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Wohnungsbau »Quellengarten« in Rheinfelden (CH) | Zapco

Wohnungsbau »Quellengarten« in Rheinfelden (CH)
Das gestapelte Einfamilienhaus

Als Alternative zum Einfamilienhaus entwickelte ein Schweizer Unternehmen drei hochwertige Wohntypologien für den Geschosswohnungsbau und ließ diese patentieren. Charakteristisch sind die unterschiedlichen Raumhöhen und die klare Formensprache. Mit stark am Markt orientierten Grundrissen und einer Ausgestaltung mit hochwertigen Materialien erweist sich das Konzept als Erfolgsmodell wie auch als diskussionswürdiger Beitrag zum Thema Nachverdichtung.

    • Architekten: Architekten: Zapco
      Tragwerksplanung: Lüem

  • Kritik: Daniel Walser
    Fotos: Johannes Marburg
Attraktiver Wohnraum zu günstigen Preisen: Wer möchte das nicht? Der Baseler Architekt Hans Zwimpfer entwickelt seit 2002 typologische Raumsysteme mit stapelbaren Wohneinheiten. Seine Absicht: ein qualitativ und räumlich hochwertiges Wohnbausystem mit großzügigen, preiswerten Wohnungen mit unterschiedlichen Raumhöhen zu entwerfen, das an verschiedenen Orten einsetzbar ist.
Wie Hans Zwimpfer in Interviews immer wieder betont, war die ursprüngliche Idee, ein Buch über den missglückten Städtebau in Mitteleuropa zu schreiben. Da die Zersiedlung in den letzten Jahren bereits von verschiedenen Seiten intensiv diskutiert wurde, beschloss er, einen konkreten Beitrag zu erarbeiten.
Der 1930 geborene Hans Zwimpfer ist ein Urgestein der Baseler Architektur mit vielen wichtigen Wettbewerbsgewinnen und Bauten aber auch profunden Kenntnissen darüber, wie Investoren denken und handeln. Seit 2004 entwickelt er in seinem Architekturbüro Zapco Bautypologien. Mit 1:1-Modellen und beträchtlichem finanziellen Aufwand wurden die drei typologisch verschiedenen Konzepte »Pile Up®«, »Stack Up®« und »Heap Up®« erarbeitet und schließlich zum Patent angemeldet.
Patentierung zur Qualitätssicherung
Im Unterschied zum Urheberrecht, welches jeder Architekt auf seinen individuellen Entwurf hat, ist mit dem Patent nicht nur das Konzept des einzelnen Bauwerks geschützt, sondern das Bausystem als solches. Bei der Anwendung seiner Patente kann Zapco räumliche aber auch bauliche Qualität sicherstellen. Nach der Ausführung von vier »Pile Up«- und einem »Stack Up«-Projekt, fast alle im Großraum Basel, besitzt das Büro inzwischen mehr als genug Erfahrung, um erfolgreich und kostensparend bauen zu können. Dies erspart anderen Architekturbüros, welche die Patente parallel zu Zapco gegen Bezahlung ebenfalls einsetzen können, Entwicklungskosten und führt zu Wissenstransfer, wie dies bereits in Zug (Zentralschweiz) 2007 geschehen ist.
Die Patentierung des ersten »Pile Up« löste in der Schweiz z. T. heftige Diskussionen über Sinn und Zweck von Patenten in der Architektur aus. Bis dahin waren nur Verfahrensweisen patentiert worden, aber keine ganzen Raumsysteme. Die Geschäftsführerin von Zapco, Tina Puffert, unterstreicht bei »Pile Up«, dass zwar schon zuvor einzelne räumliche und auch konstruktive Elemente der patentierten Typologie gebaut worden waren, doch nicht in dieser spezifischen Kombination.
Die Patentierung von Raumsystemen wird oftmals als unsinnige Paragrafenspielerei belächelt und als Marketingstrategie abgetan. Ein bezahlter Know-how-Transfer wäre zwar interessant, findet in der Realität aber nur selten statt. Viele Architekten und auch Investoren schrecken vor möglichen Einschränkungen und Patentkosten zurück, was die Nachfrage niedrig hält.
Grundtypologie »Pile up«
Die Idee von »Pile Up« ist das gestapelte Einfamilienhaus. Die Bewohner der Gebäude sollen gleichwertige Wohnqualitäten wie in einem Einfamilienhaus vorfinden, aber verdichtet wohnen. Bereits Le Corbusier hatte 1925 mit seinem Ausstellungspavillon l’Esprit Nouveau, einen ähnlichen Bautypus als Teil einer Blockrandbebauung propagiert – letztlich erfolglos.
Das System »Pile Up« besitzt als zentrales Merkmal einen zweigeschossigen Innenraum und einen ebensolchen Außenraum. Das Pilotprojekt in Rheinfelden (2004-06) war noch modular aufgebaut und vorfabriziert. Diese Bauweise hat sich der niedrigen Stückzahlen halber für die Schweizer Baufirmen und die Größen der hier gebauten Siedlungen als zu kostspielig erwiesen. Ein L-förmiges Volumen und ein alleinstehender Bau bilden zusammen ein kompaktes Ensemble, das sich zum Rhein hin öffnet. Zapco ist hier als Investor aufgetreten, was die Chance bot, die Grenzen der Typologie auszureizen.
Der Nachfolger »Stack Up« ist innenräumlich die differenzierteste Typologie. Sie verzichtet auf den zweigeschossigen Raum und kombiniert auf einer Geschossebene drei Höhenunterschiede: Wohnbereich 3,10 m, die angrenzende Raumnische 2,05 m und die übrigen Zimmer und Wohnbereiche 2,50 m. Ein überhoher Außenraum von 5,60 m verleiht der Typologie Großzügigkeit. Im Bauablauf kommt über dem Wohnzimmer jeweils der Stauraum der oberen Wohnung zu liegen und umgekehrt. Hierdurch werden die Wohnungen von Geschoss zu Geschoss gespiegelt. Die Verwendung der Raumnische als halboffener Lagerraum ist angrenzend an das Wohnzimmer funktional problematisch. Bauherren aber auch Architekten sind überfordert. An dieser Stelle müsste wie im Raumplan von Adolf Loos ein intimer, zusätzlicher Wohnraum oder ein Arbeitszimmer angesiedelt sein, aber kein Lager.
Im letzten Herbst wurde die dritte Typologie vorgestellt: Das System »Heap Up« besitzt nur noch zwei Raumhöhen: einen 3,30 m hohen, durchgehenden Wohnraum und für die angrenzenden Räume 2,60 m. Dieser Gliederung eignet sich durch seine Durchschusstypologie insbesondere für Wohnungen mit zwei Ausrichtungen.
Verglichen mit der räumlichen Komplexität des Habitat Gebäudes in Montreal von Moshe Safdie (1967), der dort ebenfalls individualisierte, teilweise zweigeschossige Räume schuf, sind die vorgeschlagenen Raumtypologien von Zapco zwar banaler, dafür aber markttauglich.
Gute Architektur, die Investoren auch wollen
Die von Zapco entwickelten Wohntypologien wirken großzügig. Die »Pile Up«-Wohnungen gelten durch ihre Doppelgeschossigkeit gar als luxuriös, bewegen sich aber in ihren Erstellungskosten, wie auch die anderen Typologien, in einem erschwinglichen Bereich. Die einfache Baustruktur mit Betonstützen und einem ausbetonierten Treppenkern erleichtert eine kosteneffiziente Planung. Im Rohbau werden beim Betonieren über die schlichte Höhenverschiebung eines Teils der Schalltafeln die unterschiedlichen Raumhöhen erzeugt. Die Raumdifferenzierungen sind praktisch kostenneutral in ihrer Herstellung. Die Gebäude erfüllen den Schweizer Minergie-Standard. Alle Wohnungen besitzen eine kontrollierte Lüftung, geheizt wird über eine Fußbodenheizung, für die man bislang auf Fernwärme zurückgreifen konnte.
Die Wohnungen sind auf die Bedürfnisse eines modernen Mittelstands ausgerichtet. Weil sie räumlich komplexer als marktüblich sind, ziehen die Wohnungen ein interessierteres, urbanes Publikum an. Die »Stack Up«-Wohnungen in Rheinfelden (2011) wurden direkt von Zapco an die Mieter verkauft und im Innenausbau individuell begleitet. Um eine mehr oder weniger offene Küche herum sind die Wohn- und Nebenräume gruppiert. Die Materialisierung wird von Geschmack und Kaufkraft der Käufer bestimmt, verwendet werden aber meist natürliche Materialien, die Betondecken werden nur gestrichen. Das Projekt erfüllt in hohem Maße die Anforderungen des urbanen Wohnungsmarkts.
Beschränkt plastischer Bau in Rheinfelden
Das Projekt Quellengarten in Rheinfelden besteht aus zwei »Pile Up«-Gebäuden (2008) mit insgesamt 18 Wohnungen und zwei »Stack Up«-Einheiten (2011) mit 12 bzw. 30 Wohnungen, deren Raumangebot von 2,5 bis 7,5 Zimmern reicht. Da das Areal von Zapco selbst entwickelt und vermarktet wird, dient es auch als Testgelände für die einzelnen Typologien und Konstruktionsweisen (man sucht vorwiegend nach neuen Möglichkeiten der Vorfertigung und prüft dazu auch das Potenzial des Holzbaus). Ein klar definierter Außenraum fehlt jedoch. Das lockere Ensemble gruppiert sich um eine natürliche Quelle herum, die dem Quartier seinen Namen gegeben hat.
› Die Eingangsfassaden der Gebäude von Zapco sind wenig plastisch ausformuliert. Sie betonen die Kompaktheit des Volumens und machen über die Fenstereinteilung Andeutungen über das Innenleben. Auch die verputzte Außendämmung verhindert auf dieser Seite die plastische Differenzierung der Volumina. Im Quellgarten, wo die Volumen kleiner sind, ist das weniger ein Problem. Doch in Zug, wo ein »Pile Up« erstellt wurde, wirkt die Straßenfassade dumpf, trotz ihrer schönen Einzeldetails. Das mag auch daran liegen, dass hier ein anderes Büro die Ausführung geplant hat. Demgegenüber vermögen die plastischen Qualitäten der Balkonfassaden, gerade auch wenn diese wie im letzten Bauabschnitt im Quellengarten in thermisch vom Wohnraum getrenntem Sichtbeton ausgeführt werden, zu überzeugen.
Hans Zwimpfer legt großen Wert auf hochwertige Kunst am Bau. Durch die skulpturalen Werke namhafter Schweizer Künstler wie Katja Schenker oder Steiner Lenzlinger erhalten die Bauten eine Identität. Die Kunst am Bau ist bei Zapco integraler Bestandteil des Konzepts einer Siedlung. Ein Patentnehmer kann aber auch ohne Kunst arbeiten, sie ist nicht Teil des Patents.
Hans Zwimpfer ist mit einer städtebaulichen Idee angetreten und hat daraus die Typologien entwickelt. Doch gerade der öffentliche Raum, der Stadt ausmacht, der Leerraum zwischen den Gebäudevolumen ist wenig bearbeitet und wird nur von der Kunst berührt. Die heutigen Zapco-Bauten funktionieren als unabhängige Bauvolumen ohne private Gärten. Investoren werden damit zufrieden sein, da wenig Reibungspunkte mit der Umgebung bestehen. Doch eine städtische Gemeinschaft braucht mehr Verbindendes und weniger Einzelobjekte. Aus ökonomischer Warte funktionieren die Zapco-Bauten sehr gut. Auch wenn die einzelnen Typologien teilweise Bauherren und Architekten überfordern, sind sie viel intelligenter als das meiste, was sonst zum selben Preis errichtet wird. Zwar werden die drei patentierten Systeme die Flut von Einfamilienhausbauern nicht bremsen können, weil sie eine andere Zielgruppe ansprechen. Aber die vorgeschlagenen Typologien sind ein prägnanter Beitrag, preiswerte, innenräumlich differenzierte Wohnungen für die breite Masse zu errichten. •

Daniel Walser
1970 geboren. Architekturstudium in Zürich und Rom. Ab 1999 wiss. Assistenz an der HTW Chur, seit 2004 dort Lehrauftrag. Seit 2010 zunehmend Konzentration auf die Forschung.

  • Standort: Quellenstraße 44/46, CH-4310 Rheinfelden
    Bauherr/Architekten: Zapco Ltd. AG, Zug/Basel
    Mitarbeiter: Alexander-Marc Catelli, Ilja K. Schoilew (Projektleitung); Sidney Bannier, Tabea Elmiger
    Bauleitung: FS Architekten, Magden, (Luigi Ferraro, Rudolf Schaub)
    Tragwerksplanung: Lüem AG, Basel
    HLS-Planung und Ausführung: Gersbach, Rheinfelden; Klima AG, Basel
    Bauphysik, Schallschutz: Gruner AG, Basel
    Außenanlagen: Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger mit Zapco
    BGF: 7 630 m² Nutzfläche: 5 435 m²
    Bruttorauminhalt: 24 560 m³
    Baukosten: 19,93 Mio. Euro (gesamt); 12,96 Mio. Euro (KG 300 + 400)
    Bauzeit: Februar 2010 bis Januar 2012
  • Beteiligte Firmen: Bauausführung: Ernst Frey, Kaiseraugst, www.ernstfreyag.ch
    Fassade: Bautherm, Münchenstein, www.ernstfreyag.ch
    Dach: Morath, Allschwil, morath.ch Fenster, Türen: Gerber-Vogt, Allschwil, www.ernstfreyag.ch
    Holzböden: Hürzeler Holzbau, Magden, www.ernstfreyag.ch
    Keramikböden: Bernardi und Huber, Basel, bernardi.ch Elektro-Installationen: Selmoni, Base, www.ernstfreyag.ch
    Küche und Einbaumöbel: Bard Möbelfabrik, Münchenstein, www.ernstfreyag.ch
    Lüftungsanlagen: EBL Wärmesysteme, Laufen, www.ernstfreyag.ch
    Sonnenschutz: Storama, Burgistein, www.ernstfreyag.ch
    Elektrogeräte Küche: Miele, Spreitenbach, www.ernstfreyag.ch
    Sanitärprodukte: Sanitas Trösch, Bern, www.ernstfreyag.ch
db-Ortstermin
Am 17. März um 14 Uhr laden wir Sie ein, gemeinsam mit dem Projektleiter durch eine der Musterwohnungen im Rheinfeldener »Stack Up« zu streifen. Anmeldung bis 31. Januar unter: www.db-bauzeitung.de/ortstermin
Weitere Informationen: Zapco ist mit seinen innenräumlichen Fragestellungen dicht am Puls der Zeit. Etliche jüngere Schweizer Architekten wie EM2N (Wohnsiedlung Langstraße, Zürich, 2012) oder Pool Architekten (»Split und Loft«, Horgen, 2012) experimentieren heute ebenfalls mit überhohen Räumen. Bei den Zapco-Siedlungen entsteht aber bislang v. a. städtebaulich nicht die entwerferische Dichte von Schweizer Autorenarchitekten wie Knapkiewicz & Fickert (Wohnüberbauung Klee in Zürich Affoltern, 2011) oder von Ballmoos Krucker (Ersatzneubauten Triemli in Zürich, 2011), wo großstädtische Wohnformen entwickelt werden und differenzierte öffentliche Räume entstanden sind.

Zapco

Hans Zwimpfer
1930 geboren. 1957-2007 eigenes Architekturbüro. 2004 Gründung von Zapco als Unternehmen für Forschung, Entwicklung und Realisierung im Bereich Städte- und Wohnungsbau.
Ilja K. Schoilew
1975 geboren. Architekturstudium in Kaiserslautern und Cottbus. Seit 2009 Mitarbeit bei Zapco als Projektleiter. Mitglied von BDA und SIA.
Alexander-Marc Catelli
1979 geboren. Architekturstudium in Trevano (CH). Seit 2005 Tätigkeit bei Partnerfirmen von Zapco, seit 2009 Mitarbeit bei Zapco als Gesamtleiter Architektur.
Tina Puffert
1975 geboren. Architekturstudium in Karlsruhe. Berufstätigkeit in Karlsruhe und München 2005 MBA an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Seit 2003 Mitarbeit bei Zapco, seit 2005 als Geschäftsführerin.

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