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Neubau von Riehle+Assoziierte in Nürtingen/DE

Neubau von Riehle+Assoziierte in Nürtingen
Rückbau mitgedacht

Ein Weiterbildungsgebäude für Metall- und Elektroberufe vornehmlich aus Aluminium und Stahl zu bauen, lag für die Architekten von Riehle+Assoziierte nahe. Außerdem lässt sich der Bau nach seiner Lebensdauer rückstandslos demontieren und rezyklieren.

Text: Thomas Geuder | Fotos: Roland Halbe

Der GARP Bildungszentrum e. V. besitzt im Einzugsgebiet von Stuttgart gleich vier Standorte, in denen Fachkräfte vielfältig aus- und weitergebildet werden können. Der jüngste Standort liegt im etwa 25 km von der Landeshauptstadt entfernten Nürtingen. Am südlichen Stadtrand befinden sich in unmittelbarer Nähe bereits das Hölderlin-Gymnasium und die Rudolf-Steiner-Waldorfschule.

Mit dem neuen GARP Bildungszentrum entsteht somit eine Art multidisziplinärer Bildungscampus. Dabei war es den Planern vom Stuttgarter Büro Riehle+Assoziierte wichtig, die richtige Körnung und Setzung in diesem Ensemble aufzugreifen, auch weil das Baugrundstück in einem bislang baulich unberührten Bereich liegt. Um den landschaftlichen Eingriff so gering wie möglich zu halten, hatte die Wettbewerbsauslobung zunächst einen mehrgeschossigen Baukörper vorgesehen. Damit experimentierten in der Entwurfsphase auch die Stuttgarter Architekten Hannes Riehle und Maximilian Köth.

Reduzierte Materialauswahl

Allerdings: Keine Version fühlte sich richtig an, sagen sie im Rückblick. »Erst der Versuch, das Bildungszentrum komplett erdgeschossig zu organisieren und als eingeschossigen Pavillon zu formulieren, hat den entscheidenden Entwurfsansatz geliefert.« Deshalb konnte sich diese Idee unter den 25 Einreichungen des beschränkt offenen Wettbewerbs als einziges eingeschossiges Projekt durchsetzen. Die Grundrissstruktur entwickelt sich aus einem strengen Quadratraster heraus, in dem jedes einzelne Quadrat bedingt durch die Tragkonstruktion des Dachs gedrittelt ist. So entstehen weitere Grundrissoptionen. Die konstruktive Entwurfsidee dahinter basiert auf einem filigranen Stahlskelett als primäre Tragkonstruktion, das wie ein Tisch über die drei Sichtbeton-Infrastrukturkerne gestellt ist.

Eine simple und klare Materialauswahl prägt vornehmlich die architektonische Gestalt des Gebäudes. In Anlehnung an die Nutzung als Aus- und Weiterbildungsstätte für metallverarbeitende Berufe hatten sich die Planer für eine industrielle Ästhetik entschieden. Sämtliche Tragwerkselemente und Installationen sind deshalb innen sichtbar, wodurch eine gewisse rohe Atmosphäre entsteht. Die Basis bilden eine Stahlbetonbodenplatte mit Sichtestrich und drei Kerne aus Sichtbeton mit farbloser Hydrophobierung. Sie sind umgeben von dem Stahlskelett aus anthrazitfarbenen Stahlträgern und -stützen. Die restlichen, nicht tragenden Innenwände bestehen aus Kalksandstein. Das Dach darüber ist ein verzinktes Aluminium-Trapezblech mit akustisch wirksamer Mikro-Perforierung. Damit ist die gesamte Materialpalette im Grunde definiert.

Der Innenraum wirkt wie ein Rohbau. Die dahinter stehende Idee der Architekten: Zwischen Roh- und Ausbau sollte man nicht unterscheiden können. Deshalb bleibt jedes Element, das für das Tragen und Raumbilden des Gebäudes einmal hinzugefügt wurde, bis zum Endzustand sicht- und erlebbar. Es wird nicht wieder versteckt beziehungsweise „neutralisiert“, wie die Architekten es nennen.

Sicht- und erlebbare Elemente

Vielmehr verstehen sie die Räume eher als eine Art Leinwand für die Lehr- und Lernprozesse, die es von den Ausbildern und Auszubildenden mit Leben zu füllen gilt. Um diesen Effekt zu steigern, befinden sich alle Installationen für Elektro und Lüftung innerhalb der statischen Höhe der Trägerquerschnitte. Sogar für die Weiterführung der abgehängten Leuchten wurden kleine Aussparungen in den Stahlträgern angeordnet. Der industrielle Charakter und die damit verbundene Raumwirkung erhalten mit dem Bezug zur Natur einen Gegenpol: Durch die großzügigen Fensterflächen ist das kraftvolle Grün der umgebenden Landschaft im Innenraum stets präsent. Man kann das aber auch als Ergänzung zum silbergrauen Farbspektrum in den Seminar- und Werkstatträumen verstehen.

Fassade mit Tiefe

Das Thema Metall prägt nicht nur die Innen-, sondern auch die Außenansicht. Die Fassade besteht aus einem perforierten, feingliedrigen Vorhang aus gekantetem Aluminium-Halbzeug, welches das Gebäude sanft umhüllt. Dieser wolkige Effekt entsteht durch eine Zweischichtigkeit: Hinter der dunklen, leicht reflexiv pulverbeschichteten und perforierten Hülle befindet sich eine helle Unterspannbahn, die eigentliche wasserführende Schicht. Je nach Lichteinfall und Wetter entsteht ein schimmerndes, jedoch unaufdringliches äußeres Erscheinungsbild. Damit fügt sich der eingeschossige Baukörper in unaufgeregter Weise in die Naturkulisse.

Zurück zur Grundrissstruktur: Die drei wichtigsten Komponenten des Raumprogramms bestehen aus der großen Metallwerkstatt, fünf Seminarräumen und einem offenen Kommunikationsbereich. Die Werkstatt und ein Theorieraum sind an der Westseite des Gebäudes angeordnet, die Seminarräume füllen die ganze Ostseite. In drei Infrastrukturkernen aus Beton befinden sich die Sanitäranlagen und einige Umkleiden. Ein zentraler Lichthof dient als Orientierung und gleichzeitig als grüne, geschützte Oase. Er sorgt für eine unerwartete Großzügigkeit in der flächigen Baumasse. Zwischen diesen Raumkomponenten fließt der Kommunikationsbereich, weitet sich, wird wieder schmal, ehe er schließlich zu einer großzügigen Fläche anwächst, die sich nach Süden hin öffnet.

Beitrag zur Nachhaltigkeit

Das gewählte Konstruktionsprinzip des „Sichtbar-Belassens“ aller Bauteile anstelle des Verkleidens unliebsamer Details erforderte, betonen die Architekten, eine hohe Disziplin beim Planen und Bauen. Diesen Anspruch machten sie sich zunutze und erzeugten eine individuell abgestimmte architektonische Identität. Mit Ausnahme des Betonsockels ist das Gebäude am Ende seiner Lebensdauer rückstandslos demontier- und rezyklierbar, was dem Anspruch an das heutige Bauen entspricht. Mit dem GARP Bildungszentrum haben die Planer von Riehle+Assoziierte einen wichtigen Beitrag zur Suffizienz und gleichzeitig eine Machbarkeitsstudie von Kreislaufprozessen im Bauwesen geliefert.


  • Projekt: GARP Bildungszentrum
    Standort: Steigbrönnle 27, Nürtingen, Deutschland

    Bauherr: GARP Bildungszentrum e.V., Plochingen
    Bauaufgabe: Aus- und Weiterbildungsstätte für metallverarbeitende Berufe
    Architektur: Riehle+Assoziierte GmbH+Co. KG, Stuttgart, Webseite des Büros
    HLS-Planung/Fassadenplanung: Werner Sobek AG, Stuttgart
    Fertigstellung: 2021
    Grundstücksgröße: ca. 4 000 m²
    Geschosse: 1, keine TG
    Bruttogeschossfläche: 1 931 m²
    Nutzfläche: 1 320 m²
  • Materialien (Auswahl): Decke/Trapezbleche: verzinktes, mikroperforiertes Trapezblech von Hösch mit Sickenfüller zur akustischen Aktivierung; Vorhangfassade aus Lochblech mit industriell vorgefertigtem, perforiertem Mäanderblech von V-MET; Fassadendämmung von Rockwool; thermisches Trennelement im Bereich des Unterschnitts ‚Schöck Isokorb‘ von Schöck; Zip-Screen-Sonnenschutz von Warema; Sanitärkeramik von Duravit; Armaturen von Hansa; Türbeschlag ‚Esco‘ von Hoppe; LED-Leuchtbänder von Trilux

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Porträt: René Müller

Riehle+Assoziierte

Riehle+Assoziierte wurde bereits 1950 gegründet. Die Geschäftsführer Hannes Riehle (rechts) und Maximilian Köth beschäftigen rund 55 Mitarbeiter in Reutlingen und Stuttgart. Die Arbeitsgebiete erstrecken sich auf öffentliche, private und gewerbliche Projekte.

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