Theoriebildung und Ornamentdebatte im deutschen Architekturdiskurs (1850–1930). Von Mariá Ocón Fernández. 421 Seiten, 48 Abbildungen. Kartoniert, 59 Euro, 97,40 sFr. Reimer Verlag, Berlin, 2004
~Ralf Wollheim
Schon der Titel des Buches verweist auf einen
vermeintlichen Gegensatz. Denn in der Architektur der Moderne galt das Ornament als überflüssig, verdammenswert und eigentlich überwunden. Im ersten, rezeptionsgeschichtlichen Teil des Buches wird aus zeitgenössischen Gesamtdarstellungen von Pevsner bis Troost diese Verdrängung des Ornaments und des Dekorativen geschildert. Konstruktive Logik, Rationalität und Materialgerechtigkeit sind nur einige Stichworte, die für das moderne Bauen am Anfang des 20. Jahrhunderts bestimmend werden. Dabei gerät die Architektur in eine paradoxe Position. Dem Dogma des Funktionalismus entsprechend, wäre sie eigentlich nur angewandte Kunst, spielte eine eher dienende Rolle. Dennoch hat sie sich als hohe Baukunst etabliert und das Kunstgewerbe zu einer minderen Gattung degradiert. So schildert die Autorin die Theoriegeschichte des Ornaments auch als eine stetige Konkurrenz der Gattungen. War doch im Jugendstil das Ornament und besonders die geschwungene Linie Ausgangspunkt für alle Gestaltungen von Gebrauchsgegenständen bis hin zu Gebäuden.
Der zweite Teil der »Diskursanalyse« gibt eine umfassende Auswertung der Theorien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu Kunst und Gewerbe, Kunst und Industrie und Architektur. Darin folgt auf die Ablehnung des »Maschinenornaments«, dem Kitsch des Historismus, das »künstlerische Ornament« bei Semper und anderen Autoren sowie das »Ornament der Klassik«. In der Fülle der zitierten Texte mit manchmal nur leicht unterschiedlichen Positionen und nicht ganz geklärten Nuancen der Begriffe geht gelegentlich die Übersicht verloren. So entstand ein eher mäanderndes Kompendium zur Geschichte des Ornaments.
Teilen: