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Verantwortung für Biodiversität übernehmen

Ein Kommentar von Dr. Christine Lemaitre, DGNB
Verantwortung für Biodiversität übernehmen

Verantwortung für Biodiversität übernehmen
Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V. , Foto: DGNB
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Der Bausektor trägt nicht nur beim Klimaschutz eine große Verantwortung, auch beim Schutz der Biodiversität stehen wir klar in der Pflicht, zu handeln.

Neben dem Klimawandel zählen Landnutzungsänderungen, Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung zu den Hauptursachen für den Rückgang der biologischen Vielfalt. Alles Faktoren, an denen unsere Branche direkt beteiligt ist und die es im besten Sinne zu beeinflussen gilt. Die Auswirkungen, die der dramatisch voranschreitende Verlust der Biodiversität auf uns Menschen hat, wurde lange unterschätzt. Experten warnen längst vor dem sechsten Massensterben, das, im Gegensatz zu den vorherigen, einzig und allein von uns selbst verantwortet wird. Zu befürchten ist, dass bei weiterem Fortschreiten ein Leben auf der Erde langfristig nicht möglich ist, was uns ganz offensichtlich stärker treffen wird als die Klimakrise, die lediglich unsere Lebensumstände negativ verändert. Vielleicht waren wir Bauschaffenden bislang einfach überfordert mit dem Thema. Nehmen wir dagegen den Klimaschutz. Allein durch die Möglichkeit, CO2-Emissionen zu berechnen, ist dieser für viele vermeintlich greifbarer und konkreter. Ob diese Rechnung am Ende nun richtig oder falsch ist, scheint oft ohnehin keine Rolle zu spielen. Biodiversität ist dagegen komplexer. Der Schutz der Artenvielfalt, der Erhalt und die Wiederherstellung von Ökosystemen lassen sich eben nicht so schön ingenieursmäßig berechnen. Dabei reden doch alle immer von komplexen Systemen. In diesem Fall sind diese offensichtlich doch nicht gewünscht, so zumindest der Eindruck der letzten Jahre.

Ohne Frage, die Förderung der Biodiversität und ganz wichtig auch deren Erhalt will gekonnt sein und lässt sich nicht mal eben so über Nachhaltigkeits-Features am Gebäude herstellen. Hier ist die Bereitschaft für ein vorausschauendes Denken und langfristiges Handeln unabdingbar. Möglichkeiten, die am Ende vielleicht doch gar nicht so komplex sind, gibt es aber zur Genüge. Es gibt zahlreiche Wege, auf Grundstücken und an Gebäuden naturnahe Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten zu schaffen und entsprechend Verantwortung zu übernehmen. Angefangen bei wasser- und luftdurchlässigen Grünflächen am Gebäude über das Gründach bis hin zu den richtigen Baumaterialien und in die Fassadengestaltung integrierte Nistkästen.

Bei der DGNB haben wir das Thema Biodiversität seit 2018 in den Kriterienkatalogen unserer Zertifizierungssysteme integriert und bieten zur weiteren Sensibilisierung nun auch ein System einzig für biodiversitätsfördernde Außenräume. Die darin enthaltenen Maßnahmen wurden zusammen mit der Bodenseestiftung und weiteren Expertinnen und Experten entwickelt. Schauen Sie mal rein, es gibt praxistaugliche Hilfestellungen, um im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses aktiv mitzuwirken. Und im Gegensatz zu den meist eher technischen Maßnahmen zur Energieeffizienz und einem reduzierten CO2-Ausstoß sind die Auswirkungen der Maßnahmen im Bereich Biodiversität für den Nutzenden schnell und direkt spürbar. Wer freut sich nicht über eine naturnah gestaltete Außenfläche, sinnvoll eingesetztes Grün an der Fassade oder das intensiv begrünte Dach? Naturerlebnisse haben immer eine positive Wirkung auf die körperliche und psychische Gesundheit von Menschen. Aber es geht noch weiter. Wer es ernst meint und dazu beitragen will, den Verlust der Biodiversität nicht nur aufzuhalten, sondern auch umzukehren, muss unsere gebaute Umwelt ganzheitlich betrachten. Neben dem eigenen Bauvorhaben müssen gerade auch die Lieferketten und der Flächenverbrauch generell in den Fokus genommen werden.

Das Biodiversitätsabkommen, das die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention im Dezember 2022 zur 15. Weltnaturkonferenz im kanadischen Montreal beschlossen haben, ist hier ein wichtiger Meilenstein für die Weltgemeinschaft. Darin wird einmal mehr deutlich, dass sich Biodiversität nicht oder eben nur in Maßen berechnen und planen lässt. Biodiversitätsschutz bedeutet auch, echten Naturschutz zu leisten – sowohl an Land als auch in den Meeren. Naturschutz bedeutet manchmal auch, einfach in Ruhe lassen und der Natur dadurch die Gelegenheit zu geben, sich selbst zu heilen. Denn das ist die Kraft und die Faszination der Natur.

Noch ist das Selbstheilungspotenzial der Erde vorhanden. Wenn wir das endlich begreifen und einfach zulassen, dürfen wir die so dringend notwendige Zunahme der Biodiversität in den kommenden Jahren miterleben. Und das ist der große Unterschied zum Klimaschutz. Auch wenn wir die CO2-Emissionen eindämmen, werden wir die positiven Effekte nicht mehr erleben, denn es dauert viele Jahrzehnte, bis sich das Klima in einem neuen Ruhepunkt einfindet. Da ist es doch umso verwunderlicher, dass wir dem Umwelt- und Naturschutz und damit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage nicht längst mehr Aufmerksamkeit schenken und dessen Dringlichkeit erst jetzt erkennen beziehungsweise ernst nehmen. Denn bekanntermaßen motiviert Erfolg doch ungemein und Motivation brauchen wir alle in den kommenden Jahrzehnten noch reichlich, um die Herausforderungen in Sachen Klima- und Naturschutz gemeinsam zu meistern.

Dr. Christine Lemaitre ist Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

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