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Wohnen im Heulager
Sie prägen das Landschaftsbild und sind für viele der Inbegriff des Tessin: die landwirtschaftlichen Steinhäuschen, von denen es um die 55 000 gibt. Viele davon verfallen, weil sie nicht mehr genutzt werden. Was läge näher, als sie in romantische Feriendomizile zu verwandeln? Darum streiten Kanton und Bund seit nunmehr 30 Jahren, und dieser Streit steht auch für das Gefühl der Tessiner, Bern interessiere sich nicht genügend für ihre spezifische Situation. Die Einheimischen verweisen darauf, dass die Rustici ein Charakteristikum der Tessiner Landschaft sind, deren Vielfalt mit einer Umnutzung erhalten bliebe, das Bundesamt für Raumordnung (ARE) folgt dagegen dem 1980 erlassenen Gesetz gegen Zersiedelung und Immobilienspekulation – oft liegen die Rustici zwar in der Nähe von Dorfkernen, aber außerhalb definierter Bauzonen. Seit Beginn 2009 erhebt das Amt systematisch Einspruch gegen Gesuche für Rustico-Umbauten. Wie nicht anders zu erwarten, wurden mittlerweile einige Rustici illegal zu Ferienhäusern umgebaut.
Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Im Mai verabschiedete das Kantonsparlament in Bellinzona einen Nutzungsplan, der 12 600 Rustici als erhaltenswert einstuft. Etwa 1 500 davon müssten weiter landwirtschaftlich genutzt, 11 000 dagegen könnten in Ferienhäuser umgewandelt werden. Es steht zu hoffen, dass das ARE von seinem Einspruchsrecht vor dem kantonalen Verwaltungsgericht keinen Gebrauch macht und damit geltendes Recht und lokale Besonderheiten in Einklang gebracht werden können. Der beliebte Tessiner Umweltdirektor Marco Borradori von der Partei Lega dei Ticinesi verspricht in diesem Zusammenhang Rechtsgleichheit: Falls der Plan in Kraft trete, bestehe die Möglichkeit, dass einige der illegal umgebauten Rustici auch abgerissen werden müssten. ~dr
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