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Eine Satelliteninsel

Das Oosterdokseiland in Amsterdam
Eine Satelliteninsel

Eine Satelliteninsel
3 Der Istzustand ebenfalls vom Hafenbecken aus gesehen 4 Eine schwenkbare Brücke erschließt den Satelliten für Fußgänger 5 Das letzte noch bestehende Gebäude der ursprünglichen Inselbebauung 6 Die Dachterrasse mit Bar auf dem ehemaligen Postgebäude 7 Nach derzeitigen Planungen würde sich das Oosterdokseiland aus der Vogelperspektive 2010 so darstellen
Das Oosterdokseiland, östlich vom Amsterdamer Hauptbahnhof zwischen dem Fluss IJ und dem alten Hafenbecken Oosterdok gelegen, ist momentan eher die Negativform eines Eilands. Wo vor zwei Jahren noch die Hallen eines Postverteilerzentrum standen, klafft nun eine tiefe, von riesigen Spundwänden begrenzte Baugrube. Bis 2010 soll auf der Insel ein multifunktionales Stadtviertel entstehen. The Oosterdokseiland, situated east of Amsterdam´s main station between the river IJ and the old harbour basin Oosterdok, is a present rather the negative form of an island. Where two years ago the post office distribution centre still stood, there is now a deep excavation lined with enormous steel pit sheeting elements. By 2010 a multifunctional urban quarter is to be built on the island.

Text: Anneke Bokern

Fotos: Allard van der Hoek; Renderings: Peter Heavens, Ákos Ignác Ginder, Arte Factory, Giorgio Martocchia, Florent Rougemont
Jahrelang war der südlich der Eisenbahngleise gelegene Teil des Oosterdokseiland ein Stück Amsterdam, das kaum ein Bewohner der Stadt je betreten hatte. Nur vom Zug aus konnte man hin und wieder einen Blick in die Hallen des 1953 erbauten Postverteilerzentrums werfen, das fast die gesamte Insel besetzte. Seit Anfang 2003 standen sie leer, denn nachdem die niederländische Post 1994 ihren Vertrag mit der Bahn gekündigt hatte, wird die Post per Lkw transportiert und die Verteilerzentren allmählich von den Stadtzentren in Autobahnnähe verlagert.
Im Zuge der Wiederentdeckung des Flussufers und der alten Hafengebiete von Amsterdam, die in den frühen neunziger Jahren mit den Hafeninseln KNSM, Java und Borneo-Sporenburg begann, geriet schließlich auch das Oosterdokseiland ins Blickfeld der Stadtplaner. 1998 gewann der Projektentwickler MAB (inzwischenBouwfonds MAB) den Wettbewerb für die Entwicklung der Insel mit dem Vorschlag einer variationsreichen, städtischen Bebauung. »Es kommt selten vor, dass auf einem so großen Grundstück ein neues Stück Innenstadt entstehen kann«, erklärt Isaäc Kalisvaart, Direktor von Bouwfonds MAB, die Attraktivität der Insel. »Für diesen Ort gibt es kaum Baubeschränkungen, so dass eine hohe Dichte möglich ist. Und durch die Entwicklungen entlang des IJ ist das Eiland immer mehr ins Zentrum gerückt. Dabei hat es durch seine hervorragende Anbidung nicht die Nachteile der Innenstadt. Kurz gesagt: Es ist ein Topstandort.«
Der eigenwillige Masterplan für das Oosterdokseiland stammt von Erick van Egeraat Architects. Er sieht eine große funktionale Diversität und hohe Dichte für die Insel vor, auf der neben einer 30 000 m großen Stadtbücherei auch Büros, Wohnungen, ein Hotel, ein Kongresszentrum, ein Konservatorium, Gewerberäume sowie ein europäisch-asiatisches Handelszentrum entstehen sollen. Die Bebauungshöhe steigt von 24 Metern auf der Seite des Hauptbahnhofs bis zur 47 Meter hohen Scheibe eines alten Postgebäudes, dem voraussichtlich einzigen Überbleibsel der ursprünglichen Bebauung, kontinuierlich über sechs Baublöcke an.
Um eine konzeptionelle Verbindung des Inselkomplexes zur nahen Innenstadt zu schaffen, legten EEA die Straßen, die die Baublöcke durchschneiden, ähnlich denen im historischen Grachtengürtel, nach einem strahlenförmigen Nord-Süd-Schema an. Außerdem wurden die verschiedenen Funktionen auf der Insel nach dem Vorbild der Altstadt horizontal und vertikal gemischt. So werden sich zum Beispiel unter Teilen der Stadtbücherei Büros befinden und die oberen Stockwerke des Hotelgebäudes Wohnungen beherbergen.
Städtische Qualitäten soll das neue Viertel nicht nur durch das für die Niederlande ungewöhnlich enge und hohe Straßenprofil »à la Manhattan« bekommen, sondern auch durch eine verkehrsberuhigte Promenade mit Cafés und Läden am stadtzugewandten Südrand der Insel. Als Haupterschließungsroute führt eine mehrspurige Straße vor einer Reihe von Altbauten auf der Nordseite der Insel am Fluss IJ entlang. Neben zwei großen öffentlichen Plätzen – einem »Business Square« beim Handelszentrum und einem »Culture Square« vor der Bibliothek – sollen mehrere halb öffentliche Innenhöfe für Aufenthaltsqualität sorgen.
Der Bau von Parzelle 1 bis 4 hat bereits begonnen und soll bis 2007 fertig gestellt sein. Vor allem der Bau der Tiefgarage und der Stadtbücherei ist schon weit gediehen. Bis 2010 sollen die letzten beiden Baublöcke am östlichen Ende der Insel folgen. Da das Oosterdoks- eiland mit seiner zentralen Lage und guten Sichtbarkeit ein Prestigeprojekt ist, hat man eine illustre, stilistisch gut durchmischte Riege niederländischer und internationaler Architekten für die Ausarbeitung der Bauten engagiert.
Zwei Stararchitekten sind jedoch bereits wieder abgesprungen: Direkt neben dem Hauptbahnhof soll ein Hotel und Kongresszentrum entstehen, für das es Pläne von David Chipperfield gab. Nach einem Investorenwechsel wurde der Auftrag zurückgezogen, so dass man nun auf der Suche nach einem neuen Architekten ist. An den Hotelblock schließt das 8000 m große europäisch-asiatische Handelszentrum an, das zunächst von Toyo Ito entworfen werden sollte, inzwischen aber von Baumschlager & Eberle übernommen wurde und den zeitgeistigen Namen »Network Facility Center« trägt. In Kombination mit asiatischen Geschäften und Restaurants soll es als »New Chinatown« das Chinesenviertel in den engen Gassen der Amsterdamer Altstadt ergänzen. Im Block der Chinatown werden auch dreißig, vom jungen niederländisch-britischen Büro Maccreanor Lavington ausgearbeitete soziale Mietwohnungen liegen. Insgesamt sollen etwa 100 Sozialbauwohnungen auf dem Oosterdokseiland für eine soziale Durchmischung sorgen, denen etwa 240 Eigentumswohnungen in den oberen Stockwerken gegenüberstehen. Diese Wohnungen wurden von Maccreanor Lavington, Baumschlager & Eberle, HvdN Architecten und Meyer en Van Schooten entworfen.
Letztere zeichnen, neben dem Belgier Jo Crepain, auch für die Geschäfts- und Büroflächen in den unteren Stockwerken der mittleren Parzelle verantwortlich. Daran grenzt im Osten die neue Stadtbücherei vom Ex-Reichsbaumeister Jo Coenen, gefolgt vom Konservatoriumsblock von Frits van Dongen/de ArchitektenCie.
Den Schlusspunkt der Insel bildet ein »blobförmiger«, von Future Systems entworfener, Restaurant-Pavillon. Er wird am Fuß des ewigen Zankapfels des Oosterdokseilands, der Hochhausscheibe am östlichen Inselende, gebaut. Obwohl die meisten Amsterdamer wenig Verständnis dafür haben, hat die Stadt diese 1968 von Piet Elling errichtete Perle der Nachkriegsmoderne für erhaltenswert erklärt. Sie war von Anfang an in den Masterplan integriert, was letztlich von ihr übrig bleiben wird, ist jedoch fraglich.
Bis es soweit ist, wird das Postgebäude zwischengenutzt: Seit Anfang 2004 beherbergt es nicht nur das Projektbüro Oosterdokseiland und die Amsterdamer Zweigstelle von Jo Coenens in Maastricht ansässigem Büro, sondern etwa neunzig junge, kreative Firmen, Designer, Architekten und Fotografen sowie eine Kunststiftung und einen Designmöbelladen. Auch Zwarts en Jansma Architecten sitzen dort, aus deren Feder die gesamte neue Unterwelt des Oosterdokseilands mit einer Tiefgarage, einer Fahrradgarage und einem »Leisure Center« stammt. Obendrein haben Zwarts en Jansma die zweite und dritte Etage des Gebäudes zum temporären Unterkommen des Stedelijk Museums für Moderne Kunst umgebaut, dessen Stammsitz am Museumplein derzeit erweitert wird. Als Ersatz für das fehlende Museumscafé dient das Restaurant Elf im obersten
Stockwerk des Baus – früher die Turnhalle der Postbeamten, die hier, mit Aussicht auf die Grachtenstadt, Kniebeugen machten. Die Dachterrasse mit Cocktailbar bildet das Tüpfelchen auf dem »i«.
Dank dieser kreativen Zwischennutzung ist das Oosterdokseiland bereits jetzt zum Teil der Innenstadt geworden. War es früher aufgrund der ausschließlichen Nutzung durch die Post dem Stadtgefüge entrückt, so hat es in letzter Zeit einen Platz auf dem mentalen Stadtplan der Amsterdamer erhalten. Trotz aller konzeptionellen Bezüge zur Altstadt und obwohl es sich in die Perlenkette der Uferentwicklung von den Hafeninseln im Osten bis zum Silodam im Westen einreiht, wird die außergewöhnlich kompakte Bebauung und die Insellage es auch in Zukunft zu einem Satelliten im Stadtzentrum machen. A. B.
Auftraggeber: Oosterdokseiland Ontwikkeling Amsterdam (O.O.A. C.V.) Masterplan: Erick van Egeraat, Maartje Lammers Projektteam: Boris Zeisser, Kristjan Kaltenbach, Alberte Harmsen, Elizabeth Grace, Mika Lundberg, Luc Reyn, Saskia Simon, Sonja Bergau, Anja Blumert, Nuno Pais, Maureen Slattery, Thomas Vos Gesamtfläche: ca. 200 000 m² Raumprogramm: 336 Wohnungen, 15 000 m² Geschäfte und Gastronomie, 80 000 m² Büros, 49 000 m² Kultur und Freizeit Masterplanung: 1998 – 2000 Baubeginn: Mitte 2004; Übergabe: von 2007 bis 2010
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