Hrsg. von Gerwin Zohlen. Katalog Deutscher Werkbund Berlin. 159 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Kartoniert, 36 Euro, 58 sFr. Niggli Verlag, Sulgen, 2006
~Peter Struck
Mit der historischen Gartenstadtbewegung hat die Berliner »Gartenstadt« Atlantic herzlich wenig zu tun: Statt Einfamilien-Reihenhäusern reihen sich dort große Mietshäuser, ihr Zentrum bildete einst der 22 Meter hohe Zylinder der Lichtburg, des damals größten Kinos Berlins. Das wiederum war Höhepunkt eines Unterhaltungskomplexes, der Tanzsäle, Restaurants und Kegelbahnen umfasste. Gerade dieses Herzstück der Anlage, das sich als schwungvolle architektonische Geste organisch aus der Bebauung entwickelte, wurde im Krieg beschädigt, notdürftig wieder aufgebaut und 1970 abgerissen. Die übrige Siedlung wurde gerade für ihre behutsame Sanierung und maßvolle Modernisierung ausgezeichnet.
Die 1925–29 errichtete Gartenstadt bildete den grandiosen Auftakt in der Karriere des noch jungen Architekten Rudolf Fränkel, der über sechzig Bauwerke entwarf. Zu Lebzeiten viel beachtet, ist er heute selbst in der Fachwelt so gut wie unbekannt. Das mag nicht zuletzt an seiner unaufdringlichen, auf den ersten Blick nur moderat modernen Architektur liegen. Auch die Gartenstadt Atlantic war keine Experimentalsiedlung der Avantgarde. Ihr Denkmalwert besteht vielmehr in der hohen städtebaulichen und baukünstlerischen Qualität eines durchgrünten Wohnquartiers für ärmere Schichten: Ihr Grundriss ähnelt einem Tortenstück, das durch zwei bogenförmige Straßen in drei Teile geteilt wird. Die fünfzig Wohnhäuser bestechen durch individuelle Varianten, ihre 500 Wohnungen durch höchst funktionale Grundrisse. Vor allem überzeugt das großzügige Konzept sozialen Wohnungsbaus durch die gelungene Integration von Gewerbe, Wohnen und Freizeitkultur. Umso deutlicher klafft heute die Wunde des fehlenden kulturellen Zentrums.
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