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Realschule in Höchstadt von Käppel + Klieber Architekten

Bildung | Erziehung
Allseits geschätzt

Ein Hof zum Gärtnern, einer zum Experimentieren und einer zum Lesen oder Essen – die Realschule in Höchstadt gliedert sich in vier Baukörper, die drei Höfe umschließen und mit Glasgängen miteinander verbunden sind. Städtebauliche Integration, Transparenz und Schulraum im Dienst der Pädagogik sind die Konzeptideen des Projekts.

    • Architekten: Käppel + Klieber Architekten Tragwerksplanung: Ing.-Büro Valentin Maier

  • Kritik: Karl J. Habermann Fotos: Roland Halbe
Im Realisierungswettbewerb für die dringend benötigte neue Realschule wurden Ende 2001 die Ansprüche an das Planungskonzept wie folgt formuliert: »Der Landkreis ist sich der Vorbildfunktion öffentlichen Bauens bewusst und sieht sich hinsichtlich einer ökologisch effizienten Planung insbesondere im Bereich des Schulbaus in der Verantwortung. Die Integration eines ressourcenschonenden, innovativen Energie- und Haustechnikkonzepts in die Gebäudeplanung wird als Beitrag zum Wettbewerb erwartet.« Die Beurteilung des ersten Preises durch die Jury ließ den Aspekt Ökologie allerdings vermissen und kam im Übrigen zu überwiegend positiven Aussagen. Besonders hervorgehoben wurden die städtebauliche Einfügung, die gute Erweiterbarkeit, die innere Funktion sowie die Gestaltung. So hieß es im Protokoll unter anderem: »Die Baugestalt spiegelt den Inhalt der Baukörper wider und lässt die Funktionen ablesen, auch die Dachformen reflektieren den Ortsbezug. Mit den gezeigten Proportionen und dem Rhythmus der Fassaden zeigen die Verfasser die erwartete Sensibilität für Maßstab und Harmonie.« Nach so viel Lob vorab und ausreichend Erfahrung im Betrieb des Gebäudes ist es nun an der Zeit nachzusehen und kritisch nachzufragen, was aus den prämierten Plänen und den hochgesteckten Erwartungen wurde.

Städtebaulich integriert

Bereits bei der Überquerung der Aisch sieht man die Anlage der staatlichen Realschule von Weitem. Sie fügt sich in die Silhouette des Ortes ein und schließt sie zur offenen Landschaft ab. Die in einzelne, durch gläserne Verbindungsgänge verbundene Pavillons aufgelöste Struktur setzt einen angemessenen Maßstab im städtebaulichen Kontext. Nähert man sich dem Komplex, so verbinden sich die weißen, prägnant geformten Stirnwände mit den filigran aufgelösten Verbindungsspangen aus Glas zu einem überschaubaren Ganzen. Der Hauptzugang ist innerhalb des Gebäudes klar formuliert, er führt in eine großzügig geschnittene Aula. Von hieraus gelangt man auch über die zentrale Treppenanlage ins Obergeschoss. Im Erdgeschoss erweitert sich die Fläche über die Mensa und einen angeschlossenen Innenhof bis zur gegenüberliegenden Bibliothek. Die Orientierung im Gebäude ist sofort gegeben und man wird sie bei der weiteren Erkundung der Schule nie verlieren. An das zentrale Funktionsgebäude mit den übergeordneten Einrichtungen schließen sich über verglaste Flure die Klassentrakte an. Die zwischen den Pavillons eingefügten Innenhöfe werden unterschiedlich genutzt: Der Hof zwischen Bibliothek und Mensa ermöglicht beiden Bereichen den Zugang ins Freie und im Experimentalhof lassen sich chemische und andere Versuche, die sich aus Sicherheitsgründen im Innenraum kaum durchführen ließen, realisieren. Ein Schmuckstück der gesamten Anlage ist der dritte Hof, der den Schulgarten aufnimmt und dessen Blütenpracht man ansieht, mit welcher Freude hier zu Werke gegangen wird.

Die Beliebtheit der Schule hat auch ihren Preis: Für 800 Schüler geplant hat sich die Belegung in kürzester Zeit auf über 1000 entwickelt. Mithilfe eines ausgetüftelten Wanderklassensystems ist der Betrieb gerade noch möglich. Statistische Prognosen über die Entwicklung der Schülerzahlen lassen hier allerdings absehbar eine Entspannung der Lage erwarten. Ein besonderes Augenmerk wird auf eine offene Ganztagsbetreuung gelegt, die mithilfe einer eigens dafür eingerichteten Initiative tatkräftig umgesetzt wird. Eltern beteiligen sich am Konzept der Mittagsverpflegung »Cofitto«. Es gewährleistet eine gesunde Ernährung und ist zudem Ausgangspunkt für ein breites Programmangebot am Nachmittag. Eine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung steht dabei im Mittelpunkt. Die dafür erforderlichen Flächen konnten während der Planungsphase noch rechtzeitig ermittelt und eingeplant werden. Das große Engagement vor Ort verfehlt seinen Eindruck nicht, wenngleich man sich auch eine vollständig staatlich geregelte und geförderte Ganztagsschule vorstellen könnte.

Pädagogisches Konzept

Im Detail spielt das »flexible Klassenzimmer« eine besonders hervorzuhebende Rolle. Hier soll der Gesamtunterricht ebenso stattfinden können wie Gruppenarbeit und individueller Unterricht. Während der Entwurfs- und Ausführungsplanung wurden die im Wettbewerb noch nicht formulierten, weitergehenden Vorstellungen der Schulleitung rechtzeitig aufgenommen und umgesetzt. So stehen den Pädagogen in den Klassenräumen drei in gleicher Art und Weise nutzbare Wandflächen zur Verfügung. Die herkömmliche, starr auf Frontalunterricht ausgelegte Gestaltung ist einer offenen Einrichtung mit verschiebbaren Tafeln und Klemmschienen an allen Wänden gewichen. Die Tafeln dienen dabei als Projektionsfläche, Pinnwand, Magnetwand oder Kreidetafel. An den Klemmschienen lassen sich nach Bedarf vielfältige Medien wie Pläne, Poster, Fotos und anderes einhängen und ebenso leicht wieder entfernen.
 
Die fassadenseitig von den Architekten vorgesehenen Regale ergänzen das Angebot in idealer Weise. In den Klassenzimmern lässt sich auch das überzeugende Farb- und Materialkonzept überprüfen. Der farbneutrale Sichtbeton ist robust und übernimmt die wichtige Speicherfunktion beim Temperaturausgleich im Raumklima. Weiß gefasste Deckenstreifen aus Akustikplatten reflektieren das Tageslicht und sorgen für gute Akustik. Holzwerkstoffmaterial aus Oregon Kiefer an Wänden und Fassade sorgt für die von der Architekten als besonders wichtig erachtete optische Wärme im Raum.

Kunst als Leitsystem

Die den Gebäudekomplex unaufdringlich bereichernde »Kunst am Bau« ist das Ergebnis eines sorgfältig vorbereiteten und ausgearbeiteten Wettbewerbs. Die Aufgabenstellung wurde konkret formuliert. Auch das pädagogische Leitbild, in dem es unter anderem heißt: »Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Liebenswürdigkeit, Offenheit und Wärme lassen sich nicht anordnen, sondern nur täglich vorleben«, wurde den Künstlern mit auf den Weg gegeben. Die Mühe hat sich gelohnt, die sensibel gesetzten Farbakzente aus farbigen Gläsern in den Verbindungsgängen sind dem Künstlerteam Arnold und Eichler zu verdanken. Auch trübes Wetter lässt die anregende Stimmung im Gebäude nicht abflauen. Um die durch die Architektur ohnehin schon sehr gut angelegte Orientierung im Gebäude noch zu optimieren, werden farbige, künstlerisch gestaltete Türschilder eingesetzt. Die fototechnisch abstrahierten Motive verraten im Vorbeigehen Funktion und Inhalt der dahinter liegenden Räume für Physik, Chemie ebenso wie für Holz- und Metallwerkstatt, Computerunterricht und Hauswirtschaft. ›
Die später nachgerüstete Photovoltaikanlage auf den Dächern, stellt eine eben noch vertretbare optische Störung dar. – Die gute Architektur verkraftet das kaum übersehbare Beiwerk zum Glück. – Wie konnte es dazu kommen? Hier hatten übergeordnete staatliche Fördertöpfe Begehrlichkeiten geweckt, politischen Zugzwang erzeugt und schließlich zu einigermaßen komplizierten Verhältnissen bei Besitz, Betrieb und Gewinnschöpfung geführt. Für die Schule und die Schüler bleibt das zentrale Tableau mit den jeweils aktuell ablesbaren Energiegewinnen. Dass die heute so wichtige Aufklärung über den Umgang mit Energie in Schule und Alltag ebenso Früchte trägt wie der Hinweis zum Umgang mit der Fensterlüftung im Schulalltag, macht zuversichtlich. Auch wenn das im Vorfeld geplante, aber in der Folge nicht weiter verfolgte Blockheizkraftwerk auf der Strecke blieb, so ist festzuhalten, dass gerade gute und gebrauchsfähige Architektur einen weitaus größeren Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bauen leistet als ausgetüftelte haustechnische Finessen, die eventuell zu guter Letzt nur mit Mühe den Nachweis ihrer Effizienz erbringen.


  • Bauherr: Landkreis Erlangen-Höchstadt, Erlangen
    Architekten: Käppel + Klieber Freie Architekten BDA, Sibylle Käppel-Klieber, Götz Klieber, Stuttgart
    Projektsteuerung: Architekturbüro Joseph Hörl, Pullenreuth
    Tragwerksplanung: Ing.-Büro Valentin Maier, Höchstadt an der Aisch
    Freianlagen: Landschaftsarchitekten Pfrommer & Partner, Stuttgart SiGe-Koordination
    Brandschutz: Ingenieurgesellschaft Ulm, Erlangen Kunst am Bau: Atelier Arnold + Eichler, Nürnberg (Glaskunst); Bildhauer Wolfram von Bieren, Buckenhof (Plastiken); panzlau.design
    Visuelle Kommunikation, Bremen (Türschilder)
  • Fertigstellung: Ende 2005 Grundstücksfläche: 21 100 m²
    BGF: 7810 m² Bruttorauminhalt: 35 312 m³
    Baukosten: KG 1–7 16,4 Mio. Euro (brutto)
  • Beteiligte Firmen: Einrichtung Lehrerzimmer, Klassenzimmer: Fa. VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co, Tauberbischofsheim, www.vs-moebel.de
    Einrichtung Fachräume: Fa. Schule & Objekt, Lappersdorf, www.vs-moebel.de
    Flexibles Tafel- und Präsentationssystem: Fa. NSF-Deutschland, Gunzenhausen, www.vs-moebel.de
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