Kaum ein Thema hat die deutsche Gesellschaft in den letzten zwei Jahren so stark bewegt wie die Folgen globaler Fluchtbewegungen, deren Auswirkungen spätestens seit dem starken Zuzug Geflüchteter im Jahr 2015 in nahezu jeder Gemeinde Deutschlands spürbar wurden. Dennoch liegt erst jetzt, mit dem im März erschienenen und gemeinsam von der Münchner Architektin und Stadtplanerin Lore Mühlbauer und dem Architekten Yasser Shretah herausgegebenen Buch eine Publikation vor, die als Handbuch und Planungshilfe systematisch die Bauaufgabe »Flüchtlingsunterbringung« darstellt und praktisches Wissen für deren Umsetzung vermitteln möchte.
Nach einem einführenden Text der Herausgeber und einem Essay über Fluchterfahrungen folgen fünf Kapitel, die anhand der Themen Geschichte, Typologie, Konstruktion, Vision und Beispiele das Bauen für Geflüchtete in den Blick nehmen. Jedes Kapitel versammelt vor allem Fließtexte und weniger grafische Übersichten oder Tabellen von Autoren mit unterschiedlichem Bezug zum Thema, mehrheitlich Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner, aber auch Juristen, Ökonomen und Historiker sowie Geflüchtete. Daher wechseln Stil und inhaltlicher Schwerpunkt innerhalb der Kapitel stark, sodass eher ein Kaleidoskop verschiedener Perspektiven entsteht, denn ein systematisch und praktisch nutzbarer Überblick. Auch dem letzten Kapitel mit zwanzig, überwiegend deutschen Best-practice-Projekten hätte mehr Systematik gut getan. Zwar teilen die Herausgeber die ausgewählten Projekte in die zwei Kategorien Hallen und Module bzw. Wohnen und Bestand ein. Es sind aber nicht durchgängig alle Angaben zu Baukosten, Belegungsdichte und anderen Parametern vorhanden, um sie gut miteinander vergleichen zu können. Auch erschließt sich leider nicht, wie es einige Projekte in die Auswahl geschafft haben, da sie, wie im Fall der Veranstaltungshalle in Berlin-Tempelhof, exemplarisch für Fehlplanung und nicht funktionierende Konzepte stehen. Das ist schade, denn so ist dieses Buch zwar gut als Einstieg in das Thema »Flüchtlingsbauten« geeignet, wird aber dem selbst gewählten Anspruch als Handbuch für die Praxis nicht gerecht.