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Spaniens Architektur der Moderne

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Spaniens Architektur der Moderne

Liebe db,

moderne Architektur in Spanien? Für architekturaffine Ausländer, und auch für viele Spanier selbst, beginnt die Zeitrechnung moderner Architektur auf der iberischen Halbinsel meist erst rund ein Jahrzehnt nach Francos Tod. Höchste Zeit also, einmal die Architekten der Moderne zu würdigen, die oft unter großen Widrigkeiten der Diktatur, der Rezession und dem Historismus trotzten.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren die sozialen und politischen Spannungen in Spanien enorm. Nach Monarchie und Diktatur gründete sich schließlich 1931 die Zweite Spanische Republik. Welche Hoffnung auf Erneuerung und Demokratie lag über dem Land! Viele spanische Architekten suchten nach einer angemessenen Architektursprache für diese neue Gesellschaft, schon in den 20er Jahren: In Zaragoza baute der Behrens- und Loos-Schüler Fernando García Mercadal 1928 das Rincón de Goya, ein Museum zu Ehren des Malers Francisco Goya. Es ist eins der ersten und bedeutendsten Bauwerke moderner Architektur in Spanien, ganz ohne die klassische, meist symmetrische Anordnung von Baukörper und Fassadenelementen. 1930 gründeten die modernen Architekten, darunter auch García Mercadal, die Kooperative GATEPAC (Grupo de Artistas y Técnicos Españoles Para la Arquitectura Contemporánea) und legten den Grundstein für die Moderne in Spanien, ganz nach den Idealen von CIAM. V. a. Wohnräume sollten sich verändern: hygienisch, hell, luftig und geräumig. Der Architekt Josep Lluís Sert, der aus Paris von der Zusammenarbeit mit Le Corbusier nach Barcelona zurückkam, realisierte 1931 einen der ersten Bauten: ein Apartmentgebäude in der Carrer Muntaner [1] in Barcelona, das schon äußerlich mit glatter, mintgrüner Putzfassade, bündig eingesetzten Bandfenstern, Loggien und hauchdünnen Betonaustritten ans Bauhaus erinnert. Die eigentliche Revolution fand aber im Innern statt. Hier plante Sert für jede Wohnung einen Maisonette-Grundriss, für jede Etage zwei Bäder und für jedes Zimmer Tageslicht und Platz. Auch heute noch ist das viel Wohnkomfort im überfüllten Barcelona. Mit dem Casa Bloc [2] baute er nur fünf Jahre später nach den gleichen Prinzipien Wohnraum für Arbeiter, 200 Maisonette-Wohnungen, mit Laubengangerschließung, grünen Innenhöfen und viel Licht und Luft in einem damals eher problematischen Stadtteil.
Der spanische Bürgerkrieg beendete die gerade einmal fünf Jahre junge Demokratie und ebenso die erste Phase der Moderne. Viele Architekten von GATEPAC mussten emigrieren, auch Josep Lluís Sert setzte in Harvard (USA) seine Karriere fort.
In den 40er Jahren lag Spanien in Trümmern, wirtschaftlich, sozial, emotional und auch baulich. Architektonisch manifestierten sich die Anfänge der Diktatur mit monumentalen, historisierenden Bauten. Erst Anfang der 50er Jahre fand sich eine zweite Generation von Künstlern und Architekten, die an die Moderne der Vorkriegsjahre anzuknüpfen versuchten. In Barcelona, das sowohl politisch als auch kulturell und architektonisch eine Abgrenzung zu Madrid suchte, gründete sich 1951 die Gruppe R. Ein Mitglied dieser Gruppe war Antonio Coderch, der bei seinem Casa de la Marina (1954) im ehemaligen Fischerviertel Barceloneta die Moderne mit regionaltypischen Elementen mischte. Auf kleinem Grundriss organisierte er die Wohnungen nach bedarfsgerecht, schräg zugeschnitten und platzsparend. Auch er setzte aufs »Durchwohnen« und teilweise auf Maisonette. Die Fassadenoberfläche knickte er leicht, um so mehr Tageslicht zu gewinnen. Hinter großen Lamellenläden verstecken sich Fenster und Loggien. Trotz regionaler Details ist die Fassade typisch: Die Paneele sind bündig in die Fassade eingelassen, die Wohnraumfenster sind übereck, mit zarten Profilen, ausgebildet; das EG ist verglast und zurückgesetzt, sodass ein schwebender Eindruck entsteht.
Der ebenfalls katalanische Architekt Francesc Mitjans, Architekt des legendären Fußballstadions Camp Nou (1957), hatte in den 40er Jahren noch eher historisierend gebaut. Doch spätestens mit seinem Bau des Bürogebäudes Harry Walker (1959) galt sein Interesse der technoiden Leichtigkeit des International Style. Noch heute beeindruckt das Gebäude mit einem fliegenden Betondach über der Panoramaterrasse und mit schlanken Stahlprofilen und -stützen, auch dank einer Fassadensanierung [3] durch b720 Architekten.
Ende der 50er Jahre rückte Spanien aus der Isolation, der Kalte Krieg machte das Land zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. Dank steigender Touristenzahlen und einer Wirtschaftreform entwickelten sich in den 60er Jahren vor allem die Küstenregionen. Massenhaft zogen nicht nur Touristen an die spanische Küste und nach Madrid, sondern auch Spanier, die sich dort Arbeit erhofften. Während einerseits die unkontrollierte Bebauung der Küste voranschritt, suchten einzelne Architekten nach einer urbanen Verdichtung und einer zukunftsfähigen Architekturvision. In Madrid z. B. baute 1969 Javier Saénz de Oiza den Wohnturm Torres Blancas, dessen Sichtbetonrundungen und -scheiben maschinell und, auch aus heutiger Sicht, recht brutal aussehen. Die Wohnsituation dort jedoch ist menschlichen Maßstabs: Die Wohnungen, verteilt auf 21 Geschosse, haben jeweils Gärten in der Höhe, so als wären es Reihenhäuser – Le Cobusiers Idee der vertikalen Stadt. Auch andere wichtige Architekten der Moderne widmeten sich v. a. dem (sozialen) Wohnungsbau wie z. B. Alejandro de la Sota, Miguel Fisac oder Oriol Bohigas.
Auch der wohl bekannteste spanische Architekt dieser Zeit, Ricardo Bofill, realisierte mit seinen Wohngebäuden, wie etwa La Muralla bei Valencia, eine Vision von Dichte mit enormer Raumqualität, kleinen Höfen, privaten Zugängen, verschiedenen Perspektiven und Kleinteiligkeit im Großen. 1974, ein Jahr vor Francos Tod, baute Bofill eines seiner bekanntesten Werke, das Walden [4] bei Barcelona. Spätestens jetzt rückt die spanische Moderne als Postmoderne international in den Blick.
Saludos cordiales, Rosa Grewe
Rosa Grewe liebt Flamenco, das Mittelmeer – und spanische Architektur. Für ein Jahr streift sie quer über die iberische Halbinsel und entdeckt Stadt, Land und Stadtrand, Küste und Landschaft, Unterschiede und Bekanntes. Sie studierte Architektur in Darmstadt und ist seit 2006 Architekturjournalistin.
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