Anatomie einer Selbstdemontage. Von Angelus Eisinger. 180 Seiten, mit einigen S/W-Abbildungen, Bauwelt Fundamente, Band 131. Broschur, 24,90 Euro, 38,50 sFr. Birkhäuser Verlag, Basel, 2006
~Christoph Gunßer
Städtebau und Stadt sind zwei sehr verschiedene Dinge. Seit den frühen Zwanzigerjahren bis in die Gegenwart haben die Architekten mit ihren Planungen stets eine neue, bessere Stadt schaffen wollen – und die bestehende weitgehend ignoriert, ja verachtet. Aus der Haltung des visionären Künstlerarchitekten heraus wollten Le Corbusier, Walter Gropius, Frank Lloyd Wright, Lúcio Costa ideale Gebilde schaffen, in denen eine zukunftsweisende Architektur die Gesellschaft gleich mit reformieren sollte. Doch damit, so wissen wir heute, überschätzten sie die Rolle der Architektur maßlos: »Städte leben nicht dank ihrer Architekturen, sondern sie leben mit ihren Architekturen«, resümiert der Autor am Schluss dieses lesenswerten Buches, das die aus der Selbstüberschätzung resultierende »Selbstdemontage« der Architekten anhand wesentlicher städtebaulicher Stationen nachzeichnet. Die Stadt der Moderne der Zwischenkriegszeit, die englischen New Towns, Brasilia, die Revisionsversuche der Sechziger, die Postmoderne, die »verstädterte Landschaft« sowie die aktuelle Situation werden untersucht. Anders als zur Zeit der engagierten Planungskritik à la Jane Jacobs ist der Ton hier wissenschaftlich abgeklärt, aber nur streckenweise etwas soziologisch-abstrakt, zuweilen gar originell pointierend.
Auch wenn Architektur sich als autonom stilisiert – wie heute beispielsweise im System der global agierenden Architekturstars – oder über ihr Verhältnis zur Gesellschaft schweigt, begegnen sich Architektur und Gesellschaft.
Anstelle des immer noch gängigen Selbstbildes vom Architekten als Generalisten plädiert er für ein Verständnis des Eingebundenseins, um der realen Komplexität Herr zu werden. Auch angesichts der durch nichts auszuräumenden Unbestimmtheit der Stadtentwicklung sollten Architekten Position beziehen. Schöne Bilder reichen nicht.
Dass diese Empfehlungen notwendigerweise vage bleiben, ist ein Grundvorwurf der Architekten an die Soziologen. Die Stärke der als Habilitationsschrift an der ETH Zürich entstandenen Arbeit liegt in der sachkundigen Darstellung einer Entwicklung, welche viel Ungemach über die Stadt und über die Profession der Planenden gebracht hat.
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