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Fließender Übergang in Bregenz

Vorarlberger Kraftwerke AG
Fließender Übergang in Bregenz

Ein auf mehrere Jahre angelegtes Entwicklungskonzept strukturiert die Funktionen auf dem gesamten Werksgelände in Bregenz-Rieden neu, schafft die räumlichen Voraussetzungen für die Zusammenlegung einzelner Konzernteile und öffnet das Areal für Besucher und weitere Nutzer. A long-term development concept has re-organised separate functions over the entire premises, created the spatial prerequisites for the amalgamation of individual company divisions and opened the site for visitors and other users.

Text: Roland Pawlitschko

Fotos: Bruno Klomfar, Ignacio Martínez
Wenn Wasser heute als blaues Gold bezeichnet wird, dann geschieht dies in der Regel im Hinblick auf die sich global abzeichnende Trinkwasserknappheit. Für das mit wasserreichen Bächen und Flüssen gesegnete Vorarlberg hat Wasser allerdings noch eine ganz andere Bedeutung. Ohne die frühzeitige und intensive Nutzung als Energieträger wäre die Industrialisierung Vorarlbergs wohl weitaus weniger rasant verlaufen. Heute produzieren die 370 000 Einwohner des kleinsten Bundeslandes Österreichs pro Kopf rund vier Mal so viele Exportgüter wie etwa Japan oder die USA.
Im 19. Jahrhundert hatte sich in Vorarlberg insbesondere die Textilindustrie etabliert, wobei Wasser nicht nur zum Färben der Stoffe unerlässlich war, sondern auch zum Betrieb der Strick- und Webmaschinen. Wurde Wasserkraft zunächst nur mechanisch übertragen, kamen um 1880 erstmals auch wasserkraftbetriebene Anlagen zur Stromerzeugung hinzu. Der beginnende Siegeszug der Elektrizität veranlasste einige Betriebe schon bald, benachbarte Gebäude, später auch ganze Gemeinden mit Strom zu beliefern. So bedeutete die 1901 an einem neu angelegten Seitenkanal der Bregenzer Ache erfolgte Inbetriebnahme eines Elektrizitätswerkes der Textilfabrik Jenny & Schindler zugleich auch die Geburtsstunde der heutigen Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW) – wie auch die erste öffentliche Stromversorgung Vorarlbergs. Während die seit 1929 mehrheitlich in Gemeindebesitz befindliche Aktiengesellschaft mit dem Bau von Wasserkraftwerken an Gebirgsflüssen und Stauseen sowie der Übernahme zahlreicher Mitbewerber geradezu explosionsartig expandierte, wurde die Stromerzeugung am Firmenhauptsitz Bregenz-Rieden stetig verringert. Die ursprünglich vor allem bei Niedrigwasser mit Kohle betriebenen Dampfturbinen wurden im Laufe der fünfziger Jahre entfernt, ebenso wie die dazugehörigen Lagergebäude und Schornsteine – Strom lieferte am Ende nur noch eine wasserkraftbetriebene Turbine aus der Gründungszeit des Kraftwerkes. In Rieden erfolgte fortan vor allem die zentrale Steuerung des Stromnetzes, überdies entstanden dort zahlreiche städtebaulich unstrukturierte Verwaltungsgebäude, Werkstätten, Umspann- und Trafostationen.
Die sechziger Jahre brachten einen spürbaren Paradigmenwechsel. Nicht nur, dass die einstigen »Abnehmer« zu »Kunden« wurden, es zeichnete sich auch die Liberalisierung des europäischen Strommarktes ab. Angesichts der kaum greifbaren Ware Strom und dem zu erwartenden harten Konkurrenzkampf mit internationalen Mitbewerbern bildeten Marketing und Vertrieb nun eine der wichtigsten neuen Kernaufgaben. Der auf dem zwölf Hektar großen Areal zu diesem Zeitpunkt völlig zergliederte Gebäudebestand war aber weder für die inszenierte Eigenpräsentation der VKW geeignet, noch ermöglichte er optimale interne Betriebsabläufe. Was fehlte, war ein langfristiges Gebäudeentwicklungskonzept mit möglichst signifikanter Architektur. Waren bei den 1992 bzw. 1997 fertig gestellten Kraftwerken Alberschwende und Klösterle die Architekten Baumschlager & Eberle bzw. Bruno Spagolla zum Zuge gekommen, wurden nun, im Jahr 2000, Helmut Dietrich und Much Untertrifaller beauftragt. Bereits vier Jahre zuvor waren die beiden Bregenzer Architekten mit der Planung der Schaltzentrale des frei liegenden Umspannwerkes betraut worden. In einem unprätentiösen Zusammenspiel von Funktion, Form und Material lieferten sie damit die architektonische Initialzündung für alle weiteren, auf dem VKW-Areal realisierten Um- und Neubauten, welche seitdem übrigens ausnahmslos von Dietrich und Untertrifaller ausgeführt werden. Ganz im Gegensatz zur gekünstelt skulpturalen Basalt-Hülle von Ben van Berkels Innsbrucker Umspannwerk entstand hier ein zurückhaltender Quader mit transluzenter Profilglashülle, ein Bauwerk, innen und außen geprägt sowohl von funktionaler Klarheit als auch feinsinniger Ästhetik.
Mit dem mehrstufigen, zunächst zwischen 2000 und 2008 angelegten Gebäudeentwicklungskonzept wurden vor allem zwei Ziele verfolgt. Erstens sollte die geplante Neustrukturierung von Bauwerken und Verkehrswegen zur innerbetrieblichen Effizienzsteigerung führen. Dies war nicht zuletzt deshalb wichtig, weil die Vorarlberger Kraftwerke AG im Jahr 2000 mit der Vorarlberger Illwerke AG zur Illwerke/VKW-Gruppe fusionierte und man beabsichtigte, die über ganz Vorarlberg verstreuten Verwaltungsstandorte, Lager und Werkstätten in Rieden zu konzentrieren. Zweitens sollte das zuvor hermetisch abgeriegelte Gelände geöffnet werden, insbesondere für Besucher des Museums.
Städtebauliche Grundlage für die Umsetzung dieser Ziele ist der schrittweise Abbruch störender Kleingebäude bzw. Anbauten und die nach abnehmender Öffentlichkeit gestaffelte Zonierung des Areals in drei Bereiche. Entlang der direkt zum Autobahnanschluss Weidach führenden Weidacher Straße – und neben einem bestehenden Verwaltungsbau der VKW aus den siebziger Jahren – sollen in der Endausbaustufe mehrere Baukörper für Fremdnutzer entstehen. Die Rede war bisher von einem Technologiepark, konkrete Realisierungsabsichten des Bauherrn gibt es dazu allerdings nicht. Der mittlere Bereich besteht im Wesentlichen aus der in den achtziger Jahren errichteten Firmenzentrale, dem historischen Kraftwerk und bereits fertig gestellten bzw. gerade im Bau befindlichen Mehrzweck- und Werkstattgebäuden. Entlang der Bregenzer Ache schließlich liegt der eher abgeschiedene Standort für technische Anlagen, wie zum Beispiel dem Umspannwerk (1997) oder dem Hochregallager für Anlagen- und Kraftwerksbauteile (2002).
Wichtigster städtebaulicher Bestandteil des Gebäudeentwicklungskonzeptes ist die Neuinszenierung des historischen, bis dahin fast vollständig im Verborgenen liegenden Werkskanals. Die baumbestandene Grünachse mit stellenweise hör- und sichtbar tosendem Wasser sowie vereinzelt aufgestellten Schaufelrädern dient jedoch nicht allein Erholungszwecken. Flankiert von dem 2005 im ehemaligen »Krafthaus« eingerichteten Besucherzentrum beziehungsweise Museum und dem neuen Wasserkraftwerk (ebenfalls 2005) erhält die Wasserachse damit vielmehr erstmals die ihr eigentlich seit jeher gebührende Bedeutung eines identitätsstiftenden Rückgrats.
Nun bekommen Architekten während ihrer Berufslaufbahn durchaus einmal die Gelegenheit, einen Masterplan zur Umstrukturierung eines Industrieareals zu erarbeiten. Kaum ein Architekt aber wagt davon zu träumen, anschließend alle darin konzipierten Neubauten tatsächlich auch selbst umsetzen zu können – das Konzept von Dietrich und Untertrifaller hat überzeugt. Derzeit erinnert das Gelände zwar noch deutlich an die von baulichem Chaos geprägte Nachkriegszeit. Dennoch vermögen die bisher realisierten Neubauten schon jetzt einen klaren Ausblick auf die einheitliche, keineswegs aber vereinheitlichende Gestaltung des Areals zu vermitteln. So liegen dem aus Schallschutzgründen ganz in Beton ausgeführten Wasserkraftwerk ganz andere Entwurfsprinzipien zugrunde als etwa dem dunkel holzverkleideten Mehrzweck- und Werkstattgebäude oder dem samtig gläsernen Hochregallager. Allen gemeinsam ist jedoch der Versuch, eine jeweils aus der spezifischen Bauaufgabe heraus entwickelte, funktional optimierte und zugleich sensible Architektur zu schaffen. Mit dieser Vorgehensweise lassen auch alle weiteren hier je von Dietrich und Untertrifaller geplanten Bauwerke eine wohltuende Variationsbreite erwarten. Und die Chancen stehen gut, dass es damit überdies auch gelingt, das geschichtsträchtige Kraftwerksareal fest in der Stadt zu verankern. R. P.
Bauherr: Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW), Bregenz (A) Architekten: Dietrich | Untertrifaller Architekten , Bregenz (A) Mitarbeiter: Heike Schlauch, Ralph Broger (Projektleitung); Thomas Weber, Sven Meller, Silvia Lau, Rafael Grups, Johannes Welsch, Eva Dorn 2004: Arge-Alp-Preis, 2005: Vorarlberger Bauherrenpreis Hochregallager: Tragwerksplanung: VKW, DI Gmeiner Gebäudetechnik/HSL-Planung: GMI Ingenieure, Dornbirn (A) Elektroplanung: VKW Haustechnik Nutzfläche: 1120 m² Umbauter Raum: 14 720 m³ Baukosten: 2,6 Mio Euro Fertigstellung: August 2002 Krafthaus (Museum): Tragwerksplanung: Dipl. Ing. Gehrer, Höchst (A) HSL-Planung: GMI Ingenieure, Dornbirn (A) Elektroplanung: VKW Haustechnik, Bregenz (A) Nutzfläche: 344 m² (davon Ausstellung 178 m²) Umbauter Raum: 2535 m³ (davon Ausstellung 1915 m³) Fertigstellung: Mai 2003 Kraftwerk: Tragwerksplanung: VKW Gebäudetechnik: GMI, Dornbirn (A) Landschaftsgestaltung: Rotzler Krebs Partner, Winterthur (CH) Fertigstellung: Juni 2005 Nutzfläche: 130 m² Umbauter Raum: 1690 m³
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