Claude-Nicolas Ledoux
Architektur und Utopie im Zeitalter der Französischen Revolution. Von Anthony Vidler. 160 Seiten mit 48 Farb- und 94 Duoton-Abbildungen. Gebunden, 29.90 Euro. Birkhäuser Verlag, Basel, 2006
Die Experimente der abstrakten Moderne wie die Monumente faschistischer Regime sind nicht denkbar ohne die utopischen Visionen des wohl radikalsten Revolutionsarchitekten – Claude-Nicolas Ledoux (1736–1806). Die geometrische Reinheit seiner Architektur zielt auf das Wesentliche. Doch diese architektonische Metaphysik ist nie abstrakt, sondern voll bildhafter Emblematik: emotionale, sprechende Architektur, die die innewohnenden Ideen ausdrückt. Ledoux geht es nicht um theatralische Effekte. Er ersinnt symbolische Orte und idealisierte Arbeitsstätten. Erhabene, puristische, fast nackte Gebilde wie das kugelförmige Haus des Flurwächters oder die wie Pyramiden geformten Hochöfen an den vier Ecken einer Kanonenfabrik: Diese zeichenhafte Architektursprache führt nicht selten zur monströsen Übersteigerung geometrischer Grundformen, die ihr Thema fast karikieren. Und doch wurden viele seiner visionären Entwürfe realisiert. Bestes Beispiel ist die halbkreisförmige Saline von Chaux, das feudalistische Bindeglied zwischen den Renaissance-Villen Palladios und den Industriestadt-Utopien des 19. Jahrhunderts: kalkuliertes Symbol der Macht und Kontrolle, eine dramatische Inszenierung geometrischer Formen, versehen mit rustikalen, fast »primitiven« Ornamenten.
Säulen ohne Basis und Pfeiler ohne Füße – mit Palladio verbindet Ledoux die souveräne Missachtung historischer Genauigkeit und ein nahezu unerschöpflicher Einfallsreichtum: Seine Pariser Zollhäuser sind eine Mustersammlung typologischer Variationen. Das Buch gibt einen guten Überblick über das Werk des eigenwilligen Visionärs, unterscheidet jedoch nicht zwischen utopischen Fantasien und gebauter Realität. Peter Struck
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