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Die Hamburger Elbphilharmonie

Diskurs
Die Hamburger Elbphilharmonie

Hamburgs Regierende sahen sich von jeher auch als Kaufleute, für die das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns gilt, der nachhaltig

und verantwortungsbewusstwirtschaftet. Zu seinen Tugenden gehören Redlichkeit, Weitblick und Sparsamkeit. Gemessen an diesem Anspruch, war es für den aktuellen Hamburger Senat eine besondere Blamage, als Kultursenatorin Karin von Welck nach langem Schweigen der Regierung am 26. November 2008 erneute exorbitante Baukostensteigerungen und Zeitverzögerungen bei der entstehenden Elbphilharmonie einräumen musste. Fast eine halbe Milliarde wird der spektakuläre Bau nun kosten – die reinen Bau- und Projektkosten der Stadt für das Konzerthaus erhöhten sich von 114,3 Millionen im Dezember 2006 auf nun auf 323,3 Millionen Euro. Hinzu kommen um 1,7 Millionen Euro gestiegene Betriebskosten für die nächsten zwanzig Jahre. Die Eröffnung wird nicht 2010, sondern erst im Frühjahr 2012 gefeiert.

Dass es schlimm kommt, war erwartet worden. Die Gerüchte schossen lange ins Kraut, der Senat schwieg eisern, bis Bürgermeister von Beust den Chef der mit dem Projekt betrauten städtischen Managementgesellschaft ReGe, Hartmut Wegener, am 17. September ohne nähere Begründung entließ. Auch jetzt, nachdem die neuen, diesmal nun angeblich definitiven Zahlen auf dem Tisch liegen, bleiben die Gründe für die dramatische Lage weitestgehend im Dunkeln. Doch was bekannt wird, ist erschreckend genug: Die Abstimmung zwischen den Beteiligten war offensichtlich völlig unzureichend. Bis vor Kurzem hielt man nicht einmal einen gemeinsamen Terminplan für nötig. Die ReGe war, nicht zuletzt durch personelle Unterbesetzung, mit ihrer Rolle als Bauherr eines solch komplexen Projekts überfordert. Zudem waren die Kosten für das Großprojekt viel zu niedrig angesetzt. Vergleichbare Bauten wie das weniger komplexe Kopenhagener Opernhaus (350 Millionen Euro) liegen weit über den bislang genannten 114 Millionen des Hamburger Konzerthauses. Ob sich da Hochtief einfach verrechnet oder, wie vielfach spekuliert wird, bewusst mit einem Niedrigpreis den Auftrag geholt hat – es wird im Dunkeln bleiben. Es war ein grober Fehler, in einem frühen Stadium des Projektes der Öffentlichkeit einen angeblichen Festpreis zu präsentieren, obwohl es noch viele Unbekannte in der Rechnung gab. Erst jetzt, nach den umfangreichen und kostenträchtigen Nachverhandlungen sind 95 Prozent des Bausolls definiert und durch die Einführung von Controllingteams sollen weitere Budgetüberschreitungen verhindert werden. Die genauen Ursachen der Zeit- und Geldprobleme, von der komplizierten akustischen Entkoppelung des Konzertsaals über Gründungsprobleme im morastigen Boden bis zu ständigen Änderungswünschen, sind fast nebensächlich.
Die Probleme der Elbphilharmonie werfen Fragen grundsätzlicherer Natur auf: Bedeutet die Verlagerung kommunaler Kompetenzen wie die des öffentlichen Hochbaus auf privatwirtschaftlich agierende Gesellschaften, verbunden mit einer Verkleinerung oder gar Zerstörung der Hochbauämter, wirklich einen Zuwachs an Effizienz? Und überwiegen die Nachteile bei der Realisierung von Bauprojekten der öffentlichen Hand als Public Private Partnership (PPP) nicht die Vorteile? Die Kostenersparnis durch PPP erweist sich ein ums andere Mal als Illusion, weil sich die Interessen von Privaten und Öffentlichkeit nicht decken, die erhoffte »Win-Win-Situation« nicht eintritt. Auf den Punkt gebracht heißt dies: Die öffentliche Hand möchte das bestmögliche Gebäude realisieren, der private Investor den größtmöglichen Profit erzielen. Ein weiteres lehrreiches Beispiel kann Hamburg wenige hundert Meter weiter östlich vorweisen: Dort soll, ebenfalls als PPP geplant, der 60 Millionen Euro teure Neubau für die HafenCity Universität entstehen, an der alle Hamburger Studiengänge im Bereich Bauen zusammengefasst werden. Die Stadt wünscht sich dort ein Vorzeigeprojekt in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Doch die damit verbundenen Kosten sind so hoch, dass sich trotz europaweiter Ausschreibung kein einziger Interessent fand. So wird die Stadt mit eigenem Geld den Hochschulbau errichten müssen – was zu begrüßen wäre.
Vielleicht sollten Politik und Verwaltung endlich die richtigen Schlüsse ziehen: In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise rettet der Staat Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige, wird als der bessere, weil redlichere und weitblickendere Unternehmer gepriesen. Wieso sollte er dann ausgerechnet auf seinem ureigensten Feld, dem öffentlichen Hochbau, ineffizienter und teurer agieren als private Investoren? Das PPP-Modell gehört auf den Prüfstand.
~Claas Gefroi
Der Autor ist Pressereferent der Hamburgischen Architektenkammer und freier Autor.
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