Eine Legende der Moderne. Katalog zur Ausstellung im DAM. Hg. Deutsches Architektur Museum, Paul Andreas und Ingeborg Flagge. 143 Seiten, Format 22 x 28 cm, mit 30 farbigen und 50 schwarzweißen Abbildungen sowie
20 Zeichnungen, Paperback, 29,50 Euro, 45 sFr. Birkhäuser Verlag, Basel, 2003
Eine Kirche, ein Yachtclub, ein Kasino und ein Tanzlokal. An den Ufern des kleinen, künstlich angelegten Sees im brasilianischen Pampulha entstanden diese Gebäude 1942 – 1943 als überwiegend in Sichtbeton gegossene, visuelle Emotion: Parabolische Betondächer, wellenförmig gekrümmte Seeterrassen und großflächige Verglasungen. Was aus heutiger Sicht an die unverkennbaren Merkmale tumber Freizeit- und Wellness-Architektur erinnert, war der Ausdruck entschiedener Abkehr vom internationalen Rationalismus, formuliert vom damals 35-jährigen Oscar Niemeyer. Niemeyer drang damit beherzt in die Welt der Kurven und organischen Formen ein, die der Baustoff Beton ermöglichte und provozierte damit heftige Gegenreaktionen. Max Bill sprach 1953 bei einem Vortrag in São Paulo gar vom »Ende der modernen Architektur« und von »antisozialer Verschwendung,
ohne Verantwortung«.
Die manifestartige, symbolische Wirkung jener skulpturalen Baukörper, die 1956 – 60 die Regierungsgebäude in Brasilia oder 1969 die algerische Universität Constantine formten, ist noch immer ungebrochen. Der vermeintliche Ausblick auf die architektonische Zukunft lässt auch das 1991 entstandene Museum für zeitgenössische Kunst in Niterói so reizvoll zwischen Nostalgie und Zukunft pendeln. Anlässlich einer Ausstellung im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt 2003 (siehe db 4/03) ist dieses überschaubare Buch entstanden, das den heute 97-jährigen Pritzker Preisträger Oscar Niemeyer mit zahlreichen, ungemein spannenden Essays, zeitgenössischen Texten und beeindruckenden Fotos als »Legende der Moderne« durchleuchtet.
Roland Pawlitschko
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