewerk der EADS nebst Landebahn für Militärflugzeuge und kleinbäuerliche Landwirtschaft prägen den Ort mit seinen rund 12 000 Einwohnern. Doch genau hier graben Archäologen bereits seit über 40 Jahren an einer der größten Keltenstädte Europas sowie an römischen Kastellanlagen aus nachchristlicher Zeit. Spätestens nachdem 1999 ein spektakulärer keltischer Goldschatz entdeckt wurde, kam der Wunsch auf, diese Funde auch in einem angemessenen Rahmen zu präsentieren. Für das neu zu bauende archäologische Museum wählte man ein von der Autobahn A9 über eine rund 250 Meter breite Sichtschneise sehr gut einsehbares Baugrundstück. Die Fernwirkung des zukünftigen Kelten Römer Museums spielte dabei von Anfang an eine ganz wesentliche Rolle.
Und so erfolgt die erste Kontaktaufnahme mit dem aus einem geladenen Wettbewerb hervorgegangenen, zweigeschossigen Ausstellungsgebäude von Fischer Architekten in der Regel auch aus dem Auto. Bei Tempo 100 bleiben den rund 23 Millionen Autofahrern, die diesen Autobahnabschnitt jährlich passieren, allerdings kaum zehn Sekunden Zeit, das Kleinod am Straßenrand wahrzunehmen. Nicht zuletzt deshalb hat Architekt Florian Fischer den umlaufend transparent beziehungsweise opak verglasten Kubus als »überdimensionale Vitrine« konzipiert und mit der weithin sichtbaren Aufschrift »römer« und »kelten« versehen.
Wer von dort den Weg zum Museum am südlichen Ortsende Manchings erst einmal gefunden hat, gelangt zunächst zur östlichen Stirnseite des 100 Meter langen Baukörpers und findet sich einem zum Eingangsbereich im Obergeschoss sanft ansteigenden Steg gegenüber. Dieser erfüllt zum einen die praktische Aufgabe, den Augrabenbach zu überbrücken. Zum anderen gibt er den Besuchern auf 80 Metern Länge die Gelegenheit zur »räumlichen und zeitlichen Distanz« zwischen dem 21. Jahrhundert und der Zeit der Kelten und Römer. Lediglich Zaghafte werden sich dieser an einen Schiffs-Landungssteg erinnernden Konstruktion aus einfachen Gitterrosten verweigern und den Bach stattdessen über die unmittelbar benachbarte, ebenso breite wie massive Autobrücke überqueren, die in erster Linie Anlieferungszwecken dient.
Auf diesem Umweg lässt sich das Museum zunächst zwanglos umrunden und der offen zugängliche Museumspark besichtigen. Von dort führt schließlich eine Treppe auf die Gitterrostplattform am oberen Ende des Stegs, wo sich der Hauptzugang befindet.
Vom großzügigen Foyer aus gelangt man wahlweise in den introvertierten Wechselausstellungsbereich, die Archiv- und Nebenräume im Untergeschoss, zu den beiden zum Foyer hin öffenbaren Veranstaltungssälen oder den Dauerausstellungen. Der Chronologie folgend beginnt der Rundgang bei der keltischen Kultur. Analog zur reduzierten Formensprache des Baukörpers und der von Glas und Beton bestimmten Fassaden erscheint dieser Raum – ebenso wie auch alle darauf folgenden Räume – in materialsichtigen, roh belassenen Oberflächen; unbehandelter Industrieestrich, ›
› sandgestrahlter Sichtbeton und körniger Lehmputz. Insgesamt entstehen dadurch unprätentiös neutrale Ausstellungsräumlichkeiten, die gegenüber den hier präsentierten Schmuckstücken, Keramiken und Waffen bereitwillig in den Hintergrund treten und ein wenig an jene steinern-erdige Sinnlichkeit erinnern, die üblicherweise an Ausgrabungsstätten vorherrscht.
Unaufgeregte Leichtigkeit
Diese Empfindung wird unterstützt durch die von Florian Fischer eigens für das Kelten Römer Museum entwickelten Bodenvitrinen, die den Besucher zum Betrachten der keltischen Pretiosen in die Hocke zwingen und den Boden als Fundort archäologischer Objekte thematisieren. Was in anderen Fällen durchaus zu einem im Wortsinn bodenständigen Heimatmuseum hätte führen können, ist hier Bestandteil einer gut inszenierten Dramaturgie unbeschwerter Einfachheit und Leichtigkeit. Davon zeugen nicht zuletzt auch die Glas-Hängevitrinen, die die Exponate aufgrund einer etwas zu üppig geratenen Abhängungskonstruktion zwar nicht – wie geplant – mystisch schweben lassen. Dafür kommen sie aber ohne störende Sockelkörper aus und stehen damit versinnbildlichend für die den Entwurf prägende Durchlässigkeit des stützenfreien Ausstellungsraumes. Überspannt wird dieser von einer eleganten, unsichtbar von Überzügen gehaltenen Deckenkonstruktion aus Beton-Trogdeckenelementen.
Damit die leicht unterkühlte Inszenierung unterschiedlicher Grautöne nicht spannungslos wirkt, haben die Architekten gezielte Kontraste gesetzt. Zum einen werden die meist sehr feingliedrigen Exponate von Punktleuchten in angenehm warmes Licht getaucht. Zum anderen bietet der Blick durch die raumhohe und rahmenlose Festverglasung der nördlichen Gebäudeseite ein überwältigendes Panorama auf die sattgrüne und wild wuchernde Auwaldlandschaft. Im Gegensatz hierzu bleibt die von der Autobahn sichtbare Südfassade aus konservatorischen wie klimatischen Gründen vollständig geschlossen – ebenso wie auch der obere Wandbereich der zweigeschossigen Ausstellungshalle mit Fundstücken zur römischen Kultur. In der fast zehn Meter hohen Halle werden insbesondere zwei wert- volle Römerschiffe präsentiert, die 1986 unweit des Museums entdeckt wurden.
Viel wichtiger aber als der inszenierte Blick aus dem Gebäude ist der Blick auf das Gebäude. Würdevolle Ruhe und Klarheit strahlt der kantige Kubus aus. Von der nördlichen Auwaldlandschaft und dem Museumspark aus betrachtet entsteht tatsächlich der Eindruck einer riesenhaften Vitrine – vor allem in den Abendstunden, wenn sich die tagsüber spiegelnden Glasscheiben durch die Innenbeleuchtung aufzulösen scheinen und den Blick auf die Dauerausstellung Kelten freigeben. An dieser Stelle wird aber auch bewusst, dass die Inszenierung der Gebäudehülle weitgehend unabhängig ist von der Inszenierung der Innenräume oder der Landschaft: Gerade jene Flächen, die bei Dämmerung von außen strahlend weiß zu leuchten beginnen, sind von innen als solche überhaupt nicht wahrnehmbar.
Homogener Bau- und Lichtkörper
Trotz der unterschiedlichen und teils kleinteiligen Nutzungsbereiche wirkt das Museum von außen vollkommen homogen. Verantwortlich hierfür ist nicht zuletzt ein gesimsartiges Aluband, das den durchlaufenden oberen sowie unteren Abschluss des bügelartig auf zwei Sockel aufgelegten Obergeschosses ausbildet. Dabei hat dieses vor allem die Aufgabe, die Horizontalität des Baukörpers zu betonen, die transparenten und opaken Glasfelder des Piano Nobile zusammenzubinden und den Bügel zum verglasten Sockelbereich der Römerausstellung abzugrenzen.
Während sich die grünlich opaken Gläser tagsüber von der dunkel erscheinenden, transparenten Verglasung abheben, wird diese Wirkung nachts durch in die Fassade integrierte Neonröhren mit kaltweißem Licht erzielt. Jeweils an der oberen und unteren Kante angebracht, erzeugen sie insgesamt drei bandartige, die Länge des Baukörpers betonende Lichtzonen – zwei helle Randbereiche und eine etwas dunklere Mitte. Die Beleuchtungskörper selbst befinden sich dabei im hinterlüfteten Raum zwischen der Festverglasung und der mit einer weißen Stamisol-Folie bespannten Wärmedämmung. Aufgrund der Lage exakt hinter den bereits erwähnten Alubändern sind sie durch Abnehmen der Aluminium-Deckbleche mühelos von außen austauschbar. ›
› Trotz Autobahnpräsenz wird die abendliche Beleuchtung aus Kostengründen leider täglich bereits um 22:30 Uhr automatisch ausgeschaltet. Eine kostengünstige beziehungsweise nachhaltige Energieversorgung der Beleuchtungskörper – etwa durch photovoltaische Anlagen – gibt es leider nicht, so dass das Kelten Römer Museum für den Rest der Nacht in der Dunkelheit verschwindet. Doch selbst die verbleibende Zeit beschert dem Museum seit seiner Eröffnung Mitte 2006 viele zusätzliche Besucher. So erzählt der Hausmeister unzählige Anekdoten von begeisterten Touristen aus dem In- und Ausland, die auf der Heimreise aus den Sommerferien ihre Reiseroute geändert haben, um sich den Manchinger Kelten- und Römerschätzen zu widmen.
- Standort: Im Erlet 2, 85077 Manching
Bauherr: Zweckverband Keltisch-Römisches Museum Manching
Nutzer: Archäologische Staatssammlung, München
Architekt: Fischer Architekten, Florian Fischer, Erhard Fischer, München
Tragwerksplanung: Mayr + Ludescher, Beratende Ingenieure, München
Lichtplanung: Michael Schmidt Lichtplaner, München
Landschaftsarchitektin: Anna Zeitz, Landschaftsarchitektin, München
Projektsteuerung: IMP Ingenieurbüro für Bauwesen GmbH Mertig + Prüschenk, Diplom-Ingenieure, München Technische Gebäudeausrüstung GWA/ WBR: Ingenieurbüro Schiegerl, Pfaffenhofen / EURA-Ingenieure, München Thermische Bauphysik, Bauakustik: Bauphysik Ingenieur Gesellschaft Jörg Messinger + Klaus Schwarz, Röthenbach a.d. Pegnitz / Reinhard O. Neubauer Ingenieurbüro für Bauphysik und Akustik, Ingolstadt Fassadentechnik: R + R Fuchs Ingenieurbüro für Fassadentechnik, München
- Beteiligte Firmen: Einscheibensicherheitsglas Fassade (satiniert): Interpane Glas Industrie AG, Lauenförde, www.interpane.net
Verbundsicherheitsglas Fassade: Saint-Gobain Deutschland, Aachen, www.interpane.net
Dachdeckung: Corus Bausysteme GmbH, Koblenz, www.interpane.net
Betonboden mit Hartkornverschleißschicht: Chemotechnik Abstatt GmbH, Abstatt, www.interpane.net Naturasphaltplatten: Dasag AG, www.interpane.neto
Abgehängte Decken: Lindner AG, Arnstorf, www.interpane.net
Sonnenschutz innenliegend: Warema electronic GmbH, Marktheidenfeld, www.interpane.net Fassadenbeleuchtung: Norka Norddeutsche Kunststoff- und Elektro- gesellschaft Stäcker mbH & Co. KG, Hamburg, www.interpane.net
Ausstellungsbeleuchtung Spots: Erco Leuchten GmbH, Lüdenscheid, www.interpane.net
Verkleidung Medienraum (Filze): Armstrong DLW AG, Bietigheim- Bissingen, www.interpane.net
Akustiksegel: Daimer Filze, München, www.interpane.net
Türdrücker: FSB – Franz Schneider Brakel GmbH, Brakel, www.interpane.net
Beschläge: Dorma Holding GmbH + Co. KG, Ennepetal, www.interpane.net
Schalterprogramm: Merten GmbH & Co. KG, Wiehl, www.interpane.net
Armaturen: Vola GmbH, München, www.interpane.net
WC-Trennwände: Cabrillant AG, Chur/CH, www.interpane.net
Rohbau: Bacher Bau GmbH, Ingolstadt, www.interpane.net #
- Zimmerarbeiten: Holzbau Hausler, Kinding Spenglerabeiten: Tischner GmbH, Altmannstein
Fassadenarbeiten: Woschko Winlite GmbH, Weinsberg
Heizung: Georg Bergsteiner GmbH, Manching, www.interpane.net
Sanitär: Firma Herbert Stampfer, Eichstätt
Elektroarbeiten: Elektro Nemetz GmbH, Burgstall, www.interpane.net
Aufzug: Orba Lift Aufzugsdienst GmbH, Reichenbach, www.interpane.net
Lüftung: Karl Lausser GmbH, Pilgramsberg, www.interpane.net
db deutsche bauzeitung 06|2007