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Neuer verbund

Textilbewehrte Brücke in kempten
Neuer verbund

Im Oktober entstand in Kempten die zweite Brücke in Deutschland aus textilbewehrtem Beton, der »Rottachsteg«, ein Einfeldträger in Segmentbauweise mit aussteifenden Rippen. Der wesentliche Vorteil textilverstärkten Betons, die Möglichkeit, geringe Wanddicken von wenigen Millimetern bis einigen Zentimetern zu realisieren, kam gestalterisch zwar nur bedingt zum Wirken, dennoch kann mit dem Bau die Tragfähigkeit solch neuartiger Konstruktionen – bei einer Spannweite von 16 Metern – bewiesen werden.

Text: Markus Gabler

Die neue, textilbewehrte Fußgängerbrücke ersetzt eine ehemalige Geh- und Radwegüberführung über die Rottach, deren bestehende Widerlager weitgehend erhalten bleiben sollten. Das geringe Eigengewicht von 12,5 t und der hohe Vorfertigungsgrad des Überbaus waren entscheidende Gründe für die letztlich realisierte Konstruktion. Die Rottachbrücke ist als Weiterentwicklung des Stegs zur Landesgartenschau in Oschatz aus dem Jahr 2005 zu sehen, der eine Spannweite von 8,6 m hat. Die größeren Dimensionen und die planmäßige Nutzung durch leichte Fahrzeuge – zulässig sind hier 3,5 t – bedingten in diesem Fall jedoch Anpassungen. Konstruktion und Entwurf der leicht gekrümmten Brücke stammen vom Institut für Massivbau der TU Dresden, die Fertigung und Vormontage erfolgte im Betonwerk Oschatz in Sachsen. Der Bauherr, die Stadt Kempten, wurde durch den Steg in Oschatz auf den neuartigen Werkstoff aufmerksam und ging daher auf die TU Dresden zu. Auffälligstes Merkmal des Einfeldträgers ist der trogförmige Überbau und die markante Rippenaussteifung der Stege und der Lauffläche. Die gewählte, organische Formensprache resultiert aus dem Bestreben nach einer werkstoffgerechten Konstruktion und den damit gegebenen Randbedingungen. Vor allem aus fertigungstechnischen Gründen fiel die Wahl auf eine Segmentbauweise. Der Rippenabstand entspricht der Elementlänge von 93 cm, es steht eine Nutzbreite von 1,75 m zur Verfügung.
Während sich bei Stahlbetontragwerken aus der erforderlichen Betondeckung zum Schutz des Stahls vor Korrosion eine Bauteildicke – unabhängig von der tatsächlichen Auslastung – von mindestens 10 cm ergibt, ist beim Einsatz korrosionsbeständiger Fasern (hier: Glasfasern) keine Schutzummantelung notwendig. Daher können mit dem neuen Werkstoff insbesondere flächig aufgelöste Bauteile und minder belastete Tragglieder wesentlich filigraner ausgeführt werden als im klassischen Massivbau.
So hat der trogförmige Überbau der Brücke über die Rottach in den unverstärkten Bereichen auch nur eine Wanddicke von 3 cm. Zur Stabilisierung der dünnen Platten sind allerdings Aufkantungen von bis zu 25 cm erforderlich, die Dicken sind mittels fließender Übergänge an den Kräfteverlauf angepasst. Die Oberkanten der Stege und die Ecken zu der Lauffläche sind ebenfalls verstärkt ausgeführt, um einerseits als Längsrippen die Flächen zu stabilisieren und andererseits das Trägheitsmoment des Gesamtquerschnitts zu optimieren und ausreichend Platz für die eingesetzten Spannglieder zu schaffen. Während der gesamte Überbau in Querrichtung monolithisch ausgeführt ist, sind in Längsrichtung die insgesamt 18 Segmente stumpf gestoßen und nur über Reibung unter Längsvorspannung gekoppelt. Die Endverankerungen der Monolitzen liegen in den vorgesehenen Spannnischen und wurden abschließend vergossen, so dass die Endsegmente dementsprechend verstärkt ausgeführt sind. Die Lauffläche ist mit einem Dünnbelag auf Reaktionsharzbasis beschichtet, die Innenseite der Brüstungen und der Handlauf heben sich durch eine Beschichtung farblich ab.
fertigung
Der Herstellung der Fertigteile erfolgte segmentweise, dabei war die Produktionsgeschwindigkeit beziehungsweise der Betoniervorgang ausschlaggebend für die gewählte Größe der Elemente; die Abbindezeit des Betons erlaubte keine größeren Segmentabmessungen. Auf eine Stahlschalung wurde ein Oberflächenvlies gelegt, das später die Innenoberfläche des Überbaus bildete.
Der Einbau der textilen Bewehrung aus alkaliresistenter Glasfaser mit einer Maschenweite von 1 cm erfolgte schichtweise, wobei vier Lagen mit einem Abstand von 5 mm beziehungsweise in der Mitte mit 10 mm eingebaut wurden. Zusätzlich erfolgte an den Rippen der Einbau einer schlaffen Edelstahlbewehrung, um die konzentrierten Kräfte aufnehmen zu können. Der hochfeste Feinbeton mit einem Größtkorndurchmesser von 2 mm garantiert dabei ausreichende Verbundeigenschaften und erübrigt ein Nachverdichten. Die Außenoberfläche der Fertigteile wurde anschließend per Hand modelliert, da die doppelt gekrümmte Form keine großflächige Nachbearbeitung zuließ. Die gehärteten Einzelelemente wurden mittels Epoxidharz verklebt, anschließend die Spannglieder eingeführt und vorgespannt. Dabei ist zu erwähnen, dass die Querkraftübertragung in den Fugen planmäßig über Reibung stattfindet, die Verklebung sollte primär lediglich einen satten Stoß garantieren. Der Überbau wurde als Ganzes auf die Baustelle transportiert und eingehoben.
Forschungsstand
In dem Bereich »Technische Textilien« kann Deutschland allgemein als führend bezeichnet werden. Auch bei textilbewehrtem Beton sind die un-abhängigen Sonderforschungsbereiche an der TU Dresden und der RWTH Aachen federführend. In Aachen spielt der Einsatz des Werkstoffs für filigrane Fassadenplatten oder stabförmige Tragwerke eine wesentliche Rolle. Die dort realisierte Tonnenschale aus rautenförmigen Trägerscharen setzt Beton für eigentlich typische Stahlbautragwerke ein. Dahingegen ›
› liegt der Forschungsschwerpunkt in Dresden auf der Applikation von textilbewehrtem Beton bei der Instandsetzung und Verstärkung von bestehenden Tragwerken. Im Rahmen der Sanierung einer Hyparschale in Schweinfurt wurde zum Beispiel ein erster großformatiger Praxiseinsatz durchgeführt. Im Allgemeinen waren im Rahmen beider Forschungsbereiche anfänglich Fragen zur Textilherstellung, der Verbundwirkung zwischen Textil und Betonmatrix und der Alkaliresistenz der eingesetzten Fasern zu klären.
Textilbewehrter Beton hat dann Potenzial, wenn ein Entwurf dünnwandige, flächige Bauteile mit ausreichender Stückzahl vorsieht. Bei großen Spannweiten und dickeren Bauteilen kann er jedoch keine Alternative zu Stahlbeton sein. In Konkurrenz zu faserverstärkten Kunststoffen kann die besonders günstige Betonmatrix ausschlaggebend für die Wahl dieses Baustoffs sein, dessen Preis bei ungefähr einem Zwanzigstel einer einfachen, duroplastischen Kunststoffmatrix liegt – für textilbewehrten Beton sind allerdings nur wesentlich geringere Festigkeiten erzielbar.
Optimierungsbedarf
Bei der Rottachbrücke wurden sowohl die Vorzüge als auch die Einschränkungen hinsichtlich der konstruktiven Notwendigkeiten von textilbewehrtem Beton gut umgesetzt, das Potenzial des Werkstoffs wird eindrucksvoll veranschaulicht. Während der Überbau im Querschnitt schlank und gut proportioniert erscheint, ergibt sich in der Ansicht des Bauwerks jedoch eine wuchtige Wirkung. Die dünnen Wandungen der flächigen Bauteile treten kaum in Erscheinung, was aufgrund der eigentlich geglückten Leichtbauweise zu bedauern ist. Durchbrüche in den Stegen hätten vielleicht interessante Blickwinkel ermöglicht und die Besonderheit der Konstruktion besser veranschaulicht, ohne dabei die Tragfähigkeit wesentlich zu beeinflussen. Das war seitens des Bauherrn allerdings nicht gewünscht.
Auch schränkt die derzeit unumgängliche segmentweise Fertigung die Möglichkeiten des Werkstoffs noch erheblich ein. Beispielsweise sind die textilen Verstärkungen in Brückenlängsrichtung an den Stößen unterbrochen und haben daher nur sekundär tragende Funktion. Das Institut für Massivbau der TU Dresden arbeitet derzeit an einer effizienteren Fertigung. Ziel ist es, wie beim klassischen Stahlbeton die Bewehrung als Ganzes in die Schalung zu legen und am Stück zu betonieren. Zusammen mit der hervorragenden Oberflächenqualität textilbewehrten Betons und der Möglichkeit scharfkantiger Abschlüsse könnten so die Chancen einer neuen Formensprache noch besser ausgenutzt werden. •
Bauherr: Stadt Kempten, vertreten durch das Tiefbauamt Planung Überbau: TU-Dresden, Institut für Massivbau, Prof. Curbach Ausführung: GWT-TUD GmbH, Dresden / Betonwerk Oschatz
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