Architektonische Interventionen. Von Hans-Jörg Ruch. 324 Seiten mit 220 vorw. farbigen Abb., gebunden, 110 Euro. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2008
~Simone Jung
Im Jahr 1974 zog der Architekt Hans-Jörg Ruch ins Engadin. Das Hochtal im schweizerischen Kanton Graubünden wurde nicht nur seine Heimat, sondern prägte auch sein Schaffen: Fasziniert vom traditionellen Bautypus der Region hat der Architekt ein Dutzend der jahrhundertealten Bauern- und Patrizierhäuser umgebaut. Bauen im Bestand heißt für Ruch, das ursprüngliche Wesen eines Hauses sichtbar zu machen. Konsequent verfolgt er das Prinzip, das Neue dem Alten unterzuordnen und konfrontiert den Bestand nach intensiver archäologischer Erforschung souverän mit neuen Elementen. So funktionierte er z. B. den Heustall von »Chesa Perini« in Schanf zu einem Ausstellungsraum um, indem er einen selbsttragenden Kubus von 7 m Kantenlänge einfügte und so die Integrität der alten Konstruktion bewahrte.
Eine aufwendig gestaltete Monografie dokumentiert nun erstmals sein Werk. Mit viel Hingabe und heute nur selten auffindbarem handwerklichen Geschick (dem Verlag sei Dank) überzeugt der Band durch seine Fotos wie durch seine Texte. So schildert Ruch in einem sehr persönlichen Arbeitsbericht seinen ganz eigenen Zugang zu den Bauten. Ein Essay der Kunsthistorikerin Seifert-Uherkovich gibt einen Einblick in die historische Entwicklung der Engadiner Häuser, bevor anschließend zehn der wunderbaren Interventionen Ruchs aus Architektensicht geschildert und versehen mit zahlreichen Grundrissen, Schnittzeichnungen und Fotos fast plastisch in Szene gesetzt werden. Moderne Elemente wie Küchen und Bäder aus Stahl oder eingeschobene Trennwände aus Glas durchkreuzen hier die historischen; spärlich möblierte Räume treffen auf rein kunstbestückte. Damit ist das Buch nicht nur eine Inspirationsquelle für hochwertiges Bauen mit historischem Bestand, es zeigt auch deutlich: Das Engadiner Haus wird bei Ruch neben dem Wohnraum auch zum Ort der musealen Inszenierung und damit letztlich selbst zum Kunstwerk.
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