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»Bauphysikalischer Ernstfall«

Modernisierung von Schwimmhallendächern
»Bauphysikalischer Ernstfall«

Tauwasserprobleme durch Wasserdampfdiffusion werden unter üblichen Klimabedingungen häufig überschätzt. Bei Schwimmhallendächern erzeugen hohe absolute Luftfeuchten und Überdrücke aber kritische Bedingungen. Dann liegt ein bauphysikalischer Ernstfall vor. Von Planern und Ausführenden ist höchste Sorgfalt und Wachsamkeit gefordert. Zwei Schadensfälle demonstrieren die kostspieligen Folgen von Unachtsamkeiten und Fehleinschätzungen.

Text und Fotos: Rainer Oswald

Seit den neunziger Jahren werden in Deutschland in großer Zahl Schwimmhallen modernisiert. Das Augenmerk der Kommunen oder privaten Investoren ist dabei im Wesentlichen darauf gerichtet, durch Um- und Anbauten die Attraktivität der für den heutigen Geschmack oftmals recht tristen Anlagen zu verbessern. In den Modernisierungsbudgets werden die Schwimmhallen-dächer meist stiefmütterlich berücksichtigt. Die letzte Instandsetzung der Dachabdichtung liegt häufig noch nicht lange zurück; mit möglichst geringem Aufwand soll daher nur der Wärmeschutz der Dachflächen durch Zusatzdämmungen auf einen modernen Standard angehoben werden. Dann ist es naheliegend, im Zuge der ohnehin beabsichtigten Erneuerung der Innenverkleidungen auch Innendämmungen vorzusehen. Leider führt diese Vorgehensweise häufig zu schweren Fehlschlägen. Dazu zwei Beispiele:
Konstruktive Situation
Das aus einem Stahlfachwerkträgerrost bestehende Dach einer großen, wettkampftauglichen, städtischen Schwimmhalle aus den sechziger Jahren war ursprünglich als Kaltdach ausgeführt worden. Eine Brettschalung auf Lagerhölzern über den Obergurten diente als Unterlage für mehrlagige, zuletzt in den neunziger Jahren überklebte Bitumendachdichtungsbahnen. Blechpaneele, die einige Zentimeter Dämmung mit Dampfsperre trugen, verkleideten die Untergurte. Der sehr hohe Zwischenraum war über große Lüfteraufsätze in der Dachfläche und breite Luftspalten am weit auskragenden Dachrand belüftet.
Im Zuge der völligen Modernisierung und Erweiterung des Bades wurden – mit Ausnahme der Dachschalung und der darauf aufliegenden, offensichtlich funktionstüchtigen Dachabdichtungen – sämtliche Schichten des Daches ausgetauscht. Entsprechend des neuen formalen Gesamtkonzepts sollte die Stahlunterkonstruktion des Daches nun gezeigt werden; die Wärmedämmung aus Mineralfasermatten wurde daher unter Verzicht auf eine Unterlüftung unmittelbar unter der bestehenden Dachschalung auf Trag-latten angeordnet. Als Luftdichtheitsschicht und Dampfsperre sollte eine kunststoffkaschierte Aluminiumfolie dienen, die freihängend unter die Traglatten getackert wurde. Den optischen Abschluss zum Halleninneren bildeten Holzroste und Alu-Wellplatten (siehe Abbildungen 1 und 4).
Schadensbild
Bereits im ersten Winter nach der Neueinweihung der Schwimmhalle kam es besonders im Bereich der Kehle zwischen den Dachflächen zu so erheblichen Abtropfungen in die Halle (Bild 2), dass das Wasser in Behältern aufgefangen werden musste. Schon an mäßig kalten, trockenen Wintertagen (+1 °C) tropfte in großen Mengen Tauwasser aus den nicht beseitigten Lüfteraufsätzen der oberen Dachschale (Bild 3).
Ursachen
Angesichts der absehbaren erheblichen Kosten einer Mangelbeseitigung wurde über alle erdenklichen Ursachenmöglichkeiten gestritten:
  • Wasserdampfdiffusionsprobleme aufgrund einer zu gering dimensionierten Dampfsperre,
  • Luftundichtheiten der Luft- und Dampfsperrschicht,
  • eine unsachgemäße Auslegung oder ein fehlerhafter Betrieb der haustechnischen Anlagen, die einen ungewöhnlichen Überdruck in der Halle oder zu hohe Luftfeuchtigkeiten unter der Dachfläche zur Folge hätten. ›
› Durch messtechnische Beobachtungen über ein halbes Jahr (Herbst bis Frühjahr) konnte Folgendes festgestellt werden:
Die Innenklimabedingungen lagen mit Werten zwischen 28,6 °C und 32,8 °C und Luftfeuchten zwischen 35 % und 65 % innerhalb der üblichen Grenzen in Schwimmhallen. Sie entsprachen den planerisch vorgegebenen Werten. An kalten Wintertagen wurde zwar untermittelbar unter der Dachfläche der bis zu 10 m hohen Halle ein Überdruck von etwa 10 Pa ermittelt; dieser Wert konnte nach überschläglichen Berechnungen aufgrund des Auftriebs warmer und feuchter Luft aber auch dann erreicht werden, wenn – wie vorgesehen – die Lüftungsanlage mit einem geringen Unterdruck (Abluftmenge > Zuluftmenge) betrieben wird. Mängel an der haustechnischen Anlage konnten daher ausgeschlossen werden.
Ebenso waren Diffusionsdurchfeuchtungen als Ursache auszuschließen. Der sd-Wert der Dampfsperre lag zwar mit rund 900 m deutlich unter dem sd-Wert der 2 cm dicken Bitumendachbahnenschichten (1500 m); wie ein Nachweis nach dem Monatsmittelwertverfahren ergab, waren die sich kumulierenden Tauwassermengen von jährlich 12 g/m² aber so gering, dass es selbst nach fünfzig Jahren nicht zu einer schädigenden Erhöhung des Holzfeuchtigkeitsgehalts kommen könnte. Tatsächlich wurde aber bereits im zweiten Winter die obere Dachschalung in Teilbereichen völlig durchnässt vorgefunden (Bild 5), die Dampfsperre hing an einigen Stellen sackartig durch, beim Anbohren dieser Säcke lief Tauwasser aus (Bild 6).
Die Schäden sind nur durch Luftkonvektion an Undichtheiten in der Dampfsperr- und Luftdichtheitsschicht zu erklären. Bei der näheren Besichtigung fanden sich Lecks an den zahlreichen Durchdringungen des Stahltragwerks. Die Verklebungen zwischen Dampfsperrfolie und neu beschichteten Stahloberflächen hatten sich gelöst (Bilder 7 und 8).
Diesen Ursachenzusammenhang bestätigte die folgende Messung: An einem mäßig kalten Wintertag mit Temperaturen von +1 °C betrug die Temperatur bei einigen Lüftern in der Dachfläche auf der Außenseite der 16 cm dicken Wärmedämmung etwa 19 °C. Dies kann nur durch das Durchströmen der Wärmedämmung von Warmluft aus den Schwimmhalleninneren erklärt werden.
Der Wassertransport durch Mitführung im Luftstrom ist um ein Vielfaches leistungsfähiger als die eher träge Wasserdampfdiffusion durch Fehlstellen. Dies gilt schon für normale Klimabedingungen, erst recht aber für die absolut feuchte Luft in Schwimmhallen. Die groben Anschlussfehler sind selbstverständlich in erster Linie handwerklich bedingt. Der Planer hätte sich klar machen müssen, dass lose durchhängende, dünne Dampfsperren auf einem weichen Wärmedämmstoffuntergrund an den Bahnenüberlappungen kaum dauerhaft verklebt werden können, da dazu eine entsprechend feste Rücklage fehlt. Auch war ein Konzept, das an Hunderten von Stellen Durchdringungen der Dampf- und Luftdichtheitsschicht zur Folge hat, prinzipiell schadensträchtig. Es lag also auch ein Planungsfehler vor.
Zur Instandsetzung wurde entschieden, die gesamten inneren Verkleidungen und die neuen Wärmedämmschichten von verschiebbaren Portalgerüsten aus vollständig zu entfernen und danach durch Inspektion von der Unterseite zu klären, inwieweit die partiell stark durchfeuchtete Holzschalung noch in der Dachkonstruktion verbleiben kann. Dies war in größeren Bereichen der Fall. Dann wurde außenseitig auf der bestehenden Bitumendachbahnenabdichtung, die nun als Dampfsperre diente, ein neuer Warmdachaufbau hergestellt, der mit PVC-Weich-Kunststoffbahnenabdichtungen einlagig abgedichtet wurde.
Schlussfolgerungen
Immer dann, wenn hohe Luftfeuchtigkeiten, insbesondere aber Überdrücke, unter Dächern oder hinter Fassaden zu erwarten sind, muss auf die absolute Fehlstellenfreiheit der Luft- und Dampfdichtheitsschicht geachtet werden. Durchdringungen sind auf das absolute Minimum zu reduzieren und sorgfältigst zu planen und zu überwachen. Das Ergebnis der Arbeiten sollte vor Montage von abdeckenden Verkleidungen grundsätzlich durch Differenzdrucktests überprüft werden, die durch thermografische Messungen begleitet werden sollten, um verbleibende Lecks zu orten. Freihängende Luft- und Dampfdichtheitsschichten sind in solchen Situationen grundsätzlich abzulehnen – solche Schichten benötigen einen stetigen, festen Untergrund, um zuverlässig luftdicht herstellbar zu sein.
Beispiel 2 – Luftdichtheitsschicht aus Rein-Aluminium
Ein zweiter Schadensfall soll allerdings zeigen, dass selbst bei Beherzigung dieser Regeln noch Fehler unterlaufen können:
Konstruktive Situation
Bei einer kleineren Schulschwimmhalle mit Lehrschwimmbecken war nur die untere Verkleidung des mit Faserzementwellplatten eingedeckten, bekriechbaren Holzdachstuhls erneuert und mit einer 20 cm dicken Mineralfaserdämmung versehen worden. Hier hatte man sehr wohl berücksichtigt, dass Dampfsperr- und Luftdichtheitsschichten einen stetigen Untergrund benötigen. Es war daher eine Schalung aus OSB-Platten montiert worden, die unterseitig mit einer Dampfsperrfolie aus 0,05 mm dickem Reinst-Aluminium beklebt wurde. In die darunter abgehängte Innenverkleidung zur Schwimmhalle aus Alupaneelen hatte man aus Schallabsorptionsgründen 2,5 cm Mineralfaserdämmung lose eingelegt (siehe Abbildung 9).
Schadensbild
Auch hier kam es nach wenigen Jahren zu deutlichen Abtropfungen aus dem Hallendach. Bei einer Dachbegehung wurde im Winterhalbjahr erhebliche Tauwasserbildung unter der Faserzementplatteneindeckung, im Holztragwerk (Bild 10) und in den OSB-Platten (Bild 11) festgestellt.
Ursachen
Zum Schaden hatten mehrere Ursachen beigetragen:
  • Neben den im vorangehenden Fall schon beschriebenen Problemen der Fehlstellen an hier auf Fliesen verklebten Randanschlüssen (Bild 12) war der Dampfsperrenwerkstoff falsch ausgewählt worden: Aluminium ist in dünnen Schichten ohne Folienkaschierung empfindlich gegen Säuren und Laugen, insbesondere Alkalilaugen (Natron, Kalilaugen) und Hallogenwasserstoffsäuren. Auch feuchtes Holz kann Aluminium angreifen. Die Aluminiumfolie war daher an vielen Stellen durchkorrodiert (Bild 11). Die innere Dämmung hatte dabei zur Feuchtebelastung der Dampfsperre beigetragen.
  • Die innere, raumakustisch motivierte Dämmung unter der Dampf- und Luftdichtheitsschicht hatte sich aber vor allem wegen extrem ungünstiger Innenklimabedingungen nachteilig ausgewirkt. Die Lüftungsanlage wurde nachts nämlich abgeschaltet. Die relative Luftfeuchtigkeit im Halleninneren stieg dann auf 85 % bei 29 °C – das heißt zu einem Wasserdampfpartialdruck von 3405 Pa an. Dann kann es zu Tauwasser unter der Aluminiumdampfsperre kommen, das auch angesichts der Chloranteile in der Luft korrosiv auf die dünne, ungeschützte Aluminiumschicht einwirkt. ›
› Der tatsächliche Aufwand zur Dachinstandsetzung ist beim zweiten Fall im Wesentlichen von den Ergebnissen der Analyse der dauernden Schädigung des Dachtragwerks und vom Umfang des Schimmelbefalls in den OSB-Platten abhängig.
Fazit
Beide Fälle demonstrieren, wie wesentlich bei der Instandsetzung von Schwimmhallen die komplexe Berücksichtigung der Gesamtsituation ist: Die baukonstruktiven, wärmeschutztechnischen, schallschutztechnischen und haustechnischen Randbedingungen sind im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Feuchtebelastung des Daches zu bewerten. Angesichts der erheblichen Folgen von selbst kleinen Undichtheiten sind baubegleitende Qualitätskontrollen, die auch Differenzdrucktests umfassen sollten, dringend zu empfehlen. Alle Beteiligten müssen wissen, dass die unteren Schichten in Schwimmhallendächern mit wesentlich größerer Sorgfalt geplant und hergestellt werden müssen als in Dächern über Räumen mit normalen Klimabedingungen.
In beiden Fällen sind die Luftundichtheiten zum Teil durch Ablösungen der verklebten Anschlüsse verursacht. Über die Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit von Klebeverbindungen ist in den letzten Jahren häufig gestritten worden, da DIN 4108 im Teil 7 grundsätzlich – zumindest bei Anschlüssen an Innenputzen – nur das Einputzen oder Anklemmen des Folienrandes vorsieht. Sowohl an Durchdringungen als auch bei den hier vorliegenden Materialien (Stahluntergrund und Fliesen) ist der Anschluss über Klebeverbindungen durch Klebebänder oder Klebemassen allerdings unumgänglich. Untersuchungen zeigen, dass die Dauerhaftigkeit der Klebeverbindung wesentlich von der Beschaffenheit des Untergrunds abhängig ist. Weiterhin ist entscheidend, ob die Verbindung auf Abschälen beansprucht wird.
Solange genauere Regeln fehlen, kann zur ersten Problematik nur eine gewisse Planungssicherheit erreicht werden, indem man sich vom Hersteller des Klebebandes oder Klebers oder dem Lieferanten des gesamten »Luftdichtheitssystems« ausdrücklich die dauerhafte Eignung für den speziell vorliegenden Untergrund unter Vorlage von entsprechenden Prüfzeugnissen bestätigen lässt. Konstruktiv muss eine möglichst kleine Schälbean-spruchung sichergestellt werden, indem beispielsweise die Luftdichtheitsschicht nicht zur Lastabtragung der aufliegenden Dämmung verwendet wird.
Während die Regelwerke zum klimabedingten Feuchteschutz und zur Luftdichtheit (DIN 4108 Teile 3 und 7) auf den Sonderfall von Räumen mit Überdruck und hoher Luftfeuchte nur am Rande eingehen, widmet die neue DIN 18 531 Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer im Teil 1 diesem Problem bezüglich der Luftdichtheit von Dachabdichtungen einen eigenen Abschnitt:
»6.3.4 Überdruck und hohe Luftfeuchte: Raumklimabedingungen, die ungewöhnliche, über das übliche Sorgfaltsmaß hinausgehende Anforderungen an die Verlegetechnik und die Ausführung der An- und Abschlüsse sowie Durchdringungen stellen, müssen in der Ausschreibung vom Planer definiert und mit Angabe der daraus abzuleitenden Konsequenzen dem Ausführenden bekannt gegeben werden. Solche Bedingungen liegen z. B. bei klimatisierten Räumen mit Luftüberdruck und in Räumen mit hoher Luftfeuchte (z. B. Schwimmhallen) vor.« Gleiches gilt selbstverständlich analog für die Sorgfalt bei der Planung und Ausführung der Luftdichtheits- und Dampfsperrschicht.
Wenn auch bei Schwimmhallen die Problematik so offensichtlich ist, dass ein Handwerker auch ohne ausdrücklichen Hinweis des Planers die Bedeutung einer sehr sorgfältigen Arbeit erkennen muss, so macht doch die zitierte Normpassage die entscheidende Verantwortung des Planers deutlich. •
Literaturhinweise:
DIN 18 531 Teil 1; Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Begriffe, Anforderungen, Planungsgrundsätze, November 2005
DIN 4 108 Teil 7 : Wärmeschutz im Hochbau, Luftdichtheit von Gebäuden, August 2001
Dahmen, Günter: Leichte Dachkonstruktionen über Schwimmbädern – Schadensfolgen und Konstruktionshinweise. In: Aachener Bausachverständigentage, Wiesbaden, 1993
Geißler, Achim: Luftdichtheitssysteme – Theoretische und praktische Aspekte. In: Bauphysik 24, Heft 3/2002
Maas, Anton und Rolf Gross: Qualitätssicherung klebebasierter Verbindungstechnik für Luftdichtheitsschichten. In: Bauphysik 27, Heft 2/2005
Über Luftdichtheiten in Dachflächen bei Überdrucksituationen wurde in der Schwachstellenserie zuletzt vor sechs Jahren (db 05/2001) berichtet.
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