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Ziegel mit Aussicht

Wohnhaus in Morcote (CH)
Ziegel mit Aussicht

Das Villenquartier, außerhalb des bauhistorisch wertvollen Dorfkerns von Morcote gelegen, geht auf die Besonderheiten des Ortes kaum ein. Umso wichtiger war es den Architekten, dem Einfamilienhaus eine Identität zu geben. Gebrannter Ton als Baumaterial wurde zu einem kompakten, sich nach außen abschirmenden Backsteinkubus vermauert, in dessen Innerem der Dorfcharakter erlebbar wird. Situated outside Morcote´s historically valuable village core, an area of detached villas hardly reflects the special qualities of the locality. The architects felt it the more important to give the new single family house its own identity. With fired clay as building material, a compact, brick cubic form was built up shielding against the exterior world but in whose interior the village character could be experienced.

Morcote ist ein kleines Städtchen auf einem südlichen Felssporn im Luganer See. Dass der Ort mit seinen italienisch leuchtenden Renaissancefassaden ein Hotspot im touristischen Angebot des Tessins ist, zeigt nicht nur die enge, viel befahrene Seestraße. Rund um den dichten Kern bedecken seit den fünfziger Jahren Ferienhäuser weite Teile des steilen Hanges, Villensurrogate in einem irgendwie süd-ländischen Stil. An einem solchen Ort will das von den Architekten Wespi & de Meuron entworfenen Haus authentisch sein.

Das 450 m² große Hanggrundstück hoch über dem Luganer See blieb wegen seiner Steilheit lange unbebaut. An seinem Fußpunkt liegt die Zufahrtsstraße, in zwölf Metern Höhe bildet die Stützmauer des benachbarten Grundstücks den oberen Abschluss. Inmitten des Quartiers, von dem die Architekten euphemistisch sagen, es böte »kaum baukulturelle Anknüpfungsmöglichkeiten« suchten sie diese buchstäblich in der Ferne: Neben dem einst hier gebräuch- lichen Baumaterial Backstein machten sie die Sicht auf den See zum tragenden Thema ihres Entwurfes.
Schon die Ausrichtung des dreigeschossigen Volumens ist dem geschuldet: Es steht auffallend schräg im bewachsenen Hang – warum, ahnt der Betrachter noch nicht. Mächtig, fast schon monumental streckt es ihm eine aufragende Gebäudekante entgegen, sie reicht vom Straßenniveau bis zum schmalen, mit gebrauchten Mönch-Nonne-Ziegeln gedeckten Satteldach. Der am Giebel offene Dachstuhl erinnert an südliche Nutzbauten, der weitgehend geschlossene, schwere Baukörper mit dem geneigten Dachabschluss an Bilder des Urhauses. Bezüge zur Tessiner Schule eines Mario Botta oder Mario Campi liegen nahe. Aber die Architekten sind keine Südschweizer, auch wenn sie ihr Büro in Caviano am Lago Maggiore führen. Die reduziert-ambitionierte Komposition der Fassade und die wenigen prägenden Materialien lassen auf ihre deutschschweizer Herkunft schließen.
Ein 65 cm dickes Backsteinverbundmauerwerk mit einem isolierenden Ziegelkern umschließt das Haus. Auch im Inneren bildet der helle, leicht unregelmäßig gefärbte Ziegel Fußboden und Wände. Lediglich die Decken der unteren Räume sind aus Sichtbeton. Neben dem Lärchenholz der Innentüren und Einbaumöbel und der offenen Dachbalken findet sich noch ein prägendes Material: roher Stahl, im Innern gewachst, außen rostig. Am auffälligsten als Verkleidung der Stützmauern, die rechts vom Haus den Hang mit drei Stufen abfangen. Die unterste verbirgt auf Straßenniveau einen Abstellraum, läuft dann in die Eingangsnische der Fassade, um sich in der Haustüre fortzusetzen.
Der schmale Eingangsraum dahinter ist überhoch und wird seit- lich über ein kleines quadratisches Fenster belichtet, dessen tiefe Laibung konisch zuläuft. Seitlich verbirgt die tiefe Wand eine Garderobe mit WC. Nach ein paar Stufen und einer Neunziggrad-Drehung steht man am Fuße einer langen Kaskadentreppe, die dem Hangverlauf folgt und bis unters Dach offen ist. Sie trennt die östliche Außenwand von den unteren Räumen, die dadurch wie ein eigenständiges Volumen erscheinen. Im unteren Bereich befinden sich hier Kellerräume mit Sauna, darüber die Schlaf- und Arbeitsräume. Ein Bad trennt den kleineren Schlaf- vom zweiteiligen Arbeitsraum. Dessen Zonen sind gegeneinander um die Breite der Treppe versetzt und blicken über je ein großes Fenster seitlich aus dem Haus.
Auf den See sieht man jedoch nur aus dem Hauptraum, der daraus das Ereignis des Hauses macht. Am Ende der Treppe betritt man den hinteren Teil des lichten Wohnraums, gebildet von zwei langen seitlichen Ziegelwänden, einem Ziegelboden und den mit Tonplatten bedeckten Balken des Satteldaches. Dieser Raum funktioniert wie ein Fotoapparat: Er zoomt den besonders schönen Längsblick über den See heran und macht daraus ein Bild mit Giebelform und dem italienischen Hafenstädtchen Porto Ceresio in der Mitte. Der Wohnraum streckt sich über die gesamte Länge des neunzehn Meter langen Baukörpers und darüber hinaus: An den Enden geht er jenseits der Verglasungen in die 14 m² großen, seeseitige Loggia respektive in den schmalen hangseitigen Außenraum über. Von hier steigt eine Treppe über das Firstniveau, wo in einigen Jahren ein Feigenbaum den Sitzenden Schatten spenden wird. Neben dem Wohnraum ist dies der einzige Ort des Grundstücks, von dem aus man auf den See schaut – und das eigene Haus überblickt.
Der Wohnraum mit Küchenblock verkörpert das, was sich der Bauherr zu Beginn der Planung vorstellte: eine klösterliche Atmosphäre. Ob die vom Architekten entworfenen Möbel aus Rohstahl den Alltag nicht ein wenig zu sehr gestalten, sei dahingestellt – der Tisch lässt sich entlang einer Wandschiene über die Sitzecke bis auf die Loggia hinausfahren. Ein horizontaler Fensterschlitz über der Treppe und eine kleine quadratische Öffnung gegenüber geben dem Raum eine Quersymmetrie. Die regelmäßig ins Mauerwerk eingelassenen Glühlampen unterstreichen die mächtige Längsausrichtung und verleihen dem Haus eine sakrale Anmutung. Axel Simon
Architekten: Markus Wespi Jerôme de Meuron Architekten AG, Caviano /Zürich Tragwerksplaneung: Jäckli und Partner, Fritz Jäckli; Effretikon (CH) Holzbau: Fritz Allenbach, Frutigen (CH) Bauphysik: IBE-Institut Bau+Energie, Bern Bauzeit: 2002 – 2003 Baukosten: keine Angaben Bruttogeschossfläche: 148 m² Umbauter Raum: 790 m³
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