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150 Jahre db deutsche bauzeitung – ein Rückblick

Die Geschichte der db – kritisch betrachtet
150 Jahre db deutsche bauzeitung

150 Jahre! Das ist erst mal ein starkes Stück. Keine andere Fachzeitschrift im Bereich Architektur, Ingenieurwesen und Gestaltung in Deutschland kann auf eine solche Geschichte, auf eine so weit in die Vergangenheit reichende Traditionslinie zurückblicken. Insofern macht uns diese Jubiläums-Zahl schon ein wenig stolz. Gerne nutzen wir diesen Anlass, um einen Moment innezuhalten, um zurück- und vorauszublicken.

150 Jahre db deutsche bauzeitung

Text: Ulrike Kunkel
Mit der Tradition ist es so eine Sache. Die Deutsche Bauzeitung hat in ihren 150 Jahren Höhen und Tiefen erlebt. Ihre Entwicklung verlief im Ganzen betrachtet alles andere als kontinuierlich. Es gab Umbrüche und Brüche. Es gab eine mehrjährige, kriegsbedingte Unterbrechung. Und es gab, man kann es aus heutiger Perspektive nicht anders sagen, bedrückende Irrwege.
Die Entwicklung des Blatts spiegelt die bisweilen von dramatischen Zäsuren gekennzeichnete politische, gesellschaftliche und kulturelle Geschichte unseres Landes wider. Noch deutlicher ist in den schier zahllosen Nummern der Zeitschrift die Geschichte der Architektur und der damit verbundenen Debatten ablesbar. Auch über das Selbstverständnis des Berufsstands und den Wandel, der sich hier in 150 Jahren vollzog, gibt das Blatt Auskunft.
Der Blick zurück stellte sich für uns als überraschend spannend und anregend dar. Manchmal spürt man über viele Dekaden hinweg und ungeachtet altertümlicher Formulierungen eine große gedankliche Nähe und eine fortdauernde Aktualität. Manchmal aber erscheint uns, was einst gedruckt wurde, kaum noch nachvollziehbar. Wir haben uns viele alte Jahresbände der Zeitschrift angeschaut und ein paar Tiefenbohrungen gemacht. Gerne lassen wir Sie an unseren Funden teilhaben.
Der Anfang
Alles begann am 15. Dezember 1866 mit der Gründung durch die Architekten Wilhelm Böckmann (1832–1902), Anton Hubert Göbbels (1835–74) und Emil Otto Fritsch (1838–1915) in Berlin. Einige Wochen später, am 5. Januar 1867, erschien dann erstmals das als »Wochenblatt« betitelte Periodikum, »herausgegeben von Mitgliedern des Architekten-Vereins zu Berlin«. »Erscheint jeden Sonnabend« war links oben auf dem Titelblatt zu lesen – ein Cover gab es noch lange nicht – und auf der linken Seite: »Preis vierteljährlich 18 3/4 Sgr.« Sgr., das steht für Silbergroschen und genau dieses Detail markiert viel deutlicher als die abstrakte Zahl 150 den historischen Abstand zum Gründungsdatum. Sgr. zeigt an, wir befinden uns noch im alten Preußen. Im Königreich Preußen, in dem Schinkel gebaut hat und Stüler, der gerade mal zwei Jahre vorher verstorben war und von dem sich damals noch einige Gebäude – so etwa die Alte Nationalgalerie – im Bau befanden. Das ist nun wirklich lange, lange her. Und ein Jahr später, als über dem Titel Wochenblatt erstmals ganz selbstbewusst der Name »Deutsche Bauzeitung« gedruckt wurde, da gab es Deutschland noch gar nicht, zumindest nicht als klar definierte politische Einheit. Das sollte sich bekanntlich erst 1870/71 mit der Reichsgründung ändern.
Vereinsnachrichten und Fachinformation
Der Architekten-Verein zu Berlin war eine berufsständische Gruppierung, in der sich in erster Linie die wachsende Zahl der freischaffenden Architekten organisierte. Ähnliche Vereinigungen gab es praktisch in allen größeren Städten im deutschsprachigen Raum. Die Gründung des Wochenblatts entsprach dem Bedürfnis nach interner Kommunikation. Das redaktionelle Konzept verfolgte zwei Ziele: Erstens, vereinsinterne Nachrichten bekannt zu machen und zweitens, fachbezogene Informationen zu vermitteln. Anfänglich betraf dies v. a. Fragen der Baukonstruktion. Der erste im Blatt erschienene Artikel »Versuche über die Druckfestigkeit von Mauerwerk« zeigt dies beispielhaft.
Der spontane Erfolg des Wochenblatts gab seinen Machern Recht. Die Zahl der Abonnenten stieg innerhalb kurzer Zeit auf 3 000 – das können unmöglich nur Berliner gewesen sein. Das überregionale Interesse an der Publikation rechtfertigte den neuen Haupttitel Deutsche Bauzeitung.
Das intellektuelle und sprachliche Niveau der Zeitschrift war von Anfang an erstaunlich hoch, die Bebilderung aus technischen und finanziellen Gründen hingegen minimal. Anfänglich gab es allenfalls Schemazeichnungen und mal einen Grundriss zu sehen. Erst in den 1880er Jahren tauchen Zeichnungen, Ansichten und Perspektiven auf. Gegen Ende des Jahrhunderts werden die ersten Fotografien abgedruckt. Längere Aufsätze, die meist über mehrere Nummern hinweg veröffentlicht wurden (eine Praxis, die sich sehr lange halten sollte), wechselten sich mit kürzeren Meldungen ab. Bald entstanden fixe Rubriken: »Mitteilungen aus Vereinen«, »Aus der Fachliteratur«, »Personal-Nachrichten«, »Offene Stellen«, »Brief- und Fragekasten«. Später kamen neben »Vermischtes« und »Todtenschauen«, »Konkurrenzen« bzw. »Preisaufgaben« hinzu, wie man Wettbewerbe damals bezeichnete. Wir lernen daraus, an den Informationsbedürfnissen des Fachpublikums hat sich in den letzten 150 Jahren nicht so viel verändert und der Servicegedanke gehörte von Anfang an zu den Genen des Blatts. Auch interessant: immerhin fast ein Viertel des Umfangs nahmen schon früh die Stellen- und Sachanzeigen ein.
Breites Themenspektrum
Über was wurde in den ersten Jahrzehnten der Zeitschrift geschrieben und berichtet? Zunächst fällt die enorme Bandbreite der behandelten Themen auf, die den gesamten Hoch- und Tiefbau (inklusive Straßen- und Eisenbahnbau) abdeckten. Im Mittelpunkt stand das zeitgenössische architektonische Schaffen, wobei fast alle Bauaufgaben Berücksichtigung fanden. Die großen, repräsentativen Projekte – Rathäuser, Museen, Kirchen, Bahnhöfe, große Geschäftsbauten, bisweilen Villen und Landhäuser – überwogen, aber auch Gewerbebauten und gewöhnliche Wohnungsbauten kamen vor. Selbst die Anfänge des Sozialen Wohnungsbaus fanden Berücksichtigung, wie an einem in den 1880er Jahren erschienenen Bericht über »Arbeiter-Wohnhäuser der Gemeinnützigen Baugesellschaft zu Mannheim« deutlich wird. Im Bereich des Tiefbaus wurden vornehmlich Brücken und wasserwirtschaftliche Projekte behandelt. So fand etwa der Bau des Nord-Ostsee-Kanals (1887-95) größte Beachtung im Blatt. Die Deutsche Bauzeitung scheint zu dieser Zeit wirklich ein Spiegel des nationalen Baugeschehens und ein Forum der Fachdiskussion gewesen zu sein. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die sehr eingehende Berichterstattung zum viel diskutierten Reichstagswettbewerb von 1882.
Spezialitäten
Was gab es sonst? Kunst- und Architekturgeschichte in umfangreichen Aufsätzen, so z. B. »Die kirchliche Baukunst des Abendlandes«. In den Zeiten des Historismus war das freilich keine abstrakte Kunstgeschichte, sondern höchst praktische Unterweisung in Stilkunde. Bisweilen werden innenarchitektonische Projekte und städtebauliche Fragen besprochen. Einen breiten Raum nahmen technische Themen ein. Man konnte »Ueber Konstruktion und Leistung von Dampf-Straßenwalzen« ebenso lesen, wie einen detaillierten Bericht über »Die Heizung und Lüftung des neuen Rathhauses zu Hamburg«. Regelmäßig veröffentlichte die Deutsche Bauzeitung anspruchsvolle Texte über Baukonstruktion und Statik, so etwa »Ueber dynamische Spannungen in Eisenbahnbrücken«, die den Stand der Wissenschaft reflektierten und schon damals für viele Leser schwer verdaulich gewesen sein dürften. Zugänglicher waren da schon die ebenfalls immer wieder erscheinenden Texte über Baumaterialien und Neuentwicklungen auf diesem Gebiet. Um die Jahrhundertwende gliederte die Deutsche Bauzeitung die bau- und ingenieurstechnischen Themen dann vermehrt in Sonderbeilagen aus, so etwa die »Mitteilungen über Zement, Beton- und Eisenbetonbau«.
Zuletzt fielen uns noch aus heutiger Sicht eher kuriose Themen auf. Ein langer Artikel mit der Überschrift »Der Festschmuck Dresdens zur Jubelfeier des Wettiner Herrscherhauses« gehört in diese Kategorie.
Vorbildliche Kritik
Wie sah Architekturkritik am Ende des 19. Jahrhunderts aus? Wie waren die Texte strukturiert? Was fand Erwähnung? Wir untersuchen beispielhaft einen 1889 erschienenen Bericht über »Die Kirche zum Heiligen Kreuz« im Berliner Bezirk Kreuzberg. Dieser Kirchenneubau fand seinerzeit aus architektur- und religionspolitischen Gründen große überregionale Beachtung. Und so verwundert es nicht, dass zunächst auf die lange Vorgeschichte des Baus, inklusive der direkten Beteiligung des preußischen Königshauses eingegangen wurde. Man vergaß dabei auch nicht zu erwähnen, wie ungewöhnlich es doch sei, dass ein wichtiger hauptstädtischer Kirchenbau – auf Allerhöchsten Wunsch hin – an einen auswärtigen Architekten, nämlich Johann Otzen aus Hamburg, vergeben worden sei.
Im Text folgt dann eine nüchterne, spürbar um Objektivität und Vollständigkeit bemühte Beschreibung des Gebäudes mitsamt genauen Maßangaben, die sich wie ein Exzerpt aus einem Dehio Handbuch Deutscher Kunstdenkmäler liest. Es geht dabei in vorbildlicher Manier vom Großen zum Kleinen und von außen nach innen. Konstruktive Details werden erwähnt, wo es sinnvoll ist. Es mündet in eine Analyse und Bewertung der künstlerisch-gestalterischen Qualitäten des Gebäudes, die wohlwollend ausfällt und doch leise Kritik formuliert. Schließlich geht es noch um Fragen der Haustechnik, um die am Bau beteiligten Firmen sowie die Baukosten und wie sie gedeckt wurden. Im Resümee wird kurz auf die positive Resonanz beim Fachpublikum und in der Bevölkerung hingewiesen. Der Aufbau des Texts mag uns heute ein wenig schematisch anmuten, sachlich aber ist da schon alles drin, was wir uns von einer guten Architekturkritik erwarten.
Weltausstellung 1889
Eher selten wird in der Deutschen Bauzeitung über Projekte außerhalb des deutschsprachigen Raums geschrieben. 1889 aber fand die Weltausstellung in Paris statt und um dieses Thema kam man nicht herum. Eher zögerlich, im Juni, begannen die Berichte aus Paris. Das ging freilich nicht ohne eine lange allgemeine Vorrede, in der auf die schwindende Ausstrahlung der französischen Nation hingewiesen wurde: »Das französische Volk ist für uns Deutsche schon lange nicht mehr das, was es einst, und zwar mit theilweiser Berechtigung, gewesen ist: ein ideales Volk, dem wir möglichst in allen Stücken nachzueifern hätten. Nein, diese Zeiten sind vorbei!« Da wird dem zeittypischen Nationalismus, zu dem in Deutschland die »Erbfeindschaft« mit Frankreich gehörte, unverhohlen Raum gegeben. Im weiteren Verlauf des Texts kann der Autor aber trotz seiner sehr kritischen Grundhaltung nicht umhin, einzelne Bauwerke zu würdigen. Von der legendären Maschinenhalle heißt es am 29. Juni etwa: »Diese viel bewunderte Halle, von der mit Staunen weiter erzählt wird, dass sich 30 000 Mann Soldaten (sic!) bequem darin lagern könnten, ist neben dem Eiffelthurm allerdings ein sehr bemerkenswerthes Bauwerk.« Nachdem die gewaltigen Dimensionen der Halle einzeln aufgezählt und die Konstruktion kurz erklärt wurde, liest man weiter: »Bei seinen großen Abmessungen verschwindet nämlich die Eisenkonstruktion, die man sonst in derartigen Hallen allzu sehr bemerkt, hier fast ganz; man sieht nur den ungeheuren Raum. Da die Giebelseiten recht geschmackvoll dekoriert und sogar mit sehr wirksamen Glasmalereien versehen sind, wird der Eindruck des Bauwerks sogar zu einem beinahe feierlichen erhoben.« Man spürt förmlich, wie der Autor sich dieses »beinahe« in den Text zwingen musste, um nicht als Franzosenfreund zu gelten. Umso überraschter nehmen wir das Ende der Artikelserie zur Kenntnis: »(…) und somit ist, Alles in Allem, die Weltausstellung des Jahres 1889 eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, welche sich anzusehen für jeden Fachmann aus dem Gebiete des Bauwesens im höchsten Maaße lohnt«. Wir sehen, da ist jemand zuletzt doch noch glücklich über seine Ressentiments und Vorurteile gesprungen!
Konservativer Schwenk
Während sich die Deutsche Bauzeitung in den 1880er Jahren noch als Forum für die Diskussion über Stilfragen präsentierte, in der auch vorsichtige Kritik am Eklektizismus und der zeittypischen Verzierwut mancher Architekten geäußert werden durfte, schwenkte man am Ende des 19. Jahrhunderts offensichtlich ins konservative, reformkritische Lager. Als um 1900 in Deutschland der Jugendstil erstarkte, konnten das die Leser der Deutschen Bauzeitung, wenn überhaupt, nur am Rande bemerken. Die Ausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe von 1901, mit berühmten Häusern von Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich, die als ein Höhepunkt dieser architektonischen Reformbewegung gilt, fand, soweit wir sahen, keinen Niederschlag im Blatt. Auch zu Peter Behrens bekannter AEG-Turbinenhalle in Berlin Moabit von 1909 suchten wir vergeblich einen Text.
Wie war das 1914, als in Köln die große Werkbund-Ausstellung stattfand?
Auch dieses architekturgeschichtlich bedeutende Ereignis wird im Blatt beharrlich beschwiegen. Stattdessen konnte man einen langen Bericht über die Deutsche Gartenbau-Ausstellung in Altona lesen und einen nicht enden wollenden Text über den von Ernst von Ihne entworfenen neobarocken Neubau der Preußische Staatsbibliothek zu Berlin. Über diesen letzten vollendeten wilhelminischen Prunkbau, bemerkte das Blatt mit patriotisch geschwollener Brust, dass Deutschland jetzt den weltgrößten und modernsten Bibliotheksbau besitze, der die Konkurrenz in Paris und London weit hinter sich lasse.
1914 — Ein Gipfel der Verblendung
Am 1. August 1914 begann für Deutschland der Erste Weltkrieg. Die deutsche Armee fiel völkerrechtswidrig im neutralen Belgien ein und brach den Widerstand der Belgier mit großer Brutalität. Besonders die Zerstörung der Stadt Löwen, die von deutschen Truppen mitsamt all ihrer Kulturgüter, u. a. der berühmten Universitätsbibliothek, Ende August 1914 in Brand gesteckt wurde, stieß international auf scharfe Kritik. Deutschlands Ruf als Kulturnation war ernsthaft und nachhaltig beschädigt. Die Deutsche Bauzeitung reagierte beachtlich schnell. Am 9. September machte sie mit einem Artikel auf, der mit »Belgien und der Krieg« überschrieben war. Wir zitieren die ersten Sätze: »In den Freudenbecher des unaufhaltsamen Siegeszuges unserer herrlichen Armee ist für den Kunstfreund ein bitterer Wermutstropfen gefallen. Politische Verblendung hat ein reiches blühendes Land in tiefes Unglück gestürzt. Krieg und Tod, Vernichtung und Not sind da eingezogen, wo bis vor kurzem emsige Arbeit eine Fülle des Segens brachte und die seltenste Kunst sorgsamste Pflege fand. Aber neben der höchsten Kunstentfaltung, die menschlichem Können je gegeben war, steht der schändlichste Verrat und schonungslos hat die strafende Vergeltung gewaltet.«
Noch mehr als 100 Jahre später liest man solch eine perfide Verdrehung der Tatsachen, die mit patriotischer Verblendung kaum zu entschuldigen ist, mit Abscheu und Beschämung. Interessant und vielsagend ist, dass die Zeitschrift in den folgenden Monaten eine lange Artikelserie über belgische Architektur- und Kunstdenkmale publizierte – gerade so, als plage einen doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen und als wolle man der Welt beweisen, wie kunstsinnig und gebildet man trotz der in Belgien verübten Kriegsverbrechen doch eigentlich ist.
Patriotisch gab sich das Blatt, das ununterbrochen erscheinen konnte, den gesamten Krieg über. Jede Ausgabe begann mit einem schwarz umrahmten Kasten, in dem, unter der Überschrift »Für das Vaterland« den gefallenen Fachgenossen gedacht wurde. Das ist nicht ohne Würde und illustriert am Beispiel der Architektenschaft auf eindrucksvolle Weise, welch einen erschreckenden Blutzoll der Krieg forderte.
Ermattung
Deutschland Ende 1918: Der Krieg ist zu Ende und verloren. Der Kaiser dankt ab, das Land wird Republik, die Not ist groß. Kunst und Kultur aber blühen auf, viel ist in Bewegung. 1919 wird in Weimar das Bauhaus gegründet. Deutschland macht sich auf den Weg in die Moderne. Und die Deutsche Bauzeitung? Keine Spur von Neuanfang und Aufbruch. Keine Spur von Umdenken und Selbstkritik. Das Blatt wirkt ermattet und seltsam orientierungslos. Mangels neuer Projekte – jahrelang wird ja kaum gebaut im Land – wälzt man alte, noch im Krieg entstandene Bauten aus und publiziert allgemeinere Texte, kunstgeschichtliche Aufsätze und Überlegungen zum Städtebau, etwas Bautechnik. Die konservative Grundhaltung, die man gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingenommen hatte, blieb bestehen.
Le Corbusier der Fanatiker
Was sagt man zum Bauhaus und zum Neuen Bauen? Einen Artikel über das 1925/26 errichtete Bauhaus-Gebäude in Dessau sucht man lange vergeblich. Erst im Frühjahr 1927 bequemt man sich zu einem längeren Bericht, in dem auch die Meisterhäuser behandelt werden. Der Versuch, die Sache neutral und möglichst objektiv anzugehen, missglückt. Die Kritik, die harsch ausfällt und nicht ohne Häme, zeigt v. a. eins: man kann und will die Modernen nicht verstehen. Man fühlt sich durch deren bloße Existenz angegriffen und in die Enge getrieben.
Wie sehr, zeigen die Reaktionen auf die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung, die gleich zwei Mal, im Juli und im November, zum Thema gemacht wird. Während der erste Text noch die sachliche Auseinandersetzung suchte, offenbart der zweite Artikel, der unter der Überschrift »Neues Bauen« (im Original auch in Anführungszeichen gedruckt) die Haltung des Blatts ganz ungeschminkt. Besonders hart geht der Berichterstatter, ein Regierungsrat a. D. mit Le Corbusiers Arbeiten ins Gericht. Unter dem Zwischentitel »Protest bis zum Äußersten« heißt es, anfänglich noch auf die Ausstellung als Ganzes bezogen: »Mit radikalem Fanatismus ist alles Hergebrachte vermieden, jeder Wandschmuck verpönt und bei le Corbusier, dem fanatischsten der Künstler, auch auf jede Wohnlichkeit in jeder Form, jede Raumbildung, die Ruhe oder Harmonie vermitteln könnte, verzichtet. (…) Mit Ausnahme des Dachgartens, wo an der Schönheit von Aussicht, Blumen und Himmel eben nichts zu ändern ist, verbindet das Haus mit der Engigkeit und Brutalität eines Zuchthauses die röhrenstarrende Nüchternheit eines dunkelwandigen, ungepflegten Maschinenraumes und die hygienische Spülsteinstimmung einer Molkerei. (…) Die Brutalität der hohen, völlig ungegliederten, klotzhaften, auf dünnen Eisenstielen stehenden Baumassen wirkt wie der Schrei eines an der Häßlichkeit der Welt verbitterten Künstlers, der aus einer im Grunde grausamen Zivilisation die verlogenen Polster herausreißt und den zivilisierten Stall baut für die Menschenbestie, wie sie ist, oder wie er sie sieht.«
Man würde es gerne mit Humor nehmen, aber vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung bleibt einem da doch das Lachen im Hals stecken. Hinter einer sorgsam gepflegten bildungsbürgerlichen Fassade zeigt sich hier eine ressentimentgeladene Gehässigkeit, die einem sachlichen Diskurs längst nicht mehr zugänglich ist. Da ist, sechs Jahre vor der Machtergreifung der Nazis, die Sprache des Dritten Reichs schon vollständig entwickelt.
1933 — zügige Gleichschaltung
In den letzten Jahren der Weimarer Republik schien sich das Blatt mit der Moderne arrangieren zu wollen. Man nannte sich jetzt »DBZ Deutsche Bauzeitung. Illustrierte Wochenschrift für Baugestaltung, Bautechnik, Stadt- und Landplanung, Bauwirtschaft u. Baurecht« und gab sich ein frisches Layout mit einer serifenlosen Typo. Stolz verzeichnete man prominente Architekten als »Mitarbeiter der Herausgeber«. Wir lesen hier Namen wie Bartning, Fahrenkamp, Poelzig und Schumacher. Das blieb so bis zum Heft 11 1933, das am 15. März erschien. Mit Heft 12, das am 22. März publiziert wurde, verschwinden diese Namen spur- und kommentarlos – ein erstes Zeichen der Gleichschaltung.
Welcher Wind von nun an wehen sollte, offenbarte sich dann in aller Deutlichkeit in Heft 27, vom 5. Juli 1933. Der Hauptartikel ist der »Führertagung der Deutschen Architekten und Ingenieure« in Weimar gewidmet, bei der der bereits gesäuberte Berufsstand auf Linie gebracht wurde. In der folgenden Nummer wird ein Vortrag von Schultze-Naumburg abgedruckt, der die besagte »Führertagung« abschloss. Er trug den vielsagenden Titel »Blutgebundene oder zeitgebundene Kunst« und argumentierte ganz unverhohlen mit der kruden Rassenbiologie der Nazis. Ein unsäglicher Text, der mit einem Loblied auf die SA endete, die, so Schultze-Naumburg, »die Wesenszüge des kommenden deutschen Menschen« aufzeige. Sie sei, heißt es weiter »stahlhart, mit heldischer Gesinnung, aufrecht, stolz auf ihre Herkunft und bekennt sich für deutsches Wesen. Diese Gesinnung auszudrücken ist die Zukunftsaufgabe der deutschen Künstler«.
Im März 1933, das wusste Schultze-Naumburg so gut wie jeder andere, konnte es freilich keinen Zweifel mehr geben über den wahren Charakter dieses verbrecherischen Schlägertrupps.
Nischen
Wir wissen natürlich, auch in der Nazizeit gab es Nischen, in denen, jenseits von Staatsmonumentalismus und Heimattümelei, gute Architektur entstand: Einfamilienhäuser, Industrie- und Ingenieurbauten. Bisweilen finden sich Beispiele dafür auch in der Deutschen Bauzeitung, die sich mittlerweile als »Wochenschrift für nationale Baugestaltung« bezeichnete. Dominierend sind freilich die offiziellen oder zumindest offiziösen Bauten, die die Ideologie des Regimes transportierten. Für Kritik war dabei ebenso wenig Platz, wie für eine offene Fachdiskussion. Selbst der Blick ins Ausland war einer durch die braune Brille. Ein 1937 erschienener Bildbericht über zeitgenössische Architektur in Finnland zeigt nicht eine Arbeit von Alvar Aalto, der in seiner Heimat damals längst zur beherrschenden Figur aufgestiegen war. Und bei den Berichten über die Pariser Weltausstellung von 1937, in deren Mittelpunkt selbstredend Speers auftrumpfender Ausstellungspavillon stand, wurde alles herausgefiltert, was nicht auf der Parteilinie lag. Ob das unter äußerem Zwang geschah oder mit innerer Überzeugung müssen wir dahingestellt sein lassen.
Im September 1939 brach Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg vom Zaun und die Deutsche Bauzeitung feierte mit einer langen Bildstrecke die Neue Reichskanzlei, die sich Hitler von seinem Lieblingsarchitekten Speer hatte errichten lassen. Es war nicht anders zu erwarten.
Eher unerwartet dürfte für die Leserschaft der Deutschen Bauzeitung gewesen sein, was sie am 30. Dezember 1942 unter der Überschrift »An alle Freunde unserer Zeitschrift!« zur Kenntnis nehmen musste: »Die Kriegswirtschaft erfordert stärkste Konzentration aller Kräfte. Diese Zusammenfassung macht es notwendig, dass unsere Zeitschrift mit dem heutigen Tage bis auf weiteres ihr Erscheinen einstellt, um Menschen und Material für andere, kriegswichtige Zwecke freizumachen. (…) Mögen nach siegreicher Beendigung dieses Krieges alle Freunde unserer Zeitschrift sich zu neuem Schaffen zum Nutzen der deutschen Baukunst zusammenfinden.« Dieser Wunsch, wir wissen es, ging nicht in Erfüllung. Die Geschichte der Deutschen Bauzeitung, die über viele Jahrzehnte ein führendes Fachblatt gewesen war, fand damit ein vorläufiges, abruptes Ende.
Ein Neuanfang?
Im Oktober 1948 erschien in Stuttgart bei der Deutschen Verlags-Anstalt »Die Bauzeitung vereinigt mit der Süddeutschen Bauzeitung München, Süddeutscher Baugewerkszeitung und Deutscher Bauten-Nachweis.« Im Untertitel bezeichnete man sich als »Fachzeitschrift für das gesamte Bauwesen.« Die Vorgeschichte dieser Publikation geht auf das Jahr 1904 zurück. Damals wurde das Blatt als »Württembergische Bauzeitung« gegründet. In den folgenden Jahrzehnten gab es mehrfache Namenswechsel und Zusammenschlüsse mit diversen anderen Publikationen. In den 20er und 30er Jahren gelang es, sich als führende Fachzeitschrift im gesamten süddeutschen Raum zu etablieren. Der Schriftleiter H. P. Eckart, der in der Nachkriegszeit die Neugründung des Blatts betrieb, war seit 1925 mit der Zeitschrift verbunden. Im Editorial schrieb er, der Fokus sei auf den südwestdeutschen Raum gerichtet. Und so war es.
Was wurde publiziert? Neben grundsätzlichen Texten, etwa über »Die Lage in der Bauwirtschaft« oder »Wahrheit im Städtebau«, stand die Wiederaufbauplanung im Mittelpunkt der Berichterstattung. Vielfach wurden städtebauliche Wettbewerbe dokumentiert, die die These von der Kontinuität von Architektur und Städtebau über 1945 hinweg aufs Schönste bestätigen. Ein häufig behandelter Themenkreis war daneben der preisgünstige, materialsparende Wohnungsbau, mit dem der akuten Raumnot in der Nachkriegszeit abgeholfen werden sollte. Bisweilen wagte man einen zaghafter Blick über die Grenze in die Schweiz oder nach Dänemark und Belgien. Insgesamt betrachtet, präsentierte sich das grafisch völlig uninspiriert aufgemachte Blatt als biedere, in negativem Sinn provinzielle Publikation, die weder intellektuell noch gestalterisch auf der Höhe der Zeit stand. Das zeigte sich beispielhaft, als im Dezember 1949 über die in Stuttgart gezeigte Bauausstellung »Wie wohnen? – Bautechnik, Möbel, Hausrat« berichtet wurde, auf der u. a. Möbel von Hugo Häring und Egon Eiermann gezeigt wurden. Über die Arbeiten des Letzteren heißt es da: »Besonders eigenartig sind die Möbel und Wohnungsentwürfe von Professor Egon Eiermann von der Technischen Hochschule Karlsruhe, der unter anderem – dies sei als Kuriosität erwähnt – eine polierte Baumschwarte (sic!) als Blumentisch verwendet und eigenartige runde Korbmöbel zeigt.« Das zeigte sich auch an der ungebrochenen und unkritischen Wertschätzung von Paul Schmitthenner, dessen tiefe Verstrickung mit den Nazis man für entschuldbar hielt, weil er ja deren Monumentalarchitektur abgelehnt hätte. Von wegen Neuanfang!
Übernahme der Verlags- und Namensrechte
1951 konnte »Die Bauzeitung« die Verlags- und Namensrechte der mit Abstand ältesten deutschen Fachzeitschrift, der Deutschen Bauzeitung, erwerben. 1951 und 1952 erschien man unter dem Titel »Die Bauzeitung, vereinigt mit Deutscher Bauzeitung und Süddeutscher Bauzeitung«. 1953 bis 1959 firmierte das Blatt unter »Die Bauzeitung – Deutsche Bauzeitung«. 1960 schließlich nannte man sich erstmals »db Deutsche Bauzeitung« und im Untertitel »Fachzeitschrift für Architektur und Bautechnik«. Die alte Jahrgangszählung der Deutschen Bauzeitung wurde übernommen.
Mit der Namensänderung veränderte sich auch der Fokus der Zeitschrift. Die anfängliche Beschränkung auf den süddeutschen Raum fiel weg. Die Leserschaft erweiterte sich entsprechend. Dass der Ort von Verlag und Redaktion den Charakter des Hefts bis heute beeinflusst und mitprägt, kann und soll nicht bestritten werden.
Der holprige Weg zurück zur Moderne
Ganz allmählich findet man in den 50er Jahren den Weg aus Nachkriegsmief und provinzieller Beschränktheit. Junge Kräfte in der Redaktion wagen immer öfter den Blick über die Grenze. Amerika wird entdeckt. Plötzlich tauchen Häuser von Marcel Breuer im Heft auf. Und Eiermanns Projekte werden nicht länger als »eigenartig« abqualifiziert. Es fällt freilich auf, dass – womöglich um alte Gräben nicht wieder aufzureißen – im Heft nur wenig inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet. Die Auswahl der Projekte erscheint etwas willkürlich, die Berichterstattung ist bildlastig, die Begleittexte sind entsprechend kurz und rein informativ gehalten. Architekturkritik im eigentlichen Sinn, findet so gut wie nicht statt. Die grafische Aufmachung wird ein wenig frischer, hinkt aber noch immer der Zeit hinterher. Ende der 50er Jahre tauchen sporadisch die ersten Farbaufnahmen auf. Das allein macht freilich noch kein gutes Blatt.
Zäsur 1960
Endlich, im Januar 1960, können wir aufatmen. Die db Deutsche Bauzeitung ist wieder in der Spur. Ein grafischer Relaunch markiert das schon äußerlich. Das Titelfoto, es zeigt das Haus Staehelin von Marcel Breuer, verweist auf den Heftinhalt. Es geht um Einfamilienhäuser. So ist es von da an: Es gibt einen Themenschwerpunkt in jedem Heft und der Titel steht dazu in Beziehung. Das von Gerhard Schwab verfasste Editorial vom Jan. 1960 erklärt das zukünftige Programm und Selbstverständnis der Zeitschrift:
»Die Deutsche Bauzeitung, die im Januar 1960 in vergrößertem Format erscheint, folgt im 65. Jahrgang neuen Ideen. Den vielfältigen Strömungen in der Architektur unserer Zeit nachzuspüren, sie durch Publikation und Diskussion aufzugreifen und weiterzugeben ist als Aufgabe wie als Pflicht gleichermaßen bedeutungsvoll. So wird sich die Zeitschrift der Dokumentation baukünstlerischen Schaffens, der Besprechung der Zeugnisse des Modernen Bauens, der Weitergabe von Erfahrungen, der Darstellung heutiger Entwurfs-, Form- und Konstruktionsprobleme und ebenso der unendlichen Vielzahl technischer Erfordernisse des Bauens widmen.«
Wir würden das heute etwas anders formulieren und vielleicht da und dort eine Ergänzung vornehmen. Im Kern aber entspricht dieses Programm unseren Vorstellungen. Hier erkennen wir eine Tradition, auf die wir uns gerne beziehen.
Die 70er Jahre — bunter und politischer
In den 70er Jahren setzt die db deutsche bauzeitung den in den 60er Jahren begonnenen Kurs fort. Man ist am Puls der Zeit, wird bunter, poppiger, aber auch politischer. Eine Serie widmet sich dem »Bauen in der Dritten Welt«. Soziologische Themen drängen ins Heft, oft verbunden mit komplexen Bauaufgaben: Großsiedlungen, Universitätsbauten und natürlich mit dem seinerzeit heftig diskutierten Thema der Stadtsanierung. Im Kampf zwischen Kahlschlagsanierern und behutsamen Stadterneuerern schlägt man sich vorsichtig auf Seiten der Letzteren. Implizit zumindest, indem man den Wert der Altstädte herausstellt und wie etwa in Heft 1/1974 über die Sanierungspraxis in Polen berichtet. Eher neutral bleibt man in dem sich verschärfenden Konflikt zwischen Spät- und Postmoderne. Dem Anspruch aber, die verschiedenen Strömungen in der zeitgenössischen Architektur dar- und zur Diskussion zu stellen, wird man gerecht. Der Serviceteil erfährt einen weiteren Ausbau. Die Rubriken werden neu geordnet bzw. neu benannt. Aus db-Haus wird db-innen, aus db-technik und db-detail wird db-baupraxis. Unter db-kaleidoskop werden vermischte Meldungen zusammengefasst: Architektenrecht, Honorarfragen, Ausbildungsthemen und – wir erinnern uns an die Ölkrise – Energiediskussion. Großer Beliebtheit erfreut sich nachweislich die monatliche Serie »Bauschaden des Monats«.
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