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Wer kann, kommt nach Cannes

Der Immobilienmarkt als Gradmesser für Bauinvestitionen
Wer kann, kommt nach Cannes

Die Rahmenbedingungen für die 17. Internationale Immobilienmesse in Cannes waren selten so günstig, sieht man mal von den Außentemperaturen ab, die sich für südfranzösische Verhältnisse Mitte März noch ungewöhnlich kühl zeigten. Der »Marché International des Professionels d’Immobiliers MIPIM« ist eine französisch-amerikanische Erfindung und hat sich zum führenden Marktplatz für Immobilieninvestments, Projektentwicklungen und Transaktionen weltweit entwickelt. Nach einer kurzen Flaute durch die Auswirkungen der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 und die Konkurrenz durch die Expo Real in München mit Fokus auf Europa kamen in diesem Jahr mehr Besucher und Aussteller aus mehr Ländern denn je an die Côte d’Azur, so dass das durch die Filmfestspiele bekannte Palais des Festivals in seiner betonbewehrten Klotzigkeit gar nicht alle Stände fassen konnte. Die Zeltstadt ringsum weitet sich von Jahr zu Jahr aus und sortiert Franzosen, Russen oder Italiener, während sonst in den vorwiegend fensterlosen Etagen fröhliches Durcheinander herrscht. Langjährige Kenner der Messe vermissen inzwischen den kurzen Kontakt untereinander, das internationale Gemisch. Die wichtigen Gespräche aber finden ohnehin woanders statt, in den Salons der Nobelherbergen entlang der Croisette oder auf den zahlreichen Luxusyachten, die am Hafenkai vertäut sind.

Zum Ritual gehören die Marktdatenberichte führender Beratungsunternehmen wie CB Richard Ellis oder Jones Lang Lasalle, die in diesem Jahr rund um den Globus keinen Abwärtstrend ausfindig machen konnten. Das Gesamtvolumen des Immobilienmarktes in Europa, der zunehmend zu grenzüberschreitenden Transaktionen tendiert, betrug 2005 141,5 Milliarden Euro, wobei zehn Prozent auf die EU-Beitrittsländer entfielen, auf Großbritannien jedoch 54 Prozent. Bei guten bis sehr guten Wachstumsaussichten – allein der wichtige deutsche Markt hinkt noch etwas hinterher –, den immer noch niedrigen Kreditzinsen und einer unvorstellbar großen Geldmenge, die nach diversifizierten Anlagemöglichkeiten sucht, sind es überwiegend große Projekte, die aufwändig präsentiert werden. Aber nicht jeder, der viel Geld in einen Messeauftritt investiert, kann durchstarten, denn es wird hier nichts verschenkt. Auf der Suche nach lohnenden Objekten sondiert man etwa bei DIFA Deutsche Immobilien Fonds AG genau, wo sie lokalisiert sind und wer dahinter steht. Kontinuierlich werden 170 Länder weltweit beobachtet, um nach Kriterien wie dem Wachstum der Volkswirtschaft, dem Eigentumsrecht, der Steuertransparenz und Professionalität des heimischen Immobilienmarktes schließlich 38 Länder auszumachen, die überhaupt für ein Investment in Frage kommen. Diese Länder liegen derzeit – außer in den Stammmärkten von Westeuropa, Großbritannien und USA – in Mittel- und Osteuropa, in Ostasien angeführt von China, am persischen Golf, in der Türkei und in Mexiko. Punktuell ist auch Island interessant, das Projekt eines Konferenz- und Musikzentrums in Reykjavik der dänischen Architekten Schmitt Hammer Lassen erhielt eine Anerkennung zum Future Award der Architectural Review. Die Landkarte der MIPIM wird zwar bunter, so lernt man etwa, wo Putin in Sotschi Urlaub macht, aber sie ist beileibe nicht beliebig.
Bei den großen Projekten ragen, wie könnte es anders sein, Wolkenkratzer in jeder nur erdenklichen Form in die Höhe, oft wird es sogar eng unter dem Zelthimmel wie bei Dubai International Properties, die ihren Bauboom exportieren, um in Istanbul am Bosporus unter dem Namen »Dubai Towers« zwei in sich gedrehte Zwillingstürme nach dem Entwurf von Skidmore Owings Merrill zu realisieren, mit 50 000 Quadratmetern Bürofläche, 17 000 für Einzelhandel und Unterhaltung, einem Fünf-Sterne-Hotel und 467 Wohneinheiten – die übliche Mischung also. Gemeinsam mit dem Brüsseler Bauunternehmen Lafarge ging der Pariser Architekt Jacques Ferrier mit einer anderen Vision hausieren, dem Konzept »Hypergreen« als umwelt- und stadtverträglichem Hochhaustyp, trichterförmig mit in einem Tragwerksnetz aufgehängten Etagen, auf denen sich Büros oder Gärten ausbreiten können.
Immer mehr Raum nehmen auf der Messe die Städte und Regionen ein, und es fällt auf, dass ihre Auftritte professioneller werden; die Projekte, die sie zur Messe mitbringen, fügen sich in größere Entwicklungspläne zur Neubelebung bestehender Stadtgefüge ein. So punktete das erstmalig vertretene Montreal mit dem Zukunftsprojekt »Imagining – Building Montreal 2025« für voraussichtlich 55 Milliarden Dollar und hatte das Stadtmodell dazu gleich mitgebracht. In Mailand heißt es »La città che cambia«, die Stadt wandelt sich, was wörtlich zu nehmen ist, denn ein Grünflächen-Masterplan des in Mailand und Duisburg ansässigen Büros Kiphar schafft anknüpfend an den Bestand neue Qualitäten und damit Areale für neue Bauentwicklungen.
In Frankreich geraten neben Paris, wo man gerade einen Zehnjahresplan für die Neubelebung des Büroviertels La Défense beschlossen hat, auch Städte wie Lille, Lyon oder Marseille ins Blickfeld von Investoren und überall ist Großes im Gange: Marseille rückt mit dem Projekt »Euroméditerranée« im Bereich des Seehafens wieder ans Meer, hat seine alten Docks für Büros, Geschäfte und Wohnungen restauriert und baut gerade mit Zaha Hadid ein Hochhaus. Für das künftige Euromed Center ist u. a. Massimiliano Fuksas mit im Boot.
Zugpferde sind häufig die großen Namen der Architektenszene, so etwa Renzo Piano, der mit Peek & Cloppenburg den Sonderpreis der Jury zum MIPIM Award für das »Weltstadthaus« in Köln gewann, oder Norman Foster, der sein Projekt »New Holland Island« für St. Petersburg präsentierte und dessen Entwurf »Eurogate« am Duisburger Innenhafen nun in die Realisierungsphase eintreten soll. Ausschlaggebend ist nur zum Teil der Bekanntheitsgrad, wichtiger könnte es sein, dass diese Büros in der Lage sind, dem Tross der Entwickler und Investoren bis in entlegene Weltgegenden zu folgen. Andere werden selbst aktiv wie der in Cannes ansässige Guy C. Perry, der als Architekt und Projektentwickler mit Büros in acht Ländern Osteuropas und Südamerikas ein Netz ökologisch ausgerichteter Pläne knüpft. Deutsches Know-how in Architektur und Städtebau genießt zwar weltweit hohes Ansehen, deutsche Architekten aber sind nur selten mit im Spiel. Paul Miller, der sich mit Michael Aukett aus der Architekturfabrik Aukett verabschiedet hat, um wieder richtig bauen zu können, versichert, dass er in dreißig Berufsjahren kein einziges Bewerbungsgespräch mit einem jungen deutschen Architekten geführt habe, obwohl alle möglichen Nationalitäten bei ihnen vertreten gewesen seien. Vielleicht wäre es für die Zukunft nicht schlecht, Koreanisch zu lernen, denn in Südkorea ist 2005 der Spatenstich vollzogen worden für eine der ambitioniertesten Entwicklungen weltweit, die »Asian Culture Hub City« in Gwangju, wo dem Trend der Zeit vorauseilend Kultur zum Leitmotiv werden soll in einer Stadt des menschlichen Miteinanders, der Bildung und des kulturellen Austausches. Auch solche Projekte brauchen den Immobilienmarkt und die MIPIM, um zu gelingen. Gudrun Escher
Die Autorin lebt und arbeitet als freie Wissenschaftlerin und Journalistin in Mülheim an der Ruhr.
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