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Architecture Matters 2023

Second City – Über das Neue im Alten
Architecture Matters 2023

Second City: Wieviel Neues steckt im Alten? Eine Stadt, nicht glänzend und poliert, nicht stetig durch Neubauprojekte aufgehübscht, sondern mit Vorhandenem weitergedacht? Eine Stadt, in der Abfall zum neuen Baustoff wird und Neubau nur noch Ausnahme sein darf?

Architecture Matters, die internationale Konferenz zur Zukunft von Architektur und Stadt, machte in ihrer siebten Ausgabe den Bestand zum Thema und betrachtete die Postulate Reduce, Reuse, Recycle und zirkuläres Bauen auf verschiedenen Maßstabsebenen, von der städtischen bis zum Material. Am 4. und 5. Mai 2023 sprachen herausragende Gäste aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Architektur über den Wandel in unseren Städten, an dem niemand mehr vorbeikommt.

Opening

Zeitenwende – The Bigger Picture. Bei fantastischer Aussicht aus dem 15. Stock des Hilton Munich Park wurde beim Opening am 4. Mai bewusst der großen Perspektive und den aktuellen Umbrüchen Raum gegeben: Klimawandel, geopolitische Neuordnung China – USA – Russland, deren Auswirkungen auf unsere Städte und uns alle. Julian Nida-Rümelin, Philosoph, Autor und ehemaliger Kulturstaatsminister, führte den Gästen eindringlich die (prä-)historischen Pfeiler vor Augen, auf denen sich unsere aktuellen Herausforderungen aufbauen. Vor diesem Hintergrund sprach er sich klar gegen deren apokalyptische Überhöhung aus und für den Mensch als Autor seines Lebens, der individuell und kollektiv seine Bedingungen gestaltet.
Mit ihrem Impuls „Wir können weglassen, was die Welt nicht verbessert“ umriss die Stadtbaurätin Münchens, Elisabeth Merk, die komplexen Motivationen, die die Planungsprozesse einer Stadt bewegen – verbunden mit einem starken Plädoyer für mehr Governance, weniger rechtliche Rahmen; mehr Gesetze für das „ob“, weniger für das „wie“. Digital ging es mit dem abschließenden Vortrag von Muck Petzet, Professor für Sustainable Design an der Accademia di Architettura USI in Mendrisio, weiter. „Lieber ein vertrautes Unglück als eine wirkliche Veränderung.“, damit verabschiedete sich Muck Petzet, der sich bei seinen Projekten stets auf minimale Intervention konzentriert. Mit Musik, Drinks und spannenden Gesprächen genossen die Gäste den Blick auf die inzwischen in Dämmerung getauchte Stadt.

Konferenz

Neubau als Ausnahme? „Abfall“ als neuer Baustoff? Bezahlbarer Wohnraum versus Klimaschutz? Wie gestalten wir den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden? Wie rechnen wir die graue Energie ehrlich? Wie funktioniert CO2-freier Beton? Welche Erkenntnisse sind neu, wo entdecken wir altes Wissen für morgen? Und wie gestalten wir diesen komplexen Veränderungsprozess gemeinsam?

Den einzelnen Themenblöcken vorab legte Martha Thorne, Ehrenprofessorin an der IE School of Architecture & Design in Madrid, Mitglied der IE international Advisory Board und ehemalige ausführende Direktorin des Pritzker-Preises, die Entwicklungstendenzen der zeitgenössischen Stadtplanung aus internationaler Sicht dar. Wer sind die heutigen „Agents of Change“ – im Gegensatz zu der Kultfigur des Stararchitekten, wie es vor nicht allzu langer Zeit noch der Fall war? Sind es eher die Kollektive, die Gruppen, in denen einzelne Personen miteinander agieren, anstatt gegeneinander zu konkurrieren? Zur Frage der individuellen Verantwortung schloss Chris Luebkeman, Leiter des Strategic Foresight Hub an der ETH Zürich als Respondent sein kurzes Statement an, um im weiteren Verlauf der Konferenz über die zukünftige Bedeutung der Bildungseinrichtungen und Institutionen im Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel zu sprechen.

Als Einschnitt und bewusster Bruch folgte der Vortrag des internationalen Fotojournalisten und Pulitzer Prize-Gewinners Sergey Ponomarev – ein Blick auf das aktuelle Weltgeschehen jenseits unserer westlichen Perspektive. Mit Fotos der Proteste in Syrien, Ukraine (Maidan) und in Russland (gegen die Verhaftung Alexei Nawalnys im Februar 2021) führte er eindringlich vor Augen, dass Demokratie ein Wert ist, für den wir uns täglich einsetzen müssen, und schlug damit einen thematischen Bogen zum Opening am Vorabend.

In der Session „Graue Energie“ wurde es umso konkreter. Matthias Alexander, stellvertretender Ressortleiter des Feuilletons der FAZ, legte in seiner scharfen, konzentrierten Rede die Positionen der einzelnen städtischen Akteure und die daraus entstehenden Zielkonflikte dar. Es folgten ebenso präzise wie kraftvolle Statements von Markus Wiedenmann, Co-Founder und CEO der Art-Invest Real Estate, Charlotte Selter, Abteilungsleiterin Stadtentwicklung und Stadterneuerung LH Düsseldorf, sowie Jeanne-Marie Ehbauer, Baureferentin der LH München. Anschließend diskutierten sie gemeinsam mit Christian Meister, Managing Director Hines Germany, Tobias Sauerbier, Vorstandsmitglied der SIGNA Prime Selection AG und der SIGNA Development Selection AG, sowie den Moderatoren Jan Friedrich, Bauwelt, und Nadin Heinich über notwendige Entwicklungsstrategien für unsere Städte, den aktuellen Umgang mit dem Bestand, eine ehrliche Berechnung der grauen Energie sowie den Einfluss der EU-Taxonomie als mächtigem Treiber städtischer Transformation.

Nach der Pause folgte die Session zum wohl umstrittensten Baustoff unserer Zeit, dem Beton, moderiert von Sabine Georgi, Direktorin des ULI, und Nadin Heinich. Überleitend zur vorherigen Session widmete sich Tobias Nolte, Certain Measures, in einer inspirierenden Lecture der Frage, was es wirklich bedeutet, mit „Abfall“ bzw. Reststoffen zu entwerfen. Wie verändert sich unser Designverständnis und unser Verständnis von Schönheit? Was sind die neuen Gradmesser, mit denen Fortschritt gemessen wird? Nach Impulsen von Wolfgang Rieder, Eigentümer der Rieder Group und Pionier bei der Entwicklung CO2-armer Fassadenelemente, sowie Jürgen Büllesbach, promovierter Ingenieur und Geschäftsführer von OPES, der Beton genauer unter die Lupe nahm, erläuterten junge Startups ihre Ideen des nachhaltigen Bauens, insbesondere mit Beton: Anh Hoang Nguyen, alcemy, Obel-Award Gewinner Sam Draper & Barnaby Shanks, Seratech, sowie Annabelle von Reutern, Concular.

Vom Alten zur Zukunft – einer Zukunft, die sich aus unserer Geschichte ableitet und die wir selbst bewusst und nachhaltig gestalten. Hier kam Chris Luebkeman erneut ins Spiel, um über die Neuausrichtung unserer Bildung nachzudenken. Mit leidenschaftlichem Engagement widmete sich Philipp Block, Professor und Leiter der Block Research Group an der ETH Zürich, der Neuentdeckung alter Konstruktionstechniken mittels digitaler Tools, um so neue, materialsparende Konstruktionen zu entwickeln. Besonders beeindruckte, wie er vor dem Hintergrund der Spitzenforschung an der ETH Zürich den Blick für das große Ganze beibehält – wir in Europa sind nur ein sehr kleiner Teil der Welt, der meiste Beton wird jedoch auf anderen Kontinenten verbaut. Direktor und Chefredakteur der internationalen Architekturplattform ArchDaily David Basulto moderierte das gemeinsame Gespräch über die Potentiale der Verbindung von Alt und Neu, von Hightech und Lowtech.

Nach diesen Sessions voller Einblicke in die Welten unterschiedlicher Akteure fehlte vielleicht nur noch eines – die Ironie. Diese gibt es reichlich im frisch erschienenen Buch von Reinier de Graaf, Partner bei OMA, Rotterdam. “architect, verb“ ist eine satirische Abhandlung mit der PR-Sprache der Berater, Entwickler und Planer – all derer, die genau wissen, wie wir in Zukunft bauen sollen, weil sie es nicht selbst umsetzen müssen. Warum zu viel auf dem Spiel steht, um Architektur den Architekten zu überlassen – darum drehte sich das Gespräch zwischen Reinier de Graaf und Martha Thorne. “The quest of the book is for architecture to be architecture again, written in the sincere hope that, in ridding it of unsolicited baggage, our profession might one day re-emerge as an independent and critical discipline.”

Architecture Matters wurde 2016 von Nadin Heinich initiiert. Vom 4. bis 5 Mai 2023 fand die siebte Ausgabe im Tucherpark sowie im Künstlerhaus München statt.

www.architecturematters.eu

 

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