Heilbronn putzt sich heraus, und der Erweiterungsbau der »experimenta« setzt dazu das erste Glanzlicht. Naja, Erweiterungsbau – das bisherige Science Center hatte 7 500, nun kommen 13 500 m² Nutzfläche in einem Neubau hinzu, der das bestehende Haus (ein umgebauter und durch einen Anbau ergänzter Speicher, s. 5/2010, S. 22) zum kleineren Nachbarn an einer gemeinsamen Piazza macht. Sauerbruch Hutton hatten 2013 den Wettbewerb unter 18 Büros gewonnen, die geplante Eröffnung wurde wegen archäologischer Grabungen auf den April 2019 verlegt – was gut passt, öffnete doch kurz danach auch die Bundesgartenschau ihre Tore.
Auf einer baumbestandenen Neckarinsel, zwischen Bahnhofsvorplatz und Innenstadt gelegen, konnte man es sich leisten, einen wuchtigen Solitär zu platzieren. Fünf Geschosse, jedes fünfeckig im Grundriss, sind gegeneinander verdreht, als sei das Haus ein überdimensionales Spielzeug; aus dem weit ausgreifenden Sockel lugt die Kuppel des 3D-Kinos hervor. Die unterschiedlich bedruckten oder von innen durch Ausstellungsarchitektur geschlossenen Glasscheiben der weitgehend konventionellen, aber präzise gestalteten Fassaden verleihen dem Haus einen hermetischen, für Sauerbruch Hutton ungewöhnlich kraftvollen Ausdruck in Glas und Metall – ohne Farbe. Lediglich die Innenwände zeigen ein kräftiges Rot, das nach oben hin geschossweise immer stärker ins Orangefarbene spielt.
Die Geschossdrehung folgt der Konzeption der spiralartig um den Kern gedrehten Ausstellungs- und Experimentierflächen, die mit einer umlaufenden, außen ablesbaren Treppe verbunden sind und auf eine Dachterrasse münden. Um die Ausstellungsflächen stützenfrei zu halten, ist der tragende Kern mit den Stahlfachwerkträgern der Fassadenebene zu einer steifen Gesamtkonstruktion verbunden.
In das recht schmale Auge im Zentrum des Wirbels sind Experimentierstudios eingehängt, die das Bild des scheinbar leichten Ineinandersteckens und Drehens wiederholen – abgeleitet vom Hausinhalt, in dem allerlei naturwissenschaftliche Phänomene, Methoden und Erkenntnisse spielerisch und aktiv nachvollzogen werden können.
Leicht war es freilich nicht, diese gewagte Konstruktion umzusetzen. Und so ist das Kraftpaket auch Ausdruck eines Willens zur Präsenz und des Ehrgeizes der Stadt am Neckar.
Im August 2019 mit dem Diamant-Zertifikat der DGNB ausgezeichnet
- Standort: Experimenta-Platz, 74072 Heilbronn
Architekten: Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten, Berlin
Bauzeit: Juni 2016 (Grundsteinlegung) bis März 2019 (Eröffnung)
Bauherr: Dieter Schwarz Stiftung / Schwarz Real Estate, Heilbronn
BGF: 25.000 m²
Energiekonzept: Kombination aus Grundwassernutzung, Wärmepumpentechnik und natürlichen Schwerkraftkühlsystemen. - Architektonische Lichtplanung: Licht Kunst Licht, Bonn/Berlin, www.lichtkunstlicht.com
Inszenatorische Lichtplanung (Ausstellungsbereiche, Raumspirale, Foyers, Akzentbeleuchtung Shop): maierlighting, Tübingen, www.maierlighting.de
Management, Planung (u.a. Elektro) und Bauleitung per BIM und vollintegrierter 3D-Planung: Drees & Sommer, Stuttgart, www.dreso.com - Hersteller von Komponenten und Produkten (Auszug):
Lineare Downlights zwischen den Lamellen – iGuzzini
Lineare Lichtlinien in der Talentschmiede – LED Linear
Lineare Einbauleuchten WC/Garderobe – Selux
Runde Einbauleuchten UG – Zumtobel
Runde Pendelleuchten im Restaurant – Objektleuchten Berlin