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Wiederaufbau · Reconstruction

Besondere Würdigung · Special Acknowledgement
Wiederaufbau · Reconstruction

Der Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche – ein umstrittener Bewerber beim Balthasar-Neumann-Preis 2006. Denn kontrovers: Kein Projekt kann so gelungen den Leitgedanken des Preises demonstrieren wie dieses. Die beispielhafte Zusammenarbeit verschiedenster Planer und Ingenieure – hier wird sie am besten deutlich. Doch keines der bislang eingereichten Projekte zum Balthasar-Neumann-Preis wurde jemals derart hinterfragt. Kann eine Rekonstruktion überhaupt den Wettbewerbsvorgaben beziehungsweise dem Leitgedanken gerecht werden, eine Rekonstruktion als »innovatives« Bauwerk gelten? So hitzig die Diskussionen um das Bauvorhaben selbst von

Anfang an, so diskussionswürdig war der Preisanwärter also gegen Ende der Jurysitzung. Und doch konnten sich schließ- lich alle sieben Juroren einigen: Eine herausragende (neue) Architektur, mit Vorbildcharakter sowohl in technischer als auch gestalterischer Hinsicht, wurde zwar nicht geschaffen, eine vorbildhafte Rekonstruktion hingegen schon. Und so entstand die neue, sicher einmalige Kategorie in der Preisriege des Balthasar-Neumann-Preises: die Besondere Würdigung.
Beginnt man sich näher mit dem Wiederaufbau und der Geschichte Dresdens zu beschäftigen, kann sich, allmählich, auch die eigene Haltung gegenüber Rekonstruktionen ändern, zumindest gegenüber dieser. Es ging nicht um den Wiederaufbau eines imposanten Bauwerks oder eines zukünftigen Touristenmekkas oder das reine Demonstrieren heutiger Ingenieurleistungen. Es ging, sofern es sich überhaupt mit einigen Begriffen andeuten lässt, um Vergangenheitsbewältigung, Versöhnung, in die Zukunft blicken … Für jeden, der an dem Wiederaufbau beteiligt war, mag es eine andere Bedeutung haben. Doch mit ähnlicher Gesinnung, Verständnis für die Geschichte und dem sensiblen Umgang mit der teils historischen, teils exakt nachgebildeten Bausubstanz konnte die neue Frauenkirche nicht nur Abbild der alten werden, sondern geradezu ein Manifest.
Dabei wurde nicht nur nachgebildet – bei heutigen Vorschriften und Erfahrungen mit Baumängeln ohnehin unmöglich. Es wurde hinzugefügt, geändert, gesichert. Aus Schallschutz- und Brandschutzgründen war es beispielsweise nicht anders möglich als bestimmte Bereiche mittels Verglasungen zu trennen, die es früher natürlich nicht gab. Sie gewährleisten nun parallele Nutzungen: Während Besucher über die Wendelrampe zur Aussichtsplattform auf der »Laterne« spazieren, bleiben Gottesdienste oder andere Veranstaltungen im Kirchenraum akustisch ungestört.
Auch die baukonstruktiven Details sind dem heutigen Stand der Technik angemessen. Die damalige Konstruktion war zwar anhand überlieferter Zeichnungen und Texte sowie der Rekonstruktion des Einsturzes nachvollziehbar, ebenso aber auch deren bautechnische Schwachstellen. Gerade am so genannten Kuppelanlauf musste immer wieder nachgebessert werden, in dem nur flach geneigten Bereich trat Wasser ein. Saugt doch der damals wie heute verwendete sächsische Sandstein schwammartig Nässe auf. Hier suchten die Planer nach einer Konstruktion, die zwar nach außen das Erscheinungsbild nicht verändert, aber keine bauphysikalischen Probleme erwarten ließ. Zunächst sollten höhenverstellbare Edelstahlhalter auf einer Unterkonstruktion aus Holzplatten mit Bitumenabdichtung die doppelt gekrümmten 15 bis 25 cm dicken Sandsteinplatten tragen. Am 1:1-Modell vor Ort erprobt, entschied man sich aber gegen diese »vom archäologischen Wiederaufbau entfernte« Lösung. Ein neues Detail wurde entwickelt, das durch den Verzicht auf die Halteanker denkmalgerechter erschien (siehe Detailbogen).
Den größten Eingriff stellt aber eine statische Sicherungsmaßnahme dar: Ein versteckter Zugring in 25 m Höhe, bestehend aus zwei Flachstählen, hält das Bauwerk gürtelartig zusammen. Er verhindert eine Verformung nach außen – das größte Problem beim historischen Vorgänger. Bei diesem lagen die hohen Lasten aus der Kuppel nicht zentrisch auf den so genannten Spieramen, den Verbindungen zwischen Pfeilern und Außenwand, sondern auf der Innenkante der Stützpfeiler.
Um die Festigkeit des Mauerwerks zu berechnen, gab es gleich zu Beginn der Planungen ein Hindernis: die fehlenden, zulässigen Grenzwerte zur Bemessung der Steine auf Druck und Schub. Die Vorgaben der DIN waren für den Bereich Naturstein völlig unzureichend beziehungsweise schlichtweg nicht vorhanden. Die Ingenieurgemeinschaft erarbeitete daher eine Mauerwerksrichtlinie, mit der, durch ein umfangreiches Versuchsprogramm getestet, schließlich die statische Berechnung und die Genehmigungsplanung erstellt werden konnte. Gegenüber dem Vorgängerbau ist die Mauerwerksfestigkeit nun etwa doppelt so hoch, schließlich ist die Verarbeitung und Genauigkeit beim Versetzen der Steine heute deutlich besser, was nebenbei auch das Mörtelvolumen geringer hält. Zusätzlich wurde eigens ein Mörtel mit einer weit höheren Qualität entwickelt als der damals übliche aus Weißkalk, Flusssand und Ziegelmehl.
Die Fülle der beteiligten Fachplaner und Disziplinen erklärt sich schnell über die Komplexität des Bauvorhabens. Aus der Ruine konnte sogar, Computersimulationen sei Dank, die Stellung der Steine ermittelt werden, die wiederum alle einzeln gekennzeichnet und später wieder eingebaut wurden. Hierbei wirkten bereits Archäologen, Denkmalschützer, Kunsthistoriker, Statiker und 3D-Planer zusammen, im weiteren Bauablauf gefolgt von Architekten, Akustikern, Prüfingenieuren, Handwerkern wie etwa Steinmetze, Künstler wie zum Beispiel der Maler der Deckenszenarien und so weiter – eine endlose Aufzählung.
Die Abstimmung der Arbeiten lief dabei nie ohne Zustimmung des Denkmalschutzes. Hierzu hatte sich eigens ein Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes für mehrere Jahre in einem der Baustellencontainer einquartiert – anders hätten sich die Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse, man kennt es ja zu genüge, nur unnötig hinausgezögert. Der Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche dauerte so neun Jahre. Demgegenüber steht die damalige Bauzeit von 1726–43 durch den Baumeister Georg Bähr, den eigentlichen Würdenträger des Preises, ein Zeitgenosse Balthasar Neumanns.
Christine Fritzenwallner
Church of Our Lady, Dresden The reconstruction of Dresden’s Frauenkirche (Church of Our Lady) – a controversial entry in the Balthasar Neumann Prize 2006. The controversy: no project can demonstrate so successfully the guiding principles of the prize as this one. The exemplary collaboration between the most varied design consultants and engineers is here most clearly revealed. Up to now, however, no project submitted for the Balthasar Neumann Prize was ever questioned in such a way. Can a reconstruction even fulfil the competition terms, or rather, the guiding principles, and be considered an “innovative” building? Towards the end of the jury session, the discussions about the entry were as lively as they were heated at the very outset of the project itself. Notwithstanding, all seven jury members were able to finally come to an agreement: though outstanding (new) architecture, exemplary in both technical and formal respects, had not been created, an exemplary reconstruction had. Thus, the new – most likely one-off – category in the prize pool of the Balthasar Neumann Prize came into being: the Special Acknowledgement.
With an increased understanding of the background to the project and the history of Dresden, one’s attitude towards reconstruction, or at least this reconstruction, may begin to gradually shift. The intention was never the reconstruction of an impressive edifice or a future tourism Mecca, or even the pure demonstration of contemporary engineering prowess. It was about (insofar that it can be indicated with a few words) coming to terms with the past, reconciliation, looking to the future … It may hold another significance for those involved in the reconstruction. However, with a similar ethos, historical understanding and the sensitive handling of the partly historic, partly reproduced building fabric, the new Frauenkirche has become not just a copy of the old one, but virtually a manifestation.
It was more than a matter of replication, which would have been impossible anyway under current legislation and knowledge of defects. Insertion, adjustment and protection were necessary. For acoustic and fire protection reasons, for example, it was impossible to avoid separating off certain areas with glass, which naturally did not exist in the past. This now ensures parallel use: while visitors walk up via a spiral ramp to the viewing platform on the lantern, services and other events in the church interior remain undisturbed by noises.
Construction details also comply with contemporary technical standards. The former construction, along with its technical problems, was able to be understood on the basis of historical drawings, texts, and the documentation of the church’s collapse. Modification work was continually carried out around the so-called “collar” (base) of the bell-shaped dome to prevent the entry of water through flatter sloping sections. The Saxon sandstone used draws in water like a sponge, as it did in the past. Here the designers endeavoured to come up with a type of system which did not alter the external appearance, while avoiding the occurrence of any technical problems. Initially, vertically-adjustable stainless steel fixings on a base of timber sheeting with bitumen waterproofing were to support the double-curved 15 – 25 cm thick sandstone plates. However, tested in-situ with a 1:1 model, it was decided against this solution which was too remote from an “archaeological reconstruction”. A new detail was developed which, by dispensing with anchor fixings, resulted in a more historically-correct appearance (see detail sheet).
However, the most significant intervention was posed by a structural stability measure: a hidden circumferential hoop ring at a height of 25 m, consisting of two steel bands, holds the construction together like a belt. It prevents outward deformation – the biggest problem with the historical predecessor, whose heavy dome was not centred on the V-shaped connecting walls between the pillars and the external wall, but rather on the inside edge of the supporting pillars.
For the calculation of masonry wall stability, an obstacle presented itself right at outset of the planning process: the absence of permissible values for the measurement of stone under loading and thrust. German DIN standards were fully unsatisfactory in respect to natural stone, or rather, were completely non-existent. The engineering team developed, therefore, masonry guidelines through a comprehensive testing program, finally enabling the production of structural calculations and building permit documentation. Compared with the previous building, the stability of the masonry has now doubled; the workmanship and accuracy of laying stones have, after all, clearly improved, which also reduces the volume of mortar required. In addition, a mortar was specially developed that was of a much higher quality than was previously obtainable from lime, river sand and brick dust.
The plethora of technical consultants and disciplines involved is quickly explained by the complexity of the construction project. From the ruins, thanks to computer simulation, the position of stones could be determined, individually marked and then later put into place. For this, archaeologists, building preservation experts, art historians, structural engineers and 3D technicians worked together, followed later on in the building process by architects, acoustic engineers, test engineers, craftsmen such as masons, artists such as the painter for the ceiling frescoes, for example, and so on – an endless list.
The co-ordination of work occurred not without approval from the heritage authority. For this, an employee of the State Monuments Office was specially accommodated in a container on site – any other way, as we know all too well, would have only caused unnecessary disruptions to decision-making and co-ordination processes. Thus, the reconstruction of Dresden’s Frauenkirche took nine years, in contrast to the first construction period of 1726–43 under master builder Georg Bähr, the honorary recipient of the prize, and a contemporary of Balthasar Neumann.
Frauenkirche Dresden, siehe auch db 3/01 Bauherr · Client: Stiftung Frauenkirche, Dresden (Eberhard Burger, Andreas Wycislok, Thomas Gottschlich) Architekten · Architects (Hauptplanung und Haustechnik ·main planning and building services): IPRO Dresden Mitarbeiter · Project Team: Bernd Kluge, Christoph Frenzel, Uwe Kind, Jörg Lauterbach, Ulrich Schönfeld Tragwerksplanung · Structural Engineering: Ingenieurgemeinschaft Prof. Jäger/Prof. Wenzel, Radebeul und Prof. Wenzel/Büro für Baukonstruktionen, Karlsruhe Mitarbeiter · Project Team: Wolfram Jäger, Volker Stoll und Fritz Wenzel, Markus Hauer, Hartmut Plieth Prüfingenieure ·Test Engineer: Jörg Peter und Martin Hertenstein, Stuttgart Steinplanung · Masonry Design: SSW Pirna, Matthias Thomschke Denkmalpflege · Preservation Consultant: Torsten Remus
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