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Bühne einer Großstadt

Hotel in Berlin
Bühne einer Großstadt

Als Architekt ein Hotel zu bauen und gleichzeitig künstlerisch tätig sein zu dürfen, gehört wohl eher zu den Ausnahmen. Eike Becker und sein Team nutzten die Gelegenheit, das Innere des Gebäudes mit dem Äußeren über einen interaktiven Eingriff zu verbinden. An der gläsernen, streng gerasterten Fassade lassen sich mit Beginn der Dunkelheit die belegten Zimmer ablesen. To plan a hotel and at the same time to function as artist is rather an exceptionel case for an architect. Eike Becker and his team took the oportunity to link the interior of the building on the Oranienburger Street with the exterior, using an interactive intrusion. The glazed, strictly gridded façade reveals at dusk the number of rooms occupied.

Text: Claus Käpplinger

Fotos: Werner Huthmacher
Erfolg oder Misserfolg in der Tourismusbranche entscheidet sich vor allem an der Relation von Image und Preis. Weshalb sich gerade die Hotellerie immer wieder um neue Angebote und neue Kundenkreise bemüht, was in den letzten Jahren zu einer sehr erfreulichen Diversifikation des Gewerbes führte. Die erfolgreiche österreichische Vier-Sterne-Hotelkette Arcotel will nun in Deutschland mit einem Angebot knapp unterhalb der mittlerweile weit verbreiteten Art-Hotels den Versuch starten, ein neues Marktsegment zu erschließen. Als Designer-Hotels tituliert und in metropolitanen Brennpunkten situiert wollen die Arcotels ein junges beziehungsweise ein sich noch jung fühlendes Städtereisen-Publikum mit einer zeitgenössischen Architektur ansprechen.
Der Ort wie der Architekt des Deutschland-Pilotprojekts wurden dazu mehr als nur günstig gewählt. Die Oranienburger Straße mit ihren zahlreichen Cafés und Restaurants, kleinen Mode- und Einrichtungsboutiquen als auch ihren leicht verruchten Bordsteinschwalben bietet alles, wonach der anvisierte Kundenkreis verlangt. Hier fand sich ein Grundstück nahe der Friedrichstraße, eine Baulücke als Folge eines recht obskuren Hausbrandes, die unmittelbar an den Tourismusmagneten, das »Kunsthaus Tacheles«, anschloss. In dieser Umgebung von traditionellen Häusern des 19. Jahrhunderts entstand ein völlig transparentes Haus, das unaufdringlich auf sich aufmerksam macht.
Auf einer Grundfläche von knapp 600 qm gelang es, mit sieben Ober- und zwei Untergeschossen fast 5300 qm Bruttogeschossfläche unterzubringen, oder anders gezählt, 75 Zimmer und zehn Suiten sowie 24 Parkliftsystem-Stellplätze. Doch die Zahlen sind eigentlich nicht das Bemerkenswerte, sondern vielmehr die Architektur des Hauses. Seine Straßenfassade konzipierten die Architekten als einen bewegten und durchlässigen Screen, der bruchlos in eine traditionelle Hauskubatur mit geneigtem Dach überleitet.
Fast geschosshoch sind die 2,70 x 2,70 m großen Glasflächen der Hotelzimmer, denen jeweils ein schmaler Öffnungsflügel aus anthrazitfarbenem Aluminium eingefügt wurde. Absolut flächenbündig schließt Glas an Aluminium, ohne erkennbare Rahmen, Fugen oder Befestigungen, so dass sich die Fassade besonders tagsüber in einen großen Spiegel verwandelt, der aus der Perspektive der Passanten den Himmel auf die Erde zu bringen scheint.
Doch die Fassade ist weit mehr als nur ein Spiegel. Erst beim Nähertreten wird ein überraschendes Relief sichtbar, dass das Haus fast modular erscheinen lässt. Tiefe Strangprofile aus glänzendem Aluminium (mit Stahlkern) werden zwischen den einzelnen Raumkompartimenten geführt, die zarte Schatten in die Fassade zeichnen und die so visuell durchlässigen Räume plötzlich wie vorfabrizierte Einheiten erscheinen lassen, die vor Ort in ein Metallskelett eingeschoben wurden. Ein faszinierender Eindruck, der jedoch täuscht, da das Haus konventionell, wenn auch unterzugslos in Mischbauweise mit Ortbeton- und Fertigteilbauelementen gebaut wurde und es sich bei der Fassade nur um eine sehr elegante Pfosten-Riegel-Konstruktion handelt.
Gerade diese Täuschung hat große visuelle Kraft. Zumal sie noch auf andere Weise als metropolitaner Screen dient. Seine großen Öffnungen sollen in Zusammenarbeit mit der avancierten Kunstszene des Quartiers zu Videoprojektionen genutzt werden. Fest eingebaute Beamer und ein Kunstfaservorhang, der sich automatisch bei Verlassen des Zimmers zuzieht, werfen in den Abendstunden dann bewegte Animationen in den Stadtraum, die die ganze Fassade oder auch nur Teile von ihr bespielen. So haben es die Architekten zumindest konzipiert. Die Hotelkette jedoch zögert noch, weil die mit den Porträts Berliner Ikonen plakativ bedruckten, roten Vorhänge des österreichischen Künstlers und Designers Harald Schreiber nicht ganz zur dezenten Eleganz des Hauses passen wollen.
Doch ein Hotel ist stets mehr als nur eine Fassade, wie die großflächig zu öffnende Erdgeschosszone mit Restaurant und Bar zeigt. Neben deren gesonderten Eingängen tritt der Empfangsbereich des Hotels markant hervor. Zweigeschossig von transluzentem Glas gefasst, wurde er von Harald Schreiber effektvoll farbig hinterleuchtet. Trotz eines engen Budgets, das nur an den nicht sonderlich attraktiven Korridorbereichen erkennbar ist, besitzen das Erdgeschoss mit 3,70 m und die Obergeschosse mit 2,70 m sehr angenehme Raumhöhen. Dezent, komfortabel und modern ist das Design der Zimmer, die keinen Wunsch an Multimedia offen lassen. Fühlt man sich schon in den Zimmern dank der großen Glasflächen quasi als Voyeur wie als Objekt des Straßengeschehens, so ist der Eindruck in den knapp 50 qm großen Suiten unter dem Dach noch viel unmittelbarer. Aus einer Stahl-Aluminium-Konstruktion formte Eike Becker das sechzig Grad geneigte Dach, das den Rhythmus und die Offenheit der Obergeschosse fortsetzt und damit einem grandiosen Blick auf die Dächer von Berlin ermöglicht.
Somit drückt das »Arcotel Velvet« an vielen Stellen die Faszination der Großstadt aus. Selbst noch der kleine Hinterhof mit seinen an De Stijl erinnernden, farbigen Patchworkmustern spielt mit den unterschiedlichen visuellen Erscheinungen einer Metropole, in der ihre Bewohner Akteure auf vielen unterschiedlichen Bühnen sind. C. K.


  • Bauherr: Matura-Bauten; O-tel; Berlin
    Architekten: Eike Becker Architekten, Berlin; Eike Becker, Helge Schmidt
    Projektleitung: Oliver Mehl Mitarbeiter: Andrea Emden, Marc Winkler, Sandra Kavelly, Michael Albert
    Tragwerksplanung: Rummel & Rummel, Karlsruhe
    Haustechnik: Ingenieurbüro Kappler, Berlin
    Projektsteuerung: Trilith Gesellschaft für Bauplanung, Gutachten, Bauleitung
    Fassade: Assmann & Klasen, Rüdersdorf bei Berlin
    Künstlerische Gestaltung und Interior Design: Harald Schreiber, Wien
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