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Einen Holzkopf wollen wir nicht haben

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Einen Holzkopf wollen wir nicht haben

Text: Michael Freund

Allen anderen verhieß es Glück, doch dem Schüler Allen Koenigsberg machte es zu schaffen. Auf Holz klopfen, das konnte nie schaden. Außer eben dem kleinen, bebrillten, rothaarigen Unglücksraben. An dem kühlten sie ihr Mütchen und klopften sehr unsanft. Sicher war er unsportlich, kein Draufgänger, irgendwie hölzern. Woody Allen nannten sie ihn. Warum überhaupt auf Holz klopfen? Viele machen es, kaum jemand weiß warum. Kein Wunder, es gibt ja auch keine sichere Erklärung. Die einen führen es auf den frühmittelalterlichen Brauch zurück, die als Reliquien verehrten Fragmente des Kreuzes zu berühren. Später soll es genügt haben, beim – natürlich möglichst dreifachen – Berühren irgendeines Holzes an das Kreuz auch nur zu denken. Verwandt damit könnte die Erklärung sein, durch das Berühren eines hölzernen Kirchentors bereits Asyl und damit Glück zu haben. Etwas heidnischer ist die Variante, dass mit Lärm, eben etwa Klopfen auf Holz, die Dämonen vertrieben werden können. Und nüchterner die Deutung, dass die Seefahrer mit dieser Methode gehört haben sollen, ob das Schiffsholz wurmstichig war. Für all dies spricht, dass es auch »knock on wood« heißt, und zwar nicht erst seit Eddie Floyds Soul-Song.
Dagegen spricht, dass die Italiener Eisen bevorzugen: »tocca ferro!« Wenn die hingegen Holz berühren, dann werden mehr noch als anderswo Kunstwerke daraus, manchmal sogar Wunderwerke, ganz märchenhafte. So entstand aus dem sprechenden Stück Holz in Meister Kirsches Tischlerwerkstätte unter den Händen des Spielzeugmachers Geppetto bekanntlich eine höchst lebendige Marionette. Sie hat solcherart vor mehr als 120 Jahren nicht nur Literaturgeschichte gemacht, sondern ihrerseits Comics, Filme und Bühne sowie Millionen langnasiger Puppen belebt, die bloß nicht aus Plastik sein dürfen. Ecco Pinocchio!
Gar zur Heiligsprechung aber bringt es das irdische Material, wenn ihm selber heilende Kräfte zugeschrieben werden. »Palo santo« aus Peru galt den Indios als Medizin, heutigen Räucherstäbchen-Shops ist es immerhin noch profane Einkommensquelle. Ein rötliches Baummaterial, das die lateinamerikanischen Kolonialherren als Färbemittel schätzten, gab sogar einem riesigen Land seinen Namen: »pau do brasil« …
Für Segensreiches steht Holz als Metapher allerdings nicht immer. Einen Holzkopf wollen wir nicht haben, selbst wenn er von Signore Geppetto geschnitzt wäre. Zwar wären Beton- oder Mostschädel, weiche Birne oder Rübe (gar: ab!) sicher keine Alternative, doch das ist ein schwacher Trost. Es kommt ernster. »Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts Gerades gezimmert werden«, befand schon Kant. Das Naturwüchsige muss herhalten für die Unordnung, die einer gradlinigen Ausrichtung nach klarem Denken und Gesetzmäßigkeiten weichen soll.
Dabei könnte man doch – wie es der Architekt Walter Zschokke unlängst getan hat – im senkrechten Wuchs von Bäumen gerade das Aufrechte, stets nach oben Gewandte und Wachsende bewundern. Am Holz lässt sich also beides ablesen, Wildwüchsiges wie Gefügiges, widerspenstiges Wurzelwerk wie glatt gehobelte Uniformität. Alles eine Frage der Perspektive. Schönheit und der Mangel selbiger ist in den Augen des Betrachters. Holz ist Bild der Vielfalt, dann wieder der Unbeweglichkeit, schwer einzuordnen, weil es so viele, unterschiedlichste Bezüge gibt. Was dem einen ein rettender Balken, ist dem anderen ein Splitter im Auge. Über einen Leisten kann man alle diese Metaphern jedenfalls nicht schlagen, da wird kein Schuh draus. Holz liegt, metaphernmäßig gesprochen, wohl im Zwischenreich, für ein Bild des Fortschritts ebenso geeignet wie für Beharrlichkeit. Alles relativ. »Das Leben ist schrecklich«, sagt ein Passant. Dreht sich der inzwischen erwachsene Woody Allen um und fragt: »Verglichen womit?«
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