Russische Revolutionsarchitektur 1922–32. Von Richard Pare. 348 Seiten mit 375 Farbtafeln, einem Vorwort von Phyllis Lambert und einer Einführung von Jean-Louis Cohen. Gebunden, 78 Euro, 127 sFr. Schirmer/Mosel Verlag, München, 2007
~Dagmar Ruhnau
Wussten Sie, dass der berühmte Moskauer Schabolowka-Radioturm von Wladimir Schuchow noch steht? Doch, in der Schabolowka uliza 37, und er tut noch seinen Dienst. Genau wie viele andere Bauten aus der kurzen, dynamischen Epoche der Moderne in der UdSSR, in der neue Bauaufgaben wie Fabriken, Arbeiterklubs, Großküchen, nach Berufen »sortierte« Wohnbauten und Schulen ihren ebenfalls neuen architektonischen Ausdruck bekamen: der Russakow-Arbeiterklub von Konstantin Melnikow, das Centrosojus-Gebäude von Le Corbusier, das Gosprom-Gebäude von Sergej Serafimow, Mark Felger und Samuil Krawetz.
Der Fotograf Richard Pare bereiste in den neunziger Jahren Moskau, Jekaterinenburg, St. Petersburg, Charkow, Kiew und Baku, um den Zustand dieser Bauten festzuhalten. Herausgekommen ist zwar keine Dokumentation, es gibt keine Grundrisse und keine genaue zeitliche Datierung von Foto und Kommentar. Aber es ist eine herrliche Sammlung von Momentaufnahmen der Bauten, die wir nur aus den Baugeschichtsbüchern kennen. Nicht nur die großen, ikonografischen Gebäude, sondern auch die kleinen, unbekannten – ein Wartehäuschen, ein Wasserturm, Arbeitersiedlungen aus Holzhäusern – sind in dem Band enthalten. Viele Bauten sind in erbärmlichem Zustand, durch Witterungseinflüsse angegriffen oder bis zur Unkenntlichkeit umgebaut. Manche wiederum wurden so stark geplündert, dass sie zwar nicht mehr nutzbar sind, aber ihre klare Struktur wieder zeigen. Ein paar sind gut erhalten, so das Iswestija-Hochhaus oder das Wohnhaus von Konstantin Melnikow, zu dessen Erhalt und Renovierung Richard Pare selbst beigetragen hat, oder das Woroschilow-Sanatorium von Stalins perönlichem Architekten Miran Merschanow. Bedroht sind die meisten, wenn nicht durch den Zahn der Zeit, dann durch die explodierenden Grundstückspreise in den Metropolen, angesichts derer der Erhalt mancher Gebäude gar nicht ernsthaft diskutiert wird.
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