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Stadtumbau unter Renditezwang

Diskurs
Stadtumbau unter Renditezwang

Die Übernahme der Dresdner kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Woba durch eine US-amerikanische Finanzgruppe schlägt derzeit hohe Wellen. Zwar wurden in den vergangenen Jahren ähnlich umfangreiche Transaktionen wie der Verkauf der Berliner GSW oder der Bochumer Viterra durchgeführt. Der Deal in Sachsen, bei dem 48 000 Wohnungen für 1,7 Milliarden Euro den Besitzer wechseln, ist jedoch aufgrund der zukünftigen Dominanz des Investors Fortress auf dem Dresdner Wohnungsmarkt besonders umstritten. Die Kommentare polarisieren häufig und reichen von Warnungen vor einem Ausverkauf der Stadt bis zur Begeisterung über die erreichte Schuldenfreiheit der Kommune. Entscheidend ist jedoch, welche konkreten Auswirkungen der Eigentümerwechsel für die Mieter hat, sowie die stadtentwicklungspolitische Frage, wie mit Fortress als Großeigentümer Umbaumaßnahmen durchgeführt werden können und welche Folgekosten durch die Privatisierung auf die öffentliche Hand zukommen.

Kritik greift vor allem zu kurz, wenn sie die unter dem Stichwort »Heuschrecken« geführte Diskussion über die Aufkäufe britischer und amerikanischer Investoren in der deutschen Industrie mit den Transaktionen auf dem Wohnungsmarkt gleichsetzt. Die »Buy-outs« in der Industrie werden von Hedge-Fonds durch hoch verzinste kurzfristige Kredite finanziert. Sie sind darauf ausgerichtet, schnelle Gewinne durch die Zerlegung von Unternehmen und den Abbau von Stellen zu erzielen und stehen damit in der Tat dem bisherigen bundesrepublikanischen Modell einer von Mitbestimmung geprägten Unternehmenskultur diametral entgegen. Die neuerdings im Wohnungsmarkt investierenden Firmen sind dagegen Pensionsfonds, die langfristige Anlagemöglichkeiten für ihr immenses Eigenkapital suchen und daran interessiert sind, den Wert des Baubestandes zu erhalten. Trotz ihrer ausländischen Herkunft agieren sie daher kaum anders als deutsche Versicherungen, die das Geschehen auf dem Immobilienmarkt der Bundesrepublik schon seit Jahrzehnten prägen. Einen Wertewandel in der Branche erzeugen die neuen Investorengruppen deshalb nicht.
Ebenso vorschnell sind Kommentare, die ausschließlich auf mögliche Mieterhöhungen und deren soziale Folgen abzielen, da nicht zu erwarten ist, dass aus dem Woba-Verkauf eine drastische Veränderung des Dresdner Wohnungsmarkts resultieren wird. Zwar wäre in Städten wie Hamburg, Stuttgart oder München eine Transaktion dieser Art, von der vor allem das Segment einfacher Mietwohnungen betroffen ist, durchaus mit der Gefahr einer weiteren Verknappung günstigen Wohnraums verbunden. In der sächsischen Landeshauptstadt aber sind etwa 40 000 Wohnungen ungenutzt, in einigen Stadtteilen beträgt die Leerstandsquote über 25 Prozent. Stadtentwicklungspolitik in Dresden ist deshalb nicht einfach nur eine Frage der Quantität und der Preise, sondern vor allem der Qualität und der Steuerung des Marktes durch Planung, Stadtumbau und Sozialpolitik.
Gerade diese kommunalpolitische Aufgabe aber dürfte nach dem Verkauf der Woba nicht einfacher werden. Die Veräußerung der Wohnungen hat Dresden zwar eine kurzfristige finanzielle Entlastung verschafft. Dadurch, dass die Kommune nun aber nicht mehr selbst als Besitzer der Wohnungen auftritt, verringern sich auch die Steuerungsmöglichkeiten der Stadtverwaltung.
Flexibilität und Innovationsfähigkeit sind aber gerade in Städten wie Dresden, die sich nach wie vor im postsozialistischen Restrukturierungsprozess befinden, für die Stadtentwicklung wichtig. Wohnraumversorgung und Stadtplanung sind ja nicht nur fiskalische Fragen, sondern umfassen auch Aspekte der Stadtgestaltung, Umwelt- und Sozialpolitik. Fördermaßnahmen wie der Stadtumbau Ost oder das Programm Soziale Stadt basieren auf der Erkenntnis, dass die aus dem Strukturwandel resultierenden sozialen Probleme räumlich konzentriert sind und ein stärkeres Engagement für »Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf« erfordern. Unabhängig von den Eigentumsverhältnissen in den betroffenen Stadtteilen muss dieser Mehraufwand von der öffentlichen Hand getragen werden. Offen bleibt aber, welche Folgekosten auf die Stadt dadurch zukommen, dass es Dresden bei der Entwicklung von Strategien für Plattenbauquartiere nun mit einem dominierenden Großeigentümer von außen zu tun hat, der als Privatunternehmen definitionsgemäß vor allem an einer stabilen Rendite orientiert ist. Erst wenn sich zeigen wird, ob der Stadtumbau Dresdens in den nächsten Jahrzehnten dadurch einfacher oder schwieriger wird – und damit für die öffentliche Hand günstiger oder teurer – lässt sich sagen, ob der Woba-Verkauf ein lohnendes Geschäft war oder ein Dresdner Eigentor. Frank Roost
Der Autor ist Stadtplaner und lehrt an der TU Berlin.
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