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Bez+Kock Architekten erstellen Neubau aus Holz

Neubau von Bez+Kock Architekten in Rinteln
Mehr Holz als Beton

Ein IGS-Neubau führt mehrere Schulstandorte der niedersächsischen Stadt Rinteln zusammen. Bez+Kock Architekten errichteten ein Haus mit klar strukturierter Grundrissorganisation. Holz trägt maßgeblich zur beruhigenden Raumatmosphäre bei.

Architekten: Bez+Kock Architekten

Text: Thomas Geuder
Fotos: Marcus Ebener

Den Gedanken, eine Gesamtschule für die Klassen nach der Grundschule zu installieren, hatte die Stadt Rinteln bereits seit einigen Jahren gehegt. Wahr wurde er zum Schuljahr 2014/15, als die aus Hauptschule und Realschule hervorgegangene Oberschule (OBS) in die Integrierte Gesamtschule (IGS) einging. Aus Platzmangel fand der Unterricht nach wie vor an drei Standorten statt, weswegen sich der Landkreis Schaumburg dazu entschloss, einen Neubau neben dem bestehenden Gymnasium Ernestinum südlich des historischen Stadtkerns zu errichten.

Zugleich ist nun die Idee einer Gesamtschule örtlich im Stadtgefüge sichtbar. Den im Frühjahr 2017 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für das Vorhaben gewann das Stuttgarter Büro Bez+Kock Architekten. Entscheidend für das einstimmige Votum der Fachjury für den Entwurf des Stuttgarter Architekturbüros war in erster Linie die aus pädagogischer Sicht sinnvolle Anordnung der Räume, die Flexibilität für künftige Entwicklungen zulässt.

Relativ kurze Bauzeit

Überzeugend wirkte aber auch die Priorisierung des Materials Holz mitsamt seinen nachhaltigen Eigenschaften sowie der Fakt, dass man mit Holzkonstruktionen schneller bauen kann als mit Beton. Das bestätigte sich auch hier: Der Startschuss war im Juli 2019 gefallen, fertiggestellt wurde der Schulbau im November 2021. Die Entscheidung für einen leicht demontierbaren Massivholzbau in Holzrahmenbauweise hatte eine rationelle Vorfertigung der Bauteile ermöglicht. Vorgefertigt wurden Sockel, Innen- und Außenwände, die Holzträger, Brettsperrholzdachscheibe und Stahlbetonfertigteile der Decken. Nahezu alle wesentlichen Bauteile aus Holz bleiben außen wie innen sichtbar. Das verwendete Lärchenholz ist initialer Bestandteil des Gestaltungskonzepts und lässt sich durchaus als Reaktion auf das Waschbetongebäude in direkter Nachbarschaft verstehen.

Das Holz – im eigenen Forstbetrieb des Bauherrn geschlagen – bestimmt die Materialhaptik und die Raumatmosphäre. Zur Verbesserung der Akustik sind die Holz-Beton-Verbunddecken (HBV) zwischen den sichtbaren Holzträgern in Ergänzung zum Holz mit Sauerkrautplatten, also Holzwolle-Leichtbauplatten, in warmen, natürlichen Farbtönen gefüllt. Darin ist außerdem die Beleuchtung integriert. Die Wände weisen ebenfalls eine Holzverschalung auf. Lediglich an den Böden wechselt das Material: Fast alle Klassenzimmer, die Gemeinschaftsbereiche und die Flure in den Obergeschossen weisen einen dunkelgrünen Kautschuk-Noppenboden auf, alle anderen Bereiche quadratische, polierte Betonwerksteinplatten, deren farbige Steineinschlüsse einen dezenten Akzent im Innenraum setzen. Der grob gewebte, ziegelfarbige Stoff der textilen Sonnenschutzrollos bildet den vierten Materialbaustein.

Bez+Kock Architekten hatten sich bei der Farbgebung des Innenraums auf möglichst natürliche Töne konzentriert, auch, um eine positive psychologische Wirkung zu erzielen. Zudem sollten die Oberflächen eine besondere Wertigkeit vermitteln, authentisch wirken und somit dazu beitragen, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Schule wertschätzen. Das Entwurfskonzept der Stuttgarter basiert auf einer räumlichen Organisation, die vorsieht, alle Klassen eines Schuljahrgangs zusammenzufassen. Dadurch funktioniert jeder Jahrgangsbereich für sich wie eine eigenständige, kleine Schule in einem Gesamtsystem. Dieses sogenannte Lernhäuser-Konzept ist flexibel genug, um ohne viel Aufwand zu einem Konzept der Lernlandschaften zu wechseln, in dem es eher um themenbezogene Bereiche geht.

Großzügige Eingangszone

Das Gelände für den Schulneubau befindet sich nördlich des Ernestinums in der Paul-Erdniß-Straße, eines 1975 gebauten, zweigeschossigen und für die Entstehungszeit typischen Schulkomplexes mit Waschbetonfassade. Durch die Position des Bestandsbaus und des ebenfalls zweigeschossigen Neubaus entstand ein geschützter Schulhof, der baulich und organisatorisch eine vermittelnde Funktion zwischen beiden Baukörpern einnimmt. Dem 112 m langen Neubau gelingt dieser Bezug vor allem durch eine großzügige, transparente Eingangszone, die sich über die gesamte Länge erstreckt und teilweise als gedeckter Pausenbereich und Kommunikationsfläche dient. Dieses einladende Entree bietet als Kolonnade einen niederschwelligen Zugang zum hellen und freundlichen Schulgebäude.

Entwurfsprinzip

Die Gestalt des Baukörpers basiert auf einem im Grunde einfachen Prinzip: Durch Multiplikation der U-Form und die gleichzeitige Verknüpfung der Bereiche untereinander gelingt es, verschiedene Cluster in einem räumlichen Netzwerk zu bilden. So besteht im Erdgeschoss der zentrale Block aus zwei U-Formen. Darin sind die Fachklassen Arbeit/Wirtschaft/Technik (AWT), Musik sowie Kunst untergebracht, ebenso der Konferenzbereich. Um diesen Doppel-U-Block legt sich ein lang gestrecktes U mit den Bereichen AWT, Naturwissenschaft und die Verwaltung. Es fungiert als eine Art Rücken. Die sogenannte Schulstraße verbindet alle Bereiche. Sie verläuft parallel zur außen liegenden Kolonnade über die gesamte Gebäudelänge. Der Verwaltungstrakt ist im Gesamtgefüge diskret angeordnet. Zudem liegt er nahe an den Bushaltestellen und Parkplätzen, wodurch Eltern und Lehrer kurze Wege haben. Zwischen den einzelnen Spangen entstehen vier nach oben offene Innenhöfe, die reichlich natürliches Licht ins Erdgeschoss leiten.

Das Obergeschoss setzt sich aus insgesamt sechs U-Formen zusammen, die in Zweiergruppen organisiert und zu den beiden zentralen Us des Erdgeschosses versetzt angeordnet sind. Jedes U im Obergeschoss besteht aus fünf Klassenzimmern, einem Gruppenraum und einem Lehrerzimmer sowie einer eigenen Mitte, wo sich Schüler und Lehrer informell treffen können. Die dort platzierten Sitzmöbel dienen als Hocker, Bank oder Tisch. Bez+Kock Architekten entwarfen die Möbel, ebenso wie die Schülerspinde, speziell für dieses Projekt. Eine Treppe und ein Fahrstuhl erschließen jedes Doppel-U barrierefrei.

Nachhaltig in vielen Details

Die Entscheidung, einen solchen Bildungsbau mit einer Geschossfläche von 9 315 m² auf zwei Stockwerken und einem Rauminhalt von 35 000 m³ komplett demontierbar in Holz zu errichten, war eine bewusste Entscheidung im Sinne der Nachhaltigkeit. Insgesamt kamen 2 815 m³ Holz zum Einsatz, aber nur 2 650 m³ Beton, vornehmlich für die Gründung und die Erdgeschoss-Bodenplatte sowie die HBV-Decken. Wegen der geringen Höhe gilt für den Schulbau die Gebäudeklasse 3. Alle tragenden und raumabschließenden Teile fallen unter die Feuerwiderstandsklasse F30 (feuerhemmend), die brandabschnittsbildenden Wände unter F60 (hochfeuerhemmend).

Der gesamte Neubau wurde nach dem KfW-55-Standard geplant und umgesetzt. Obwohl mit Gas geheizt wird, kann man auf fossile Brennstoffe verzichten: Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser erfolgt über ein Nahwärmenetz mit einem benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb durch Biogas in einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage. Dort liegt ein Zertifikat vor, in dem der Primärenergiefaktor fp = 0,00 sowie die Einhaltung der Anforderungen an das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) ausgewiesen sind.

Deckenheizelemente übernehmen die Verteilung der Wärme. Eine Lüftungsanlage versorgt das Atrium, die Toiletten, die Küche sowie teilweise die Technikräume mechanisch mit Frischluft. Auch der Strom entsteht regenerativ über eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Sie erzeugt rund 176 000 kWh und deckt damit fast vollständig den prognostizierten Jahresstromverbrauch von etwa 200 000 kW. Damit ist für die Zukunft ein günstiger und energetisch sinnvoller Betrieb des Gebäudes gesichert.


  • Projekt: Neubau der Integrierten Gesamtschule (IGS) der Stadt Rinteln
    Standort: Paul-Erdniß-Straße 1, 31737 Rinteln
    Bauherr: Landkreis Schaumburg
    Bauaufgabe: Schule
    Architekturbüro: Bez+Kock Architekten Generalplaner GmbH, Stuttgart, www.bez-kock.de
    Fertigstellung: November 2021
    Nutzfläche: NF 1–6 = 4 780 m² / NF 7 = 330 m²
  • Materialien (Auswahl):
    Brettsperrholzwände von Binderholz Bausysteme, ausgeführt durch Grossmann Bau, Rosenheim
    Alufassade und -fenster von Schüco
    Sonnenschutz von Warema
    Dachabdichtung von Sika
    Betonwerkstein von Marmi Scala
    Kautschukboden ‚Norament‘ von Nora
    HWL-Decken ‚Ultrafein‘ von Troldtekt
    Innentüren von Neuform

Bez+Kock Architekten Generalplaner GmbH


Porträt: Arne Hartenburg

Die Inhaber Martin Bez (rechts) und Thorsten Kock gründeten ihr Architekturbüro 2001. Derzeit beschäftigen sie 60 Mitarbeiter.

 


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