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Zwischen »Parcelhus« und »Sorte Diamant«

Architekturpolitik in Dänemark
Zwischen »Parcelhus« und »Sorte Diamant«

Viel gepriesene Bauten dänischer Architekten (ent-) stehen weltweit in Sydney, Riyad, London, Hamburg und anderen Städten. Und auch in der Heimat haben Arne Jacobsen, Henning Larsen, die Utzons und etliche andere, jüngere Architekten bemerkenswerte Akzente gesetzt. Als der Dänen größter Traum gilt allerdings ein schlichtes, frei stehendes Einfamilienhaus, parcelhus genannt, das den hohen Qualitätsanspruch nicht immer erfüllen kann. Mit einer offiziellen Architekturpolitik versucht die Regierung nun, in In- und Ausland »architektonische Qualität im breiten Sinne« zu erreichen. Hier wie dort hat sie damit Erfolg und erzielt erstaunliche Ergebnisse.

Text: Clemens Bomsdorf

Lange bevor Kopenhagen mit der vom Büro Henning Larsen gestalteten Oper (2005) und dem Schauspielhaus von Lundgaard & Tranberg (2008) zwei wahrzeichen-taugliche Bauten an der Hafenfront erhielt, positionierte sich die dänische Hauptstadt und damit das ganze Land als Architektenmagnet. Im September ist es zehn Jahre her, dass die viel gepriesene Erweiterung der Königlichen Bibliothek eröffnet wurde. Seither spiegelt sich das Hafenbecken im simbabwischen »Absolute Black Granit« des kantigen Anbaus. »Sorte Diamant«, Schwarzer Diamant (s. S. 46) wird das vom dänischen Büro Schmidt Hammer Lassen entworfene Gebäude wegen seiner Form und Farbe genannt. Umringt von Bauten, die überwiegend einige Jahrhunderte älter sind, symbolisiert der »Diamant« einen Aufbruch in der dänischen Architekturlandschaft. Am Rande des historischen Stadtkerns einen solchen »Klotz« zu platzieren war ein Wagnis.
Das kleine Land, das es mit der Oper in Sydney (1963) – des Ende vergangenen Jahres gestorbenen Jørn Utzon – und dem Århuser Rathaus (1942) von Arne Jacobsen und Erik Møller schon vor Jahrzehnten geschafft hatte, in der internationalen Architekten- und Stadtplanerszene für Aufsehen zu sorgen, ist mit dem »Diamanten« wieder ins Zentrum des Interesses gerückt. Seitdem ist Kopenhagen verstärkt Ziel einschlägiger Studienreisen geworden. Die Zahl der Projekte, die angesteuert werden, hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Neben Bibliothek, Oper und Schauspielhaus sind unter anderem der 2002 vollendete erste Bauabschnitt der Metro (s. S. 52 ff.), Norman Fosters Elefantenhaus für den Zoo (2008), der neu entstandene Stadtteil Ørestad (weiterhin in Bau) mit der Konzerthalle von Jean Nouvel die neuen architektonischen Highlights Kopenhagens.
Als zentralistisch organisiertem Land kommt der Hauptstadt in jeder Hinsicht die größte Bedeutung zu, doch auch Städte außerhalb der Region Kopenhagen haben in jüngeren Jahren aufsehenerregende neue Bauten erhalten. Exemplarisch seien in Århus das Kunstmuseum ARoS (2004) von Schmidt Hammer Lassen sowie die Hafenfront in Aalborg mit dem Utzon-Center (noch im Bau) genannt.
Welch ein Kontrast zu dieser zeitgenössischen Architektur ist das klassische dänische Eigenheim in Form eines schlichten Einfamilienhauses. Spätestens seit Dänemark seinen südlichen Nachbarn Deutschland in Sachen relativer Wirtschaftskraft überrundet hat, gilt jenes »parcelhus« als Archetypus des Wohnens für jene, die den Absprung von der Arbeiterklasse geschafft haben. Im Idealfall steht das meist zweigeschossige Haus frei auf einem rechteckigen Grundstück und ist Teil einer größeren Anlage, die wie eine Schrebergartensiedlung aufgebaut ist. Ein exemplarisches Beispiel hierfür liegt außerhalb von Århus: Skjoldhøjparken zählt rund 1000 Häuser, die architektonisch nicht nur wenig zu bieten haben, sondern sich auch nur geringfügig voneinander unterscheiden. Wer in Dänemark unterwegs ist, stößt nicht selten auf diesen Kontrast: Selbst die kleinsten Orte und einige abgelegene Industriebauten bieten ein Stück anspruchsvolle Architektur; gleichzeitig dominieren aber meist fade Entwürfe das Stadtbild. Aber diese sind immerhin überwiegend stilrein, Verbautes ist selten zu finden. Auch werden ältere Häuser für gewöhnlich aufwendig und originalgetreu instand gehalten.
So wie die Dänen eine gewisse Affinität zu Design zu haben scheinen, verhält es sich, dem eher belanglosen »parcelhus« zum Trotz, mindestens ansatzweise auch mit der Architektur. Das geht so weit, dass in der linksliberalen Tageszeitung Politiken Architekturkritiken erscheinen, die sich wie Filmkritiken an ein breites Publikum von Konsumenten richten und neue Bauten auf einer Fünferskala bewerten.
Die amtierende rechtsliberale dänische Regierung ist derzeit dabei, das Nationalbewusstsein der Dänen nach innen zu stärken und nach außen »Nation Branding« und Exportförderung zu betreiben. Dabei hilft die Architektur. Im Jahr 2005 wurde ein Kulturkanon präsentiert, in dem die wichtigsten dänischen Kulturgüter verzeichnet sind. Zum Segment Architektur zählten unter anderem Jacobsens Rathaus und die Sydney Oper von Utzon. Einen noch höheren Stellenwert wurde der Architektur eingeräumt, als im Mai 2007 eine offizielle Architekturpolitik der Regierung präsentiert wurde. Ziel dieser von mehreren Ministerien festgelegten Leitlinien ist es, »architektonische Qualität im breiten Sinne« zu etablieren. Dänemark soll sich nach außen hin als Architekturnation positionieren und im Landesinneren soll sichergestellt werden, dass gute Architektur verstärkt eine Rolle spielt. Bauprojekte, in die Staat oder Kommune involviert sind, sollen auch als ästhetische Investition gesehen werden. Zwar tut sich die Architekturpolitik bisher etwas schwer damit, klar zu definieren, was letztlich gute Architektur ausmacht, die Branche ist dennoch erfreut. »An der Formulierung der Architekturpolitik waren mehrere Ministerien beteiligt. Wenn es nun darum geht, die Architektur zu stärken, können wir die Verantwortlichen immer daran erinnern, dass sie an der Architekturpolitik mitgeschrieben haben. Sie haben sich also verpflichtet, der Architektur einen hohen Stellenwert einzuräumen. Niemand wird mehr eine Diskussion um gute Architektur einfach abtun können«, sagt Rikke Krogh, Vorsitzende der Standesorganisation Akademische Architektenvereinigung und Architektin im Büro Schmidt Hammer Lassen. Ähnlich urteilt auch Julian Weyer, Partner von C. F. Møller: »Kurz nach Präsentation der Architekturpolitik haben wir uns gemeinsam mit ein paar anderen Architekturbüros in der Dänischen Botschaft in London präsentiert. Neben dem Botschafter waren auch die Kronprinzessin und der Kultusminister gekommen und die britische Presse war sehr beeindruckt davon, welch hohen Wert Architektur in Dänemark genießt. Das war früher nicht immer so, da haben wir viel mehr ohne öffentliche Unterstützung auf die Beine stellen müssen. Die Architekturpolitik ist Ausdruck eines Wandels.« Branchenvertreter meinen feststellen zu können, dass das Interesse an dänischer Architektur seit der Veröffentlichung der offiziellen Architekturpolitik weiter gestiegen ist. Ähnliche Erfahrungen hatten bereits die Niederlande gemacht, die schon früher eine spezifische Architekturpolitik nutzten, um der Architektur einen höheren Stellenwert einzuräumen und dem Image des Landes einen kreativen Anstrich zu geben.
Auch in der breiten Bevölkerung hat die Politik eine Basis geschaffen. »Wichtiger als die eigentliche Publikation, in der die dänische Architekturpolitik zusammengefasst wird, war die vorangehende Diskussion. Dadurch konnte ein Bewusstsein für die Bedeutung von Architektur geschaffen werden«, so Weyer. Nicht nur die nationale Regierung, auch viele Kommunen haben sich darüber Gedanken gemacht, welche Prinzipien das Stadtbild prägen sollen, und begonnen, lokale Architekturpolitiken zu entwerfen. Dabei geht es erneut weniger um konkrete Bauvorschriften als vielmehr darum, generelle Leitlinien zu diskutieren. Auf nationaler wie lokaler Ebene zeigt sich: Über die Ansprüche an und Qualität von Architektur zu diskutieren hilft, diese zu verbessern. •
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