Allgemein
zwei schweizer im »vogelnest«
~Tido von Oppeln
»Bird´s Nest« ist ein Film über Formfindung und Realisierung des Olympiastadions in Peking. Es ist auch ein Film über kulturelle Differenzen zwischen China und Europa – und natürlich über die Arbeit der Architekten Herzog & de Meuron. Chinas Baubranche boomt, zahlreich sind Unternehmen in den letzten Jahren mit ihrer Produktion in die Volksrepublik abgewandert. Wie elektrisiert sieht die Welt zu, wie eine Wirtschaftsmacht entsteht. Insgesamt vier Jahre, vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung, haben die Regisseure Christoph Schaub und Michael Schindhelm das Bauprojekt begleitet. In dieser Zeit ist die Realisierung mehrfach in Gefahr geraten und die Verhandlungen waren schwierig. Als das IOC Peking für die Spiele von 2008 auswählte, ging es darum, ein Zeichen für Völkerverständigung und Demokratisierung, möglicherweise auch für die Zivilisierung eines vom Militär bestimmten Staates zu setzen. China ist keine Demokratie und Arbeitskräfte sind preiswert. Vor diesem Hintergrund ließen Herzog & de Meuron ihr Stadion entstehen. Ihr Anspruch, ein offenes Gebäude für die Menschen auch nach der Olympiade zu hinterlassen, wirkt optimistisch vor dem Hintergrund chinesischer Realitäten.
44 000 Tonnen Stahl wurden verbaut in einem Stadion für 100 000 Zuschauer, 320 Meter lang und 70 Meter hoch. Die beiden Architekten wirken sympathisch bescheiden in Anbetracht der Dimension und Bedeutung ihres Projekts. Wie es Jacques Herzog einmal im Film formuliert: »In a strange way, we do not always know what we do.« Tatsächlich ist die Chance, das Wahrzeichen für Peking und für die Olympischen Spiele zu entwickeln, der Höhepunkt ihrer Karriere. Herzog & de Meuron nehmen sie ohne größere Skrupel wahr, hinweg über Zweifel und eine politisch-soziale Verantwortung. Sie liefern, was sie als Architekten liefern können und sollten, eine Idee. Das »Vogelnest«, ein positiv besetztes Motiv, mit dem sich die chinesische Regierung weltoffen und kultiviert zeigen kann, ist nur eine der vielen westlichen Architekturen, die einen Imagewandel für China einleiten sollen. Problematisch wirkt dabei die realitätsfremd anmutende Vorstellung der Schweizer, China mit dem neu geschaffenen öffentlichen Raum für das Volk verbessern zu können. Der ursprüngliche olympische Gedanke war es, alle Völker im friedlichen Wettstreit zusammenzuführen, der Gedanke, dass aus diesem Nest ein weltoffenes neues China schlüpft, bleibt eine kühne Hoffnung.
Der Film ist in der deutschsprachigen Schweiz zu sehen, für Deutschland gab es bei Redaktionsschluss noch keinen Verleih. Die DVD ist ab dem Sommer erhältlich.
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