1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Wohnungsbau »

Hof im Hof

Zwei Wohngebäude in Biel (CH)
Hof im Hof

Die Nachverdichtung alter Siedlungsgebiete ist ein wichtiges Thema in der Schweizer Stadtlandschaft. Das Beispiel einer Mietwohnanlage aus der Westschweiz zeigt, wie eine Nachbarschaft dabei sowohl räumlich als auch sozial gewinnen kann.

    • Architekten: Metron Architektur AG Tragwerksplanung: Alexandre Fauchère

  • Text: Hubertus Adam Fotos: Hannes Henz
Biel liegt am Südhang des Jura und verdankt dieser topografischen Situation seinen Reiz: Die steile Hangsituation auf der einen Seite, das weit ausgedehnte Tal mit dem Bielersee auf der anderen prägen die für Schweizer Verhältnisse mittelgroße Stadt. Die Mieten sind hier deutlich niedriger als in dem gut eine Stunde Bahnfahrt entfernten Zürich, und dank einer geschickten und engagierten Baupolitik ist die Stadt an der deutsch-französischen Sprachgrenze in den letzten Jahren zum Ziel Architekturinteressierter geworden. Von dem Bauboom profitieren nicht zuletzt eine Reihe junger Bieler Büros, die sich binnen kurzer Frist etablieren konnten.
Das Tal der Schüss, das im Osten des Siedlungsgebiets die Kernstadt von dem einstigen Dorf Bözingen trennt, ist eine der aktuellen Bauzonen. Der im Tal von Saint-Imier entspringende Fluss tritt hier aus der Jurakette hervor, um sich in das Mittelland und schließlich in den Bielersee zu ergießen. Heute noch wird in der »Taubenlochschlucht« Strom produziert; im 19. und frühen 20. Jahrhundert speiste das Bergwasser die Sägewerke, Mühlen und Metall verarbeitenden Betriebe, die als Motor für die Industrialisierung Biels fungierten. ›
› Nach dem postindustriellen Strukturwandel sind im Bereich der Schüss nur noch wenige Industriegebäude erhalten. Die Grundstücke, zeitweilig zu Brachen geworden, wurden zu Standorten neuer Wohnquartiere. Von der Bözingenstraße aus führte die Bürenstraße parallel zur Schüss Richtung Südosten. Zwischen Straße und Fluss entstehen neue, zum Teil recht luxuriöse Wohnbauten.
Auf der anderen Seite, Richtung Osten, findet sich eine heterogene Bebauung, die aus diversen Wohngebäuden verschiedener Zeiten sowie Relikten der industriellen Vergangenheit stammt. Zwei viergeschossige, traufständige Wohnbauten, ursprünglich errichtet für die Arbeiter der benachbarten Drahtwerke, spannen einen Raum zwischen der Bürenstraße und der weiter östlich verlaufenden Jakobstraße auf. Nach der Entfernung eines alten Industriegleises sowie dem Abbruch einiger zwischen beiden Zeilen befindlichen Gebäuden konnte der Zwischenraum neu bebaut werden; die Drahtwerke hatten die Liegenschaft inzwischen an einen Immobilienfonds verkauft.
Die neuen Eigentümer beauftragten die Metron Architektur AG zum einen mit der Sanierung der zwei – durchaus städtischen Charakter aufweisenden – Mietshäuser, die sowohl energetisch als auch hinsichtlich ihrer Ausstattung zu erneuern waren. Darüber hinaus wurde das Architekturbüro aus Brugg mit der Verdichtung des nunmehr zur Verfügung stehenden Zwischenraums betraut. Hätte es zunächst nahe gelegen, die beiden Zeilen durch weitere parallele Baukörper zu ergänzen, so verfolgte Metron die gegenläufige Strategie. Die beiden neuen Baukörper stehen im rechten Winkel zur bestehenden Struktur – eine ähnliche Ausrichtung besitzen Bauten, die nördlich anschließen.
Wichtiger indes war den Architekten deshalb das Potenzial einer räumlichen Ordnung und Klärung: Als Antithese zum fließenden Straßenraum lässt die Konfiguration eine intime Hofsituation entstehen, durch welche die weit auseinander stehenden Altbauten eigentlich erst als Einheit erlebt werden. Richtung Norden und Süden rückte Metron die neuen Volumina, die sich mit ihren drei Geschossen den bestehenden Zeilen gegenüber als untergeordnet zu erkennen geben, möglichst nahe an die Grundstücksgrenzen, um den Hof aufzuweiten.
Die Form der über einer Tiefgarage errichteten Neubauten reagiert auf die vorhandene Substanz: Der Knick des Blocks entlang der Bürenstraße findet sich auch bei den Längsfassaden der dreigeschossigen Gebäude und lässt diese zu schwach sechseckig ausgebildeten Volumina werden. ›
› Gebäudeform und Grundrisse sind punktsymmetrisch über das Zentrum des Hofes gespiegelt. Die Neubauten besitzen jeweils vier Wohnungen mit dreieinhalb, viereinhalb oder fünfeinhalb Zimmern auf jeder Ebene.
Erschlossen werden diese durch dem Hof zugewandte, laubengangähnliche Zonen, die in kräftigem Rot gestrichen sind. Von den Hauswänden durch mit Kletterpflanzen berankte Lichtschächte getrennt, sind diese Bereiche raumähnlich ausgebildet, so dass sich Platz für das temporäre Abstellen von Hausrat ebenso ergibt wie für die Möglichkeit zur Kommunikation unter Nachbarn. Akzentuiert durch plastisch ausgebildete Loggien in den Ecken, sind die privaten Wohnräume hauptsächlich zur Hof abgewandten Seite hin orientiert. Sanitärräume und Küchen liegen in der Kernzone der aus Mauerwerk und Stahlbeton bestehenden, außen gedämmten Bauten; Küche und Wohnbereich bilden ein räumliches Kontinuum.
Durch eine überzeugende räumliche Differenzierung ist es Metron gelungen, öffentliche und private Zonen voneinander zu trennen. Der Polarisierung von halböffentlichen Vorbereichen auf der Ebene der Laubengänge und privaten Loggien entspricht der Kontrast zwischen dem Hof mit seiner mineralischen Oberfläche und den Bänken sowie dem Rasenteppich, der sich außen um die Siedlung herumzieht und lediglich von gekiesten Wegen durchzogen wird. Auch ist der Graubeige-Ton der Fassaden an den drei Außenseiten deutlich dunkler als an den Hoffronten.
Ohne aufdringlich Kollektivität zu beschwören, schaffen Metron mit unspektakulären Mitteln die Voraussetzung für nachbarschaftliche Kommunikation. Die Mieter, die vor eineinhalb Jahren eingezogen sind, scheinen mit ihrer Wohnsituation zufrieden; Kinder spielen in den Höfen, Verbotsschilder, wie man sie sonst häufig findet, sucht man hier vergebens. Mietpreise wie Ausstattung entsprechen einem mittleren Niveau; die privatwirtschaftlich finanzierten Wohnungen liegen über den Preisen von Genossenschaftsmieten, sind aber auch für Bewohner mit niedrigerem Einkommen noch erschwinglich. •
  • Bauherr: Immobern AG, Bern (CH) Bauherrnvertreter: Verit Immobilien, Zürich (CH) Architekten: Metron Architektur AG, Brugg (CH); Projektleiter: Ralf Kunz Mitarbeiter: Anagnostis Kipouridis, Andrea Grolimund Tragwerksplanung: Basler Hofmann AG, Zürich, Alexandre Fauchère Landschaftsarchitekten: Metron Bern AG, Bern (CH), Clemens Basler Tragwerksplaner: Basler Hofmann AG, Zürich (CH), Alexandre Fauchère HLS-Planung: Hans Abicht AG, Aarau (CH), Christoph Wenger Kosten: 7,8 Mio. sFr Preis pro Quadratmeter HNF: 2774 sFr (nach BKP 1–5) Studienauftrag (1. Preis): 2003 Fertigstellung: 2006
  • Beteiligte Firmen: Generalunternehmer: Frutiger AG, Thun (CH) Betonelemente: Hebag AG Elementbau, Vordemwald (CH) Fenster: Rosa Fenster, Busswil (CH) Türen, Tore: Meier AG, Gwatt/Thun (CH)
Tags
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel
3 Saint Gobain Glass
Eclaz

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de